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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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hier weniger Spielraum haben, da die Thatsachen bis in das Einzelne hinein
zu genau bekannt sind, als daß sie nicht die freie Bewegung der Phantasie fort¬
während hindern müßten, und in der That ist unsre Befürchtung durch die
Lectüre des 1. Bandes nicht widerlegt worden. -- Lamartine beginnt mit eini¬
gen geschichtsphilosvphischeu Bemerkungen und geht dann gleich mich seiner Ge¬
wohnheit in in<ZiZta8 r"zö d. h. an die Eröffnung der allgemeinen Stände am
6. Mai 1789. Es ist ein genreartigcs ausgeführtes historisches Gemälde, in
dem sich namentlich das Porträt Neckers (S. 19), sehr originell, wenn auch ein¬
seitig aufgefaßt, bedeutend hervorhebt. Dann geht Lamartine ans die Ursachen
dieses Ereignisses zurück, die in politischer Beziehung unbedeutend entwickelt, aber
doch wieder mit einigen gelungenen Porträts, z. B. mit dem von MaurepaS
ausgestattet werden. Den meisten Raum nimmt, wie sich erwarten läßt, die Ge¬
schichte der Königin Marie Antoinette ein, namentlich die Halsbaudgeschichte ist sehr
anziehend, wenn gleich durchaus novellistisch behandelt. Nach dieser ersten großen
Episode fährt Lamartine 'S. 125 in seiner Geschichte fort, aber nur, um sie
sogleich S. 136 durch eine zweite größere Episode, die Biographie Mirabeaus,
die bis S. 201 geht, zu unterbrechen. Dann schleicht der Fortgang der Be¬
gebenheiten in der gewohnten Weise einförmig hin, bis wieder S. 293 eine
kleine Episode, die Schilderung von Camille Desmoulins, frisches Leben hinein¬
bringt. Der erste Band schließt mit der Einleitung zur Erstürmung der Ba¬
stille ab. --

Für die Geschichte ist in diesem Werke nichts geleistet, es wird aber doch
viele Leser finde", weil es den bekannten Stoff in einschmeichelnden und zierli¬
chen Formen wieder vorführt. Zu Parodoxien, für die sonst Herr v. Lamartine
eine große Vorliebe hat, fand sich diesmal keine Veranlassung. --


Mmoii-e" cle I-l biirnnniz et'v l> v rk irel, sur I" cour alö s^ouis XVI. et I,i "oeivtL
srimyui8s round 1789, dedivs Ä 8-> N"josle Meol"us empei-cur no wulvs
les Kussivs, publies p!>>' ig "vento cle Uo-Ubi-ison, pel.it in" et"z 1'suwur.
2 Bde. Lruxelles. Lomplcnr clef Ldi^urs. --

Auch hier haben wir einen Versuch, uns die gesellschaftlichen Zustände der
Zeit vor dem Ausbruch der ersten französischen Revolution näher zu führen, ein
Versuch, der für unsre historischen Kenntnisse viel ausgiebiger ist, als die Ge¬
schichte des Herrn von Lamartine, weil die Verfasserin sich aller Betrachtungen
enthielt, die nicht in das Gebiet ihrer unmittelbaren Anschauung und Kenntniß
gehören. -- Fräulein von Walduer, die spätere Baronin von Oberkirch, war
1734. im Elsaß geboren und verlebte ihre Jugend in Mömpelgard, wo sie mit
der Prinzessin von Würtemberg, später" Gemahlin des Kaiser Paul I. erzogen
wurde, und mit ihr eine Freundschaft schloß, welche die ganze Dauer ihres Le¬
bens umfaßte. Eine Reise der Großfürstin nach Paris gab ihr Gelegenheit,


hier weniger Spielraum haben, da die Thatsachen bis in das Einzelne hinein
zu genau bekannt sind, als daß sie nicht die freie Bewegung der Phantasie fort¬
während hindern müßten, und in der That ist unsre Befürchtung durch die
Lectüre des 1. Bandes nicht widerlegt worden. — Lamartine beginnt mit eini¬
gen geschichtsphilosvphischeu Bemerkungen und geht dann gleich mich seiner Ge¬
wohnheit in in<ZiZta8 r«zö d. h. an die Eröffnung der allgemeinen Stände am
6. Mai 1789. Es ist ein genreartigcs ausgeführtes historisches Gemälde, in
dem sich namentlich das Porträt Neckers (S. 19), sehr originell, wenn auch ein¬
seitig aufgefaßt, bedeutend hervorhebt. Dann geht Lamartine ans die Ursachen
dieses Ereignisses zurück, die in politischer Beziehung unbedeutend entwickelt, aber
doch wieder mit einigen gelungenen Porträts, z. B. mit dem von MaurepaS
ausgestattet werden. Den meisten Raum nimmt, wie sich erwarten läßt, die Ge¬
schichte der Königin Marie Antoinette ein, namentlich die Halsbaudgeschichte ist sehr
anziehend, wenn gleich durchaus novellistisch behandelt. Nach dieser ersten großen
Episode fährt Lamartine 'S. 125 in seiner Geschichte fort, aber nur, um sie
sogleich S. 136 durch eine zweite größere Episode, die Biographie Mirabeaus,
die bis S. 201 geht, zu unterbrechen. Dann schleicht der Fortgang der Be¬
gebenheiten in der gewohnten Weise einförmig hin, bis wieder S. 293 eine
kleine Episode, die Schilderung von Camille Desmoulins, frisches Leben hinein¬
bringt. Der erste Band schließt mit der Einleitung zur Erstürmung der Ba¬
stille ab. —

Für die Geschichte ist in diesem Werke nichts geleistet, es wird aber doch
viele Leser finde», weil es den bekannten Stoff in einschmeichelnden und zierli¬
chen Formen wieder vorführt. Zu Parodoxien, für die sonst Herr v. Lamartine
eine große Vorliebe hat, fand sich diesmal keine Veranlassung. —


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2 Bde. Lruxelles. Lomplcnr clef Ldi^urs. —

Auch hier haben wir einen Versuch, uns die gesellschaftlichen Zustände der
Zeit vor dem Ausbruch der ersten französischen Revolution näher zu führen, ein
Versuch, der für unsre historischen Kenntnisse viel ausgiebiger ist, als die Ge¬
schichte des Herrn von Lamartine, weil die Verfasserin sich aller Betrachtungen
enthielt, die nicht in das Gebiet ihrer unmittelbaren Anschauung und Kenntniß
gehören. — Fräulein von Walduer, die spätere Baronin von Oberkirch, war
1734. im Elsaß geboren und verlebte ihre Jugend in Mömpelgard, wo sie mit
der Prinzessin von Würtemberg, später» Gemahlin des Kaiser Paul I. erzogen
wurde, und mit ihr eine Freundschaft schloß, welche die ganze Dauer ihres Le¬
bens umfaßte. Eine Reise der Großfürstin nach Paris gab ihr Gelegenheit,


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[0518] hier weniger Spielraum haben, da die Thatsachen bis in das Einzelne hinein zu genau bekannt sind, als daß sie nicht die freie Bewegung der Phantasie fort¬ während hindern müßten, und in der That ist unsre Befürchtung durch die Lectüre des 1. Bandes nicht widerlegt worden. — Lamartine beginnt mit eini¬ gen geschichtsphilosvphischeu Bemerkungen und geht dann gleich mich seiner Ge¬ wohnheit in in<ZiZta8 r«zö d. h. an die Eröffnung der allgemeinen Stände am 6. Mai 1789. Es ist ein genreartigcs ausgeführtes historisches Gemälde, in dem sich namentlich das Porträt Neckers (S. 19), sehr originell, wenn auch ein¬ seitig aufgefaßt, bedeutend hervorhebt. Dann geht Lamartine ans die Ursachen dieses Ereignisses zurück, die in politischer Beziehung unbedeutend entwickelt, aber doch wieder mit einigen gelungenen Porträts, z. B. mit dem von MaurepaS ausgestattet werden. Den meisten Raum nimmt, wie sich erwarten läßt, die Ge¬ schichte der Königin Marie Antoinette ein, namentlich die Halsbaudgeschichte ist sehr anziehend, wenn gleich durchaus novellistisch behandelt. Nach dieser ersten großen Episode fährt Lamartine 'S. 125 in seiner Geschichte fort, aber nur, um sie sogleich S. 136 durch eine zweite größere Episode, die Biographie Mirabeaus, die bis S. 201 geht, zu unterbrechen. Dann schleicht der Fortgang der Be¬ gebenheiten in der gewohnten Weise einförmig hin, bis wieder S. 293 eine kleine Episode, die Schilderung von Camille Desmoulins, frisches Leben hinein¬ bringt. Der erste Band schließt mit der Einleitung zur Erstürmung der Ba¬ stille ab. — Für die Geschichte ist in diesem Werke nichts geleistet, es wird aber doch viele Leser finde», weil es den bekannten Stoff in einschmeichelnden und zierli¬ chen Formen wieder vorführt. Zu Parodoxien, für die sonst Herr v. Lamartine eine große Vorliebe hat, fand sich diesmal keine Veranlassung. — Mmoii-e» cle I-l biirnnniz et'v l> v rk irel, sur I» cour alö s^ouis XVI. et I,i «oeivtL srimyui8s round 1789, dedivs Ä 8-> N»josle Meol»us empei-cur no wulvs les Kussivs, publies p!>>' ig «vento cle Uo-Ubi-ison, pel.it in« et«z 1'suwur. 2 Bde. Lruxelles. Lomplcnr clef Ldi^urs. — Auch hier haben wir einen Versuch, uns die gesellschaftlichen Zustände der Zeit vor dem Ausbruch der ersten französischen Revolution näher zu führen, ein Versuch, der für unsre historischen Kenntnisse viel ausgiebiger ist, als die Ge¬ schichte des Herrn von Lamartine, weil die Verfasserin sich aller Betrachtungen enthielt, die nicht in das Gebiet ihrer unmittelbaren Anschauung und Kenntniß gehören. — Fräulein von Walduer, die spätere Baronin von Oberkirch, war 1734. im Elsaß geboren und verlebte ihre Jugend in Mömpelgard, wo sie mit der Prinzessin von Würtemberg, später» Gemahlin des Kaiser Paul I. erzogen wurde, und mit ihr eine Freundschaft schloß, welche die ganze Dauer ihres Le¬ bens umfaßte. Eine Reise der Großfürstin nach Paris gab ihr Gelegenheit,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/518>, abgerufen am 19.05.2024.