Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stummte bestürzt und wollte mich in Entschuldigungen erschöpfen, aber Frau von
Mackau unterbrach mich und sagte kaltblütig: Entschuldigen Sie sich nicht, Ma¬
dame Royale ist eine "Tochter von Frankreich" und wird niemals das Glück, ge¬
liebt zu werden, den Forderungen der Etikette nachstellen. Sogleich wandte sich
Madame Royale mir zu und reichte mir mit der würdigsten und gütigsten Miene
ihre kleine Hand, die ich küßte. Darauf machte sie mir eine tiefe und ernste
Verbeugung und entfernte sich in der liebenswürdigsten und höflichsten Weise.
Wohl war es die Enkelin Maria Theresias. Es wird ein schöner und edler
Charakter werden." -- O ihr armen Kinder!

Der Nest des Buchs enthält Schilderungen aus dem Leben der Provinz.
Frau von Oberkirch lebte bis -1803. Das Wohlwollen der russischen Kaiserin
dauerte auch noch nach ihrem Tode fort und fand Gelegenheit, sich an ihren
Kindern, die als Gefangene nach Rußland gebracht wurden, thätig zu bewähren. --


Spanien seit dem Sturze Esparteros bis auf die Gegenwart, 1843---
1833, nebst einer Uebersicht der politischen Entwickelung Spaniens seit 1808.
Leipzig, Weidmann. -- '

Man sagt dem Deutschen nach und nicht mit Unrecht, daß er sich in der '
Regel mehr um die politischen Verhältnisse des Auslandes, als um. seine eigenen
kümmert, allein im, wesentlichen sind es doch nur zwei Länder, Frankreich und
England, in denen wir wirklich zu Hause sind, so zu Hause, daß wir uns nicht
blos für den Gang der Entwickelung im allgemeinen, sondern auch für die ein¬
zelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten interessiren. Unter den übrigen Ländern
hat Spanien zwar zu einer gewissen Zeit unsre Aufmerksamkeit auf sich gezogen,
als der langdauernde Krieg die Halbinsel verwüstete, als man es mit Schlachten,
mit Hin- und Hermärschen, kurz mit dramatischen Ereignissen zu thun hatte. Seit
dem Friedensschluß ist unsere Aufmerksamkeit erschlafft, und doch ist in die spanische
Entwickelung keineswegs ein Stillstand eingetreten, im Gegentheil treten erst jetzt
die kämpfenden politischen Ideen, die in der Hitze des Bürgerkriegs zu bloßen
Stichwörtern ausgeartet waren, in ihrer realen Bedeutung ans Tageslicht. Aber
die Zeitungen sind in der Regel schlecht unterrichtet, sie zeichnen sich sogar in
dieser Beziehung meistentheils durch eine fabelhafte Unwissenheit aus und für das
Publicum wird es um so schwerer, dem Gange der Ereignisse zu folgen, da es
in deu Einzelnheiten uicht mehr orientirt ist. Es ist daher ein dankenswerthes
Unternehmen von dem Verfasser des vorliegenden Werkes, daß er durch eine ebenso
gründliche als zweckmäßige Zusammenstellung der Ereignisse aus den letzten
zehn-Jahren es uns möglich macht, uns in den Personen und Zuständen voll¬
ständig zu orientiren und bei jeder neuen Wendung zu verstehen, worauf es
eigentlich ankommt. Uns ist kein ähnliches Unternehmen bekannt und wir glau- '
ben, daß wir jedem Zeitungsleser, dem es darauf ankommt, das, was er liest,


stummte bestürzt und wollte mich in Entschuldigungen erschöpfen, aber Frau von
Mackau unterbrach mich und sagte kaltblütig: Entschuldigen Sie sich nicht, Ma¬
dame Royale ist eine „Tochter von Frankreich" und wird niemals das Glück, ge¬
liebt zu werden, den Forderungen der Etikette nachstellen. Sogleich wandte sich
Madame Royale mir zu und reichte mir mit der würdigsten und gütigsten Miene
ihre kleine Hand, die ich küßte. Darauf machte sie mir eine tiefe und ernste
Verbeugung und entfernte sich in der liebenswürdigsten und höflichsten Weise.
Wohl war es die Enkelin Maria Theresias. Es wird ein schöner und edler
Charakter werden." — O ihr armen Kinder!

Der Nest des Buchs enthält Schilderungen aus dem Leben der Provinz.
Frau von Oberkirch lebte bis -1803. Das Wohlwollen der russischen Kaiserin
dauerte auch noch nach ihrem Tode fort und fand Gelegenheit, sich an ihren
Kindern, die als Gefangene nach Rußland gebracht wurden, thätig zu bewähren. —


Spanien seit dem Sturze Esparteros bis auf die Gegenwart, 1843—-
1833, nebst einer Uebersicht der politischen Entwickelung Spaniens seit 1808.
Leipzig, Weidmann. — '

Man sagt dem Deutschen nach und nicht mit Unrecht, daß er sich in der '
Regel mehr um die politischen Verhältnisse des Auslandes, als um. seine eigenen
kümmert, allein im, wesentlichen sind es doch nur zwei Länder, Frankreich und
England, in denen wir wirklich zu Hause sind, so zu Hause, daß wir uns nicht
blos für den Gang der Entwickelung im allgemeinen, sondern auch für die ein¬
zelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten interessiren. Unter den übrigen Ländern
hat Spanien zwar zu einer gewissen Zeit unsre Aufmerksamkeit auf sich gezogen,
als der langdauernde Krieg die Halbinsel verwüstete, als man es mit Schlachten,
mit Hin- und Hermärschen, kurz mit dramatischen Ereignissen zu thun hatte. Seit
dem Friedensschluß ist unsere Aufmerksamkeit erschlafft, und doch ist in die spanische
Entwickelung keineswegs ein Stillstand eingetreten, im Gegentheil treten erst jetzt
die kämpfenden politischen Ideen, die in der Hitze des Bürgerkriegs zu bloßen
Stichwörtern ausgeartet waren, in ihrer realen Bedeutung ans Tageslicht. Aber
die Zeitungen sind in der Regel schlecht unterrichtet, sie zeichnen sich sogar in
dieser Beziehung meistentheils durch eine fabelhafte Unwissenheit aus und für das
Publicum wird es um so schwerer, dem Gange der Ereignisse zu folgen, da es
in deu Einzelnheiten uicht mehr orientirt ist. Es ist daher ein dankenswerthes
Unternehmen von dem Verfasser des vorliegenden Werkes, daß er durch eine ebenso
gründliche als zweckmäßige Zusammenstellung der Ereignisse aus den letzten
zehn-Jahren es uns möglich macht, uns in den Personen und Zuständen voll¬
ständig zu orientiren und bei jeder neuen Wendung zu verstehen, worauf es
eigentlich ankommt. Uns ist kein ähnliches Unternehmen bekannt und wir glau- '
ben, daß wir jedem Zeitungsleser, dem es darauf ankommt, das, was er liest,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97225"/>
            <p xml:id="ID_1509" prev="#ID_1508"> stummte bestürzt und wollte mich in Entschuldigungen erschöpfen, aber Frau von<lb/>
Mackau unterbrach mich und sagte kaltblütig: Entschuldigen Sie sich nicht, Ma¬<lb/>
dame Royale ist eine &#x201E;Tochter von Frankreich" und wird niemals das Glück, ge¬<lb/>
liebt zu werden, den Forderungen der Etikette nachstellen. Sogleich wandte sich<lb/>
Madame Royale mir zu und reichte mir mit der würdigsten und gütigsten Miene<lb/>
ihre kleine Hand, die ich küßte. Darauf machte sie mir eine tiefe und ernste<lb/>
Verbeugung und entfernte sich in der liebenswürdigsten und höflichsten Weise.<lb/>
Wohl war es die Enkelin Maria Theresias. Es wird ein schöner und edler<lb/>
Charakter werden." &#x2014; O ihr armen Kinder!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1510"> Der Nest des Buchs enthält Schilderungen aus dem Leben der Provinz.<lb/>
Frau von Oberkirch lebte bis -1803. Das Wohlwollen der russischen Kaiserin<lb/>
dauerte auch noch nach ihrem Tode fort und fand Gelegenheit, sich an ihren<lb/>
Kindern, die als Gefangene nach Rußland gebracht wurden, thätig zu bewähren. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Spanien seit dem Sturze Esparteros bis auf die Gegenwart, 1843&#x2014;-<lb/>
1833, nebst einer Uebersicht der politischen Entwickelung Spaniens seit 1808.<lb/>
Leipzig, Weidmann. &#x2014; '</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1511" next="#ID_1512"> Man sagt dem Deutschen nach und nicht mit Unrecht, daß er sich in der '<lb/>
Regel mehr um die politischen Verhältnisse des Auslandes, als um. seine eigenen<lb/>
kümmert, allein im, wesentlichen sind es doch nur zwei Länder, Frankreich und<lb/>
England, in denen wir wirklich zu Hause sind, so zu Hause, daß wir uns nicht<lb/>
blos für den Gang der Entwickelung im allgemeinen, sondern auch für die ein¬<lb/>
zelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten interessiren. Unter den übrigen Ländern<lb/>
hat Spanien zwar zu einer gewissen Zeit unsre Aufmerksamkeit auf sich gezogen,<lb/>
als der langdauernde Krieg die Halbinsel verwüstete, als man es mit Schlachten,<lb/>
mit Hin- und Hermärschen, kurz mit dramatischen Ereignissen zu thun hatte. Seit<lb/>
dem Friedensschluß ist unsere Aufmerksamkeit erschlafft, und doch ist in die spanische<lb/>
Entwickelung keineswegs ein Stillstand eingetreten, im Gegentheil treten erst jetzt<lb/>
die kämpfenden politischen Ideen, die in der Hitze des Bürgerkriegs zu bloßen<lb/>
Stichwörtern ausgeartet waren, in ihrer realen Bedeutung ans Tageslicht. Aber<lb/>
die Zeitungen sind in der Regel schlecht unterrichtet, sie zeichnen sich sogar in<lb/>
dieser Beziehung meistentheils durch eine fabelhafte Unwissenheit aus und für das<lb/>
Publicum wird es um so schwerer, dem Gange der Ereignisse zu folgen, da es<lb/>
in deu Einzelnheiten uicht mehr orientirt ist. Es ist daher ein dankenswerthes<lb/>
Unternehmen von dem Verfasser des vorliegenden Werkes, daß er durch eine ebenso<lb/>
gründliche als zweckmäßige Zusammenstellung der Ereignisse aus den letzten<lb/>
zehn-Jahren es uns möglich macht, uns in den Personen und Zuständen voll¬<lb/>
ständig zu orientiren und bei jeder neuen Wendung zu verstehen, worauf es<lb/>
eigentlich ankommt. Uns ist kein ähnliches Unternehmen bekannt und wir glau- '<lb/>
ben, daß wir jedem Zeitungsleser, dem es darauf ankommt, das, was er liest,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0520] stummte bestürzt und wollte mich in Entschuldigungen erschöpfen, aber Frau von Mackau unterbrach mich und sagte kaltblütig: Entschuldigen Sie sich nicht, Ma¬ dame Royale ist eine „Tochter von Frankreich" und wird niemals das Glück, ge¬ liebt zu werden, den Forderungen der Etikette nachstellen. Sogleich wandte sich Madame Royale mir zu und reichte mir mit der würdigsten und gütigsten Miene ihre kleine Hand, die ich küßte. Darauf machte sie mir eine tiefe und ernste Verbeugung und entfernte sich in der liebenswürdigsten und höflichsten Weise. Wohl war es die Enkelin Maria Theresias. Es wird ein schöner und edler Charakter werden." — O ihr armen Kinder! Der Nest des Buchs enthält Schilderungen aus dem Leben der Provinz. Frau von Oberkirch lebte bis -1803. Das Wohlwollen der russischen Kaiserin dauerte auch noch nach ihrem Tode fort und fand Gelegenheit, sich an ihren Kindern, die als Gefangene nach Rußland gebracht wurden, thätig zu bewähren. — Spanien seit dem Sturze Esparteros bis auf die Gegenwart, 1843—- 1833, nebst einer Uebersicht der politischen Entwickelung Spaniens seit 1808. Leipzig, Weidmann. — ' Man sagt dem Deutschen nach und nicht mit Unrecht, daß er sich in der ' Regel mehr um die politischen Verhältnisse des Auslandes, als um. seine eigenen kümmert, allein im, wesentlichen sind es doch nur zwei Länder, Frankreich und England, in denen wir wirklich zu Hause sind, so zu Hause, daß wir uns nicht blos für den Gang der Entwickelung im allgemeinen, sondern auch für die ein¬ zelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten interessiren. Unter den übrigen Ländern hat Spanien zwar zu einer gewissen Zeit unsre Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als der langdauernde Krieg die Halbinsel verwüstete, als man es mit Schlachten, mit Hin- und Hermärschen, kurz mit dramatischen Ereignissen zu thun hatte. Seit dem Friedensschluß ist unsere Aufmerksamkeit erschlafft, und doch ist in die spanische Entwickelung keineswegs ein Stillstand eingetreten, im Gegentheil treten erst jetzt die kämpfenden politischen Ideen, die in der Hitze des Bürgerkriegs zu bloßen Stichwörtern ausgeartet waren, in ihrer realen Bedeutung ans Tageslicht. Aber die Zeitungen sind in der Regel schlecht unterrichtet, sie zeichnen sich sogar in dieser Beziehung meistentheils durch eine fabelhafte Unwissenheit aus und für das Publicum wird es um so schwerer, dem Gange der Ereignisse zu folgen, da es in deu Einzelnheiten uicht mehr orientirt ist. Es ist daher ein dankenswerthes Unternehmen von dem Verfasser des vorliegenden Werkes, daß er durch eine ebenso gründliche als zweckmäßige Zusammenstellung der Ereignisse aus den letzten zehn-Jahren es uns möglich macht, uns in den Personen und Zuständen voll¬ ständig zu orientiren und bei jeder neuen Wendung zu verstehen, worauf es eigentlich ankommt. Uns ist kein ähnliches Unternehmen bekannt und wir glau- ' ben, daß wir jedem Zeitungsleser, dem es darauf ankommt, das, was er liest,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/520
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/520>, abgerufen am 19.05.2024.