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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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findet. Man kann nicht leugnen, daß die Form und Ausführung dieser, in fran¬
zösischer Sprache abgefaßten Staatsschrift eine sehr geschickte ist, und daß sie
ihren Eindruck nicht verfehlen wird. Die Angelegenheit scheint demnächst vor ein
internationales Schiedsgericht gebracht werden zu sollen.

Von Seiten der hohen Diplomatie in Bujukdere und Theragiä wurden in
den letzten Tagen vielfache Diners veranstaltet. Am glänzendsten waren die
Bankette der bevollmächtigten Minister Frankreichs und Englands. Herr von
Brück läßt augenblicklich sein Gesandtschaftspalais in Pera herstellen; man ist
soeben mit der Decoriruug der Empfangszimmer beschäftigt, welche Vorbereitungen
ans eine glänzende Betheiligung an der diesjährigen Winter-Saison hindeuten.
Mit einiger Ueberraschung hat man in den deutschen Zeitungen gelesen, daß
Baron von Bruck daran denke, Konstantinopel zu verlassen. Außer' dem Uner¬
wartetem hätte rin solcher Schutt noch sein Beklagenswerthes; denn man knüpft,
für das östreichische, wie auch für das allgemeine deutsche Interesse, nicht geringe
Hoffnungen an die hiesige Anwesenheit des gefeierten Stciatsmanes.

Ueber die projectirten Eisenbahnlinien ist, seit langer Zeit, nichts Neueres
bekannt geworden. Es scheint, daß man zuvor die Ausgleichung des Conflictes
abwarten will, ehe mau in dieser Angelegenheit Entschlüsse zur Ausführung trifft.

^2.^

Mit dem gestern hier angelangten Wiener Courier sind sehr friedliche Nach¬
richten eingegangen, die kaum eine" Zweifel darüber lassen, daß die nächsten
Befürchtungen wegen eines Conflictes mit Rußland als beseitigt angesehen werden
dürfen. Herr von Mayendorff, der Bevollmächtigte des Zaren in Wien, hat
nämlich nicht nur der dortige" türkischen, sondern auch anderen Legationen und
dem k. k. Gouvernement erklärt, wie, seinem Ermessen nach, Kaiser Nikolaus
keinen Anstand nehmen werde, auch in der neuen, vom Divan modificirten Form
den AuSgleichnngs-Entwurf der vier Mächte anzunehmen.

Und die Donaufürstenthümer? höre ich Sie fragen? Allerdings ist dies so
zu sagen der Haken der Sache. Alle von mir eingezogenen Erkundigungen
stimmen darin überein, daß Rußland keine directe Vorstellung über diese Ange¬
legenheit von den Großmächten gemacht worden ist; im Gegentheil ist es gewiß,
daß man die Räumung bis jetzt als eine sich von selber verstehende Folge der
Annahme der Wiener Propositionen angesehen hat, "denn", sagt man, "Rußland
hat nnr ans Grund der streitigen Frage die Besetzung eintreten lassen, und wird
nicht säumen, die Maßregel rückgängig zu machen, sobald eine Verständigung er¬
folgt sein wird.

Wie dann, wenn man sich in dieser Annahme täuschte? Es ist nicht zu
leugnen, daß auf Seiten der Türkei das positive Recht ist, und daß die Besetzung


findet. Man kann nicht leugnen, daß die Form und Ausführung dieser, in fran¬
zösischer Sprache abgefaßten Staatsschrift eine sehr geschickte ist, und daß sie
ihren Eindruck nicht verfehlen wird. Die Angelegenheit scheint demnächst vor ein
internationales Schiedsgericht gebracht werden zu sollen.

Von Seiten der hohen Diplomatie in Bujukdere und Theragiä wurden in
den letzten Tagen vielfache Diners veranstaltet. Am glänzendsten waren die
Bankette der bevollmächtigten Minister Frankreichs und Englands. Herr von
Brück läßt augenblicklich sein Gesandtschaftspalais in Pera herstellen; man ist
soeben mit der Decoriruug der Empfangszimmer beschäftigt, welche Vorbereitungen
ans eine glänzende Betheiligung an der diesjährigen Winter-Saison hindeuten.
Mit einiger Ueberraschung hat man in den deutschen Zeitungen gelesen, daß
Baron von Bruck daran denke, Konstantinopel zu verlassen. Außer' dem Uner¬
wartetem hätte rin solcher Schutt noch sein Beklagenswerthes; denn man knüpft,
für das östreichische, wie auch für das allgemeine deutsche Interesse, nicht geringe
Hoffnungen an die hiesige Anwesenheit des gefeierten Stciatsmanes.

Ueber die projectirten Eisenbahnlinien ist, seit langer Zeit, nichts Neueres
bekannt geworden. Es scheint, daß man zuvor die Ausgleichung des Conflictes
abwarten will, ehe mau in dieser Angelegenheit Entschlüsse zur Ausführung trifft.

^2.^

Mit dem gestern hier angelangten Wiener Courier sind sehr friedliche Nach¬
richten eingegangen, die kaum eine» Zweifel darüber lassen, daß die nächsten
Befürchtungen wegen eines Conflictes mit Rußland als beseitigt angesehen werden
dürfen. Herr von Mayendorff, der Bevollmächtigte des Zaren in Wien, hat
nämlich nicht nur der dortige» türkischen, sondern auch anderen Legationen und
dem k. k. Gouvernement erklärt, wie, seinem Ermessen nach, Kaiser Nikolaus
keinen Anstand nehmen werde, auch in der neuen, vom Divan modificirten Form
den AuSgleichnngs-Entwurf der vier Mächte anzunehmen.

Und die Donaufürstenthümer? höre ich Sie fragen? Allerdings ist dies so
zu sagen der Haken der Sache. Alle von mir eingezogenen Erkundigungen
stimmen darin überein, daß Rußland keine directe Vorstellung über diese Ange¬
legenheit von den Großmächten gemacht worden ist; im Gegentheil ist es gewiß,
daß man die Räumung bis jetzt als eine sich von selber verstehende Folge der
Annahme der Wiener Propositionen angesehen hat, „denn", sagt man, „Rußland
hat nnr ans Grund der streitigen Frage die Besetzung eintreten lassen, und wird
nicht säumen, die Maßregel rückgängig zu machen, sobald eine Verständigung er¬
folgt sein wird.

Wie dann, wenn man sich in dieser Annahme täuschte? Es ist nicht zu
leugnen, daß auf Seiten der Türkei das positive Recht ist, und daß die Besetzung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/82>, abgerufen am 19.05.2024.