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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Revision der Geschäftsordnung der deutschen Bundes¬
versammlung.')

Der in der Bundestagssitzung vom i. Mai 183i erstattete Vortrag des
am 30. Juli -1831 dafür gewählten Bundestags-Ausschusses ist sowol an und
für sich eine verdienstliche Arbeit, als er, da an der Annahme der darin
näher motivirten Vorschläge und Verbesserungen nicht gezweifelt wird, einen
Fortschritt der Bundesversammlung zum Bessern bezeugt. Mit Lob ist auch
die Nachgiebigkeit hervorzuheben, womit das Präsidium, d. h. Oestreich, ohne
dessen Mitwirkung und Zulassen ein solcher Vortrag mit seinen Anträgen
schwerlich zu Stande gekommen wäre, scheinbar kleine oder vielmehr kleinliche
Vorrechte bereitwillig aufgeben zu wollen oder schon aufgegeben zu haben
scheint, denn jene Vorrechte und ihre Erlangung hatten keinen wahren Werth
für Oestreich, sondern waren auch nur ein Ausfluß jenes gefallenen vor¬
märzlichen Systems, nach welchem jenes nur in einer gewissen vornehmen Ent¬
fernung mit Deutschland zu thun haben wollte und sich demselben immer mehr
entfremdete, zufrieden, wenn es in der Etiquette den Vortritt und Vorrang
behauptete. -- Aber mit Verbesserung seiner Geschäftsordnung ist der Bundes¬
tag nicht gebessert, wenn nicht zugleich sein Geist sich bessert, wenn er beson¬
ders in Erwägung von Rechten, über welche er als Richter aburtheilen soll,
nicht das Recht, statt einer sehr trüglichen Convenienz oder Zweckmäßigkeit,
zu seinem Leitstern nimmt, wie denn ein anderes Verfahren der hohen Bundes¬
versammlung in der kurhessischen, wie in der lippeschen Frage die betref¬
fenden Regierungen genöthigt haben würde, auf dem Wege der Vereinbarung
mit den Ständen Verfassungen abzuändern und zu verbessern, von deren Mangel-
haftigkeit die betreffenden Volksstämme so überzeugt sein konnten, wie die
betreffenden Regierungen. Zu solchen Gedanken wird man durch die Bundes-
cvmmisston selbst aufgefordert, indem sie den Hauptzweck einer guten Geschäfts¬
ordnung angibt. Sie bemerkt nämlich', sie sei bei Erstattung ihres Vortrages
von der Ansicht ausgegangen, "daß Geschäftöformen nicht das Wesen einer
Sache bilden, somit neben dem guten Willen, den föderativem Bestrebungen,
den vaterländischen Gesinnungen der Bundesglieder, die allein der
Form das Leben einhauchen, immerhin nur von einer mehr untergeordneten
Bedeutung sind; daß dieselben aber darum doch nicht unterschätzt werden dürfen,
da präcise, den Verhältnissen angepaßte formelle Vorschriften die Geschäfts¬
behandlung ebenso fördern, regularistren, dadurch aber dem Einzelnen
eine Gewähr für Beachtung seiner materiellen Rechte geben."

Bekanntlich liegen der Fälle leider mehr als einer vor, wo die Bundes-



*) Durch Zufall verspätet.
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Revision der Geschäftsordnung der deutschen Bundes¬
versammlung.')

Der in der Bundestagssitzung vom i. Mai 183i erstattete Vortrag des
am 30. Juli -1831 dafür gewählten Bundestags-Ausschusses ist sowol an und
für sich eine verdienstliche Arbeit, als er, da an der Annahme der darin
näher motivirten Vorschläge und Verbesserungen nicht gezweifelt wird, einen
Fortschritt der Bundesversammlung zum Bessern bezeugt. Mit Lob ist auch
die Nachgiebigkeit hervorzuheben, womit das Präsidium, d. h. Oestreich, ohne
dessen Mitwirkung und Zulassen ein solcher Vortrag mit seinen Anträgen
schwerlich zu Stande gekommen wäre, scheinbar kleine oder vielmehr kleinliche
Vorrechte bereitwillig aufgeben zu wollen oder schon aufgegeben zu haben
scheint, denn jene Vorrechte und ihre Erlangung hatten keinen wahren Werth
für Oestreich, sondern waren auch nur ein Ausfluß jenes gefallenen vor¬
märzlichen Systems, nach welchem jenes nur in einer gewissen vornehmen Ent¬
fernung mit Deutschland zu thun haben wollte und sich demselben immer mehr
entfremdete, zufrieden, wenn es in der Etiquette den Vortritt und Vorrang
behauptete. — Aber mit Verbesserung seiner Geschäftsordnung ist der Bundes¬
tag nicht gebessert, wenn nicht zugleich sein Geist sich bessert, wenn er beson¬
ders in Erwägung von Rechten, über welche er als Richter aburtheilen soll,
nicht das Recht, statt einer sehr trüglichen Convenienz oder Zweckmäßigkeit,
zu seinem Leitstern nimmt, wie denn ein anderes Verfahren der hohen Bundes¬
versammlung in der kurhessischen, wie in der lippeschen Frage die betref¬
fenden Regierungen genöthigt haben würde, auf dem Wege der Vereinbarung
mit den Ständen Verfassungen abzuändern und zu verbessern, von deren Mangel-
haftigkeit die betreffenden Volksstämme so überzeugt sein konnten, wie die
betreffenden Regierungen. Zu solchen Gedanken wird man durch die Bundes-
cvmmisston selbst aufgefordert, indem sie den Hauptzweck einer guten Geschäfts¬
ordnung angibt. Sie bemerkt nämlich', sie sei bei Erstattung ihres Vortrages
von der Ansicht ausgegangen, „daß Geschäftöformen nicht das Wesen einer
Sache bilden, somit neben dem guten Willen, den föderativem Bestrebungen,
den vaterländischen Gesinnungen der Bundesglieder, die allein der
Form das Leben einhauchen, immerhin nur von einer mehr untergeordneten
Bedeutung sind; daß dieselben aber darum doch nicht unterschätzt werden dürfen,
da präcise, den Verhältnissen angepaßte formelle Vorschriften die Geschäfts¬
behandlung ebenso fördern, regularistren, dadurch aber dem Einzelnen
eine Gewähr für Beachtung seiner materiellen Rechte geben."

Bekanntlich liegen der Fälle leider mehr als einer vor, wo die Bundes-



*) Durch Zufall verspätet.
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[0147] Revision der Geschäftsordnung der deutschen Bundes¬ versammlung.') Der in der Bundestagssitzung vom i. Mai 183i erstattete Vortrag des am 30. Juli -1831 dafür gewählten Bundestags-Ausschusses ist sowol an und für sich eine verdienstliche Arbeit, als er, da an der Annahme der darin näher motivirten Vorschläge und Verbesserungen nicht gezweifelt wird, einen Fortschritt der Bundesversammlung zum Bessern bezeugt. Mit Lob ist auch die Nachgiebigkeit hervorzuheben, womit das Präsidium, d. h. Oestreich, ohne dessen Mitwirkung und Zulassen ein solcher Vortrag mit seinen Anträgen schwerlich zu Stande gekommen wäre, scheinbar kleine oder vielmehr kleinliche Vorrechte bereitwillig aufgeben zu wollen oder schon aufgegeben zu haben scheint, denn jene Vorrechte und ihre Erlangung hatten keinen wahren Werth für Oestreich, sondern waren auch nur ein Ausfluß jenes gefallenen vor¬ märzlichen Systems, nach welchem jenes nur in einer gewissen vornehmen Ent¬ fernung mit Deutschland zu thun haben wollte und sich demselben immer mehr entfremdete, zufrieden, wenn es in der Etiquette den Vortritt und Vorrang behauptete. — Aber mit Verbesserung seiner Geschäftsordnung ist der Bundes¬ tag nicht gebessert, wenn nicht zugleich sein Geist sich bessert, wenn er beson¬ ders in Erwägung von Rechten, über welche er als Richter aburtheilen soll, nicht das Recht, statt einer sehr trüglichen Convenienz oder Zweckmäßigkeit, zu seinem Leitstern nimmt, wie denn ein anderes Verfahren der hohen Bundes¬ versammlung in der kurhessischen, wie in der lippeschen Frage die betref¬ fenden Regierungen genöthigt haben würde, auf dem Wege der Vereinbarung mit den Ständen Verfassungen abzuändern und zu verbessern, von deren Mangel- haftigkeit die betreffenden Volksstämme so überzeugt sein konnten, wie die betreffenden Regierungen. Zu solchen Gedanken wird man durch die Bundes- cvmmisston selbst aufgefordert, indem sie den Hauptzweck einer guten Geschäfts¬ ordnung angibt. Sie bemerkt nämlich', sie sei bei Erstattung ihres Vortrages von der Ansicht ausgegangen, „daß Geschäftöformen nicht das Wesen einer Sache bilden, somit neben dem guten Willen, den föderativem Bestrebungen, den vaterländischen Gesinnungen der Bundesglieder, die allein der Form das Leben einhauchen, immerhin nur von einer mehr untergeordneten Bedeutung sind; daß dieselben aber darum doch nicht unterschätzt werden dürfen, da präcise, den Verhältnissen angepaßte formelle Vorschriften die Geschäfts¬ behandlung ebenso fördern, regularistren, dadurch aber dem Einzelnen eine Gewähr für Beachtung seiner materiellen Rechte geben." Bekanntlich liegen der Fälle leider mehr als einer vor, wo die Bundes- *) Durch Zufall verspätet. 18"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/147>, abgerufen am 06.05.2024.