Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Bordeaux in die Pyrenäen.
i.

In Bordeaux gibt es eine Menge Diligencen, die von Privatgesell¬
schaften, theils in Bordeaux selbst, theils von Paris aus dirigirt werden.
An den Bureaur nun, wo diese Wagen abgehen und wo man sich ein¬
schreiben läßt, erblickt man gewöhnlich riesengroße Aushängeschilder, auf
denen die Namen der Orte, nach welchen man hier befördert werden kann,
verzeichnet sind, oder es ist wol auch die ganze Frontseite des Hauses mit
Städte - und Ländernamen übersät. Man glaubt das Jnhaltsverzeichniß
eines geographischen Buches vor sich zu sehen, denn die bedeutenderen
dieser Anstalten befördern überall hin und man würde in ihrem Comptoir
ohne weiteres ein Billet nach dem Nordpol lösen können, wenn Inca nur
das Umgeld bezahlt. Sie haben überall ihre Verbindungen, auf den Eisen¬
bahnen ihre Coupvs, auf den Landstationen bestimmte Wagen und Contracte
mit Pferdeverleihern, in den Häfen mit gewissen Schiffsgesellschaften. Sie gehen
übrigens nur ab, wenn sich Passagiere melden, vermitteln jedoch fast ausschließlich
den Personenverkehr, da die kaiserliche Post nur drei Reisende ausnimmt.

Es war am Pfingstsonntag, den Is. Mai 18S3, als wir nach einem tüch¬
tigen Frühstück vor dem eleganten Caso de Bordeaux von der Stadt mit ihren
schattigen Promenaden und schönen Mädchen Abschied nahmen und uns auf
dem Dampfschiff dem Conducteur "ner solchen Diligence übergaben, der uns
wie Frachtstücke in Langvn ans Land zählte und am anderen Morgen in Pan
richtig ablieferte. Die Garonne ist bis Langon ziemlich breit, die Ufer sind
bald flach, bald sind es Rebenhügel und kleine Felspartien, eine Menge gut
erhaltener und bewohnter alter Schlösser decoriren sie. Die Vegetation gleicht
der in den Thälern des südlichen Tirols. Die Nacht im Coup" (unser Ca¬
briolet) von Langon nach Pan werde ich nie vergessen; in unsrer Mitte saß
der Conducteur und es regnete. Auf jeder Station nun sprang der unruhige
Geist herab, half selbst die Pferde anschirren und preßte sich dann in seinen
triefend nassen Regenmantel eingeschlagen wieder in unsre Mitte. Die Nacht
war lau, die hohen Rosenbüsche in den Gärten prangten mit herrlichen großen
Blüten übersäet und parfümirten die Lust, aber wir dankten Gott, als der
Morgen kam und wir glücklich in Pan einliefen. Pan, der Größe nach eine
Mittelstadt, früher Hauptstadt des Königreichs Bearn ist in einer Ebene ge¬
legen, welche südlich und östlich von den Pyrenäen und ihren Ausläufern be¬
grenzt wird, während sie sich westlich nach dem entfernteren Ocean zu ausdehnt.
Südlicher als Marseille und Toulon gelegen, erfreut es sich eines milden, stets
angenehmen Klimas, einer reinen, meist feuchten Luft, die man mit Vergnügen


Von Bordeaux in die Pyrenäen.
i.

In Bordeaux gibt es eine Menge Diligencen, die von Privatgesell¬
schaften, theils in Bordeaux selbst, theils von Paris aus dirigirt werden.
An den Bureaur nun, wo diese Wagen abgehen und wo man sich ein¬
schreiben läßt, erblickt man gewöhnlich riesengroße Aushängeschilder, auf
denen die Namen der Orte, nach welchen man hier befördert werden kann,
verzeichnet sind, oder es ist wol auch die ganze Frontseite des Hauses mit
Städte - und Ländernamen übersät. Man glaubt das Jnhaltsverzeichniß
eines geographischen Buches vor sich zu sehen, denn die bedeutenderen
dieser Anstalten befördern überall hin und man würde in ihrem Comptoir
ohne weiteres ein Billet nach dem Nordpol lösen können, wenn Inca nur
das Umgeld bezahlt. Sie haben überall ihre Verbindungen, auf den Eisen¬
bahnen ihre Coupvs, auf den Landstationen bestimmte Wagen und Contracte
mit Pferdeverleihern, in den Häfen mit gewissen Schiffsgesellschaften. Sie gehen
übrigens nur ab, wenn sich Passagiere melden, vermitteln jedoch fast ausschließlich
den Personenverkehr, da die kaiserliche Post nur drei Reisende ausnimmt.

Es war am Pfingstsonntag, den Is. Mai 18S3, als wir nach einem tüch¬
tigen Frühstück vor dem eleganten Caso de Bordeaux von der Stadt mit ihren
schattigen Promenaden und schönen Mädchen Abschied nahmen und uns auf
dem Dampfschiff dem Conducteur «ner solchen Diligence übergaben, der uns
wie Frachtstücke in Langvn ans Land zählte und am anderen Morgen in Pan
richtig ablieferte. Die Garonne ist bis Langon ziemlich breit, die Ufer sind
bald flach, bald sind es Rebenhügel und kleine Felspartien, eine Menge gut
erhaltener und bewohnter alter Schlösser decoriren sie. Die Vegetation gleicht
der in den Thälern des südlichen Tirols. Die Nacht im Coup« (unser Ca¬
briolet) von Langon nach Pan werde ich nie vergessen; in unsrer Mitte saß
der Conducteur und es regnete. Auf jeder Station nun sprang der unruhige
Geist herab, half selbst die Pferde anschirren und preßte sich dann in seinen
triefend nassen Regenmantel eingeschlagen wieder in unsre Mitte. Die Nacht
war lau, die hohen Rosenbüsche in den Gärten prangten mit herrlichen großen
Blüten übersäet und parfümirten die Lust, aber wir dankten Gott, als der
Morgen kam und wir glücklich in Pan einliefen. Pan, der Größe nach eine
Mittelstadt, früher Hauptstadt des Königreichs Bearn ist in einer Ebene ge¬
legen, welche südlich und östlich von den Pyrenäen und ihren Ausläufern be¬
grenzt wird, während sie sich westlich nach dem entfernteren Ocean zu ausdehnt.
Südlicher als Marseille und Toulon gelegen, erfreut es sich eines milden, stets
angenehmen Klimas, einer reinen, meist feuchten Luft, die man mit Vergnügen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281325"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Von Bordeaux in die Pyrenäen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_534"> In Bordeaux gibt es eine Menge Diligencen, die von Privatgesell¬<lb/>
schaften, theils in Bordeaux selbst, theils von Paris aus dirigirt werden.<lb/>
An den Bureaur nun, wo diese Wagen abgehen und wo man sich ein¬<lb/>
schreiben läßt, erblickt man gewöhnlich riesengroße Aushängeschilder, auf<lb/>
denen die Namen der Orte, nach welchen man hier befördert werden kann,<lb/>
verzeichnet sind, oder es ist wol auch die ganze Frontseite des Hauses mit<lb/>
Städte - und Ländernamen übersät. Man glaubt das Jnhaltsverzeichniß<lb/>
eines geographischen Buches vor sich zu sehen, denn die bedeutenderen<lb/>
dieser Anstalten befördern überall hin und man würde in ihrem Comptoir<lb/>
ohne weiteres ein Billet nach dem Nordpol lösen können, wenn Inca nur<lb/>
das Umgeld bezahlt. Sie haben überall ihre Verbindungen, auf den Eisen¬<lb/>
bahnen ihre Coupvs, auf den Landstationen bestimmte Wagen und Contracte<lb/>
mit Pferdeverleihern, in den Häfen mit gewissen Schiffsgesellschaften. Sie gehen<lb/>
übrigens nur ab, wenn sich Passagiere melden, vermitteln jedoch fast ausschließlich<lb/>
den Personenverkehr, da die kaiserliche Post nur drei Reisende ausnimmt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_535" next="#ID_536"> Es war am Pfingstsonntag, den Is. Mai 18S3, als wir nach einem tüch¬<lb/>
tigen Frühstück vor dem eleganten Caso de Bordeaux von der Stadt mit ihren<lb/>
schattigen Promenaden und schönen Mädchen Abschied nahmen und uns auf<lb/>
dem Dampfschiff dem Conducteur «ner solchen Diligence übergaben, der uns<lb/>
wie Frachtstücke in Langvn ans Land zählte und am anderen Morgen in Pan<lb/>
richtig ablieferte. Die Garonne ist bis Langon ziemlich breit, die Ufer sind<lb/>
bald flach, bald sind es Rebenhügel und kleine Felspartien, eine Menge gut<lb/>
erhaltener und bewohnter alter Schlösser decoriren sie. Die Vegetation gleicht<lb/>
der in den Thälern des südlichen Tirols. Die Nacht im Coup« (unser Ca¬<lb/>
briolet) von Langon nach Pan werde ich nie vergessen; in unsrer Mitte saß<lb/>
der Conducteur und es regnete. Auf jeder Station nun sprang der unruhige<lb/>
Geist herab, half selbst die Pferde anschirren und preßte sich dann in seinen<lb/>
triefend nassen Regenmantel eingeschlagen wieder in unsre Mitte. Die Nacht<lb/>
war lau, die hohen Rosenbüsche in den Gärten prangten mit herrlichen großen<lb/>
Blüten übersäet und parfümirten die Lust, aber wir dankten Gott, als der<lb/>
Morgen kam und wir glücklich in Pan einliefen. Pan, der Größe nach eine<lb/>
Mittelstadt, früher Hauptstadt des Königreichs Bearn ist in einer Ebene ge¬<lb/>
legen, welche südlich und östlich von den Pyrenäen und ihren Ausläufern be¬<lb/>
grenzt wird, während sie sich westlich nach dem entfernteren Ocean zu ausdehnt.<lb/>
Südlicher als Marseille und Toulon gelegen, erfreut es sich eines milden, stets<lb/>
angenehmen Klimas, einer reinen, meist feuchten Luft, die man mit Vergnügen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0174] Von Bordeaux in die Pyrenäen. i. In Bordeaux gibt es eine Menge Diligencen, die von Privatgesell¬ schaften, theils in Bordeaux selbst, theils von Paris aus dirigirt werden. An den Bureaur nun, wo diese Wagen abgehen und wo man sich ein¬ schreiben läßt, erblickt man gewöhnlich riesengroße Aushängeschilder, auf denen die Namen der Orte, nach welchen man hier befördert werden kann, verzeichnet sind, oder es ist wol auch die ganze Frontseite des Hauses mit Städte - und Ländernamen übersät. Man glaubt das Jnhaltsverzeichniß eines geographischen Buches vor sich zu sehen, denn die bedeutenderen dieser Anstalten befördern überall hin und man würde in ihrem Comptoir ohne weiteres ein Billet nach dem Nordpol lösen können, wenn Inca nur das Umgeld bezahlt. Sie haben überall ihre Verbindungen, auf den Eisen¬ bahnen ihre Coupvs, auf den Landstationen bestimmte Wagen und Contracte mit Pferdeverleihern, in den Häfen mit gewissen Schiffsgesellschaften. Sie gehen übrigens nur ab, wenn sich Passagiere melden, vermitteln jedoch fast ausschließlich den Personenverkehr, da die kaiserliche Post nur drei Reisende ausnimmt. Es war am Pfingstsonntag, den Is. Mai 18S3, als wir nach einem tüch¬ tigen Frühstück vor dem eleganten Caso de Bordeaux von der Stadt mit ihren schattigen Promenaden und schönen Mädchen Abschied nahmen und uns auf dem Dampfschiff dem Conducteur «ner solchen Diligence übergaben, der uns wie Frachtstücke in Langvn ans Land zählte und am anderen Morgen in Pan richtig ablieferte. Die Garonne ist bis Langon ziemlich breit, die Ufer sind bald flach, bald sind es Rebenhügel und kleine Felspartien, eine Menge gut erhaltener und bewohnter alter Schlösser decoriren sie. Die Vegetation gleicht der in den Thälern des südlichen Tirols. Die Nacht im Coup« (unser Ca¬ briolet) von Langon nach Pan werde ich nie vergessen; in unsrer Mitte saß der Conducteur und es regnete. Auf jeder Station nun sprang der unruhige Geist herab, half selbst die Pferde anschirren und preßte sich dann in seinen triefend nassen Regenmantel eingeschlagen wieder in unsre Mitte. Die Nacht war lau, die hohen Rosenbüsche in den Gärten prangten mit herrlichen großen Blüten übersäet und parfümirten die Lust, aber wir dankten Gott, als der Morgen kam und wir glücklich in Pan einliefen. Pan, der Größe nach eine Mittelstadt, früher Hauptstadt des Königreichs Bearn ist in einer Ebene ge¬ legen, welche südlich und östlich von den Pyrenäen und ihren Ausläufern be¬ grenzt wird, während sie sich westlich nach dem entfernteren Ocean zu ausdehnt. Südlicher als Marseille und Toulon gelegen, erfreut es sich eines milden, stets angenehmen Klimas, einer reinen, meist feuchten Luft, die man mit Vergnügen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/174
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/174>, abgerufen am 06.05.2024.