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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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in einem von senkrechten Steinwänden rings umgürteten Plateau. Der Lilien-
und Königsstein in der sächsischen Schweiz wiederholen sich hier zu öfteren
Malen, nur daß es hier Urgranit anstatt des Sandsteines ist, welcher die
riesigen EZcarpen formirt. Dergleichen Hochflächen sind, weil sie nur auf
wenigen Punkten erstiegen werden können, ganz außerordentlich gute Po¬
sitionen für den kleinen Krieg. Eine verhältnißmäßig kleine Truppe wird die¬
selben besetzt halten und von ihnen aus eine weitreichende Herrschaft in die
Umgegend ausüben können. In dieser Hinsicht sind sie kleinen Festungen zu
vergleichen.

Schon funkelte der Abendstern am Himmel, als unsre Pferde in ein enges
Felsenthal von romantischer Schönheit einbogen. Mitten hindurch schlängelte
sich ein Bach. Die Thalsohle bedeckte ein Wiesenteppich vom üppigsten Grün,
welches grell gegen die finstern Felsen abstach, aus denen die Thalwände sich
formiren. Endlich im Hintergrunde des Thals lag ein Städtchen von mäßi¬
gem'Umfang. Es war Prawadi, das Ziel unsrer Tagesfahrt. In einer
halben Stunde hatten wir es erreicht und saßen beim Mondenlicht unter der
Veranda vor dem Hause des Kadi, wo wir unser Quartier genommen.


Das Felsthal von Prawadi.

Jede Gebirgslandschaft ist in Hinsicht auf die Macht des Eindrucks der
in der Ebene überlegen. In letzterer tritt uns die Natur sozusagen nur in
einer, in horizontaler Dimension, innerhalb der Berge aber zugleich in ver¬
tikaler entgegen. Wir saßen an jenem Abend noch lange im Mondenschein
unter der Veranda; es war eine herrliche Nacht! der Himmel klar, der säu¬
selnde Windhauch aber frisch und kühl genug, um nach der Hitze des Tages
zu erquicken und doch nicht gleichzeitig frösteln zu lassen, die Sterne silberner
und Heller, als man sie bei uns je zu schauen pflegt, und der nahezu volle
Mond, wie er dicht über die Kuppen der Felsberge hinging, ein Quell des
mildesten Lichtes.

Es ist ganz der türkischen Sitte entsprechend, so der Ruhe hingegeben
stundenlang Abends im Freien oder unter der Veranda zuzubringen. Plätze
zum bequemen Sitzen mittelst Divanpolstern, Decken und Teppichen einzu¬
richten, darin sind die osmanischen Diener Meister. Aber dennoch paßt ein
solches proviforisches Etablissement nicht immer für uns, die wir nicht gewohnt
sind und am mindesten Erholung dabei finden, lange Zeit mit gekreuzten Bei¬
nen zu sitzen. Die Fertigkeit, welche den Türken darin eigen ist, geht ins
Unglaubliche. Es will scheinen, als hätten sie, im Vergleich mit uns, ver¬
längerte Kniesehnen und andere Muskeln und Knochen. Bei diesen Sitzungen
dürfen natürlich Pfeifen nicht fehlen. Der Aelteste oder Vornehmste raucht


in einem von senkrechten Steinwänden rings umgürteten Plateau. Der Lilien-
und Königsstein in der sächsischen Schweiz wiederholen sich hier zu öfteren
Malen, nur daß es hier Urgranit anstatt des Sandsteines ist, welcher die
riesigen EZcarpen formirt. Dergleichen Hochflächen sind, weil sie nur auf
wenigen Punkten erstiegen werden können, ganz außerordentlich gute Po¬
sitionen für den kleinen Krieg. Eine verhältnißmäßig kleine Truppe wird die¬
selben besetzt halten und von ihnen aus eine weitreichende Herrschaft in die
Umgegend ausüben können. In dieser Hinsicht sind sie kleinen Festungen zu
vergleichen.

Schon funkelte der Abendstern am Himmel, als unsre Pferde in ein enges
Felsenthal von romantischer Schönheit einbogen. Mitten hindurch schlängelte
sich ein Bach. Die Thalsohle bedeckte ein Wiesenteppich vom üppigsten Grün,
welches grell gegen die finstern Felsen abstach, aus denen die Thalwände sich
formiren. Endlich im Hintergrunde des Thals lag ein Städtchen von mäßi¬
gem'Umfang. Es war Prawadi, das Ziel unsrer Tagesfahrt. In einer
halben Stunde hatten wir es erreicht und saßen beim Mondenlicht unter der
Veranda vor dem Hause des Kadi, wo wir unser Quartier genommen.


Das Felsthal von Prawadi.

Jede Gebirgslandschaft ist in Hinsicht auf die Macht des Eindrucks der
in der Ebene überlegen. In letzterer tritt uns die Natur sozusagen nur in
einer, in horizontaler Dimension, innerhalb der Berge aber zugleich in ver¬
tikaler entgegen. Wir saßen an jenem Abend noch lange im Mondenschein
unter der Veranda; es war eine herrliche Nacht! der Himmel klar, der säu¬
selnde Windhauch aber frisch und kühl genug, um nach der Hitze des Tages
zu erquicken und doch nicht gleichzeitig frösteln zu lassen, die Sterne silberner
und Heller, als man sie bei uns je zu schauen pflegt, und der nahezu volle
Mond, wie er dicht über die Kuppen der Felsberge hinging, ein Quell des
mildesten Lichtes.

Es ist ganz der türkischen Sitte entsprechend, so der Ruhe hingegeben
stundenlang Abends im Freien oder unter der Veranda zuzubringen. Plätze
zum bequemen Sitzen mittelst Divanpolstern, Decken und Teppichen einzu¬
richten, darin sind die osmanischen Diener Meister. Aber dennoch paßt ein
solches proviforisches Etablissement nicht immer für uns, die wir nicht gewohnt
sind und am mindesten Erholung dabei finden, lange Zeit mit gekreuzten Bei¬
nen zu sitzen. Die Fertigkeit, welche den Türken darin eigen ist, geht ins
Unglaubliche. Es will scheinen, als hätten sie, im Vergleich mit uns, ver¬
längerte Kniesehnen und andere Muskeln und Knochen. Bei diesen Sitzungen
dürfen natürlich Pfeifen nicht fehlen. Der Aelteste oder Vornehmste raucht


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[0189] in einem von senkrechten Steinwänden rings umgürteten Plateau. Der Lilien- und Königsstein in der sächsischen Schweiz wiederholen sich hier zu öfteren Malen, nur daß es hier Urgranit anstatt des Sandsteines ist, welcher die riesigen EZcarpen formirt. Dergleichen Hochflächen sind, weil sie nur auf wenigen Punkten erstiegen werden können, ganz außerordentlich gute Po¬ sitionen für den kleinen Krieg. Eine verhältnißmäßig kleine Truppe wird die¬ selben besetzt halten und von ihnen aus eine weitreichende Herrschaft in die Umgegend ausüben können. In dieser Hinsicht sind sie kleinen Festungen zu vergleichen. Schon funkelte der Abendstern am Himmel, als unsre Pferde in ein enges Felsenthal von romantischer Schönheit einbogen. Mitten hindurch schlängelte sich ein Bach. Die Thalsohle bedeckte ein Wiesenteppich vom üppigsten Grün, welches grell gegen die finstern Felsen abstach, aus denen die Thalwände sich formiren. Endlich im Hintergrunde des Thals lag ein Städtchen von mäßi¬ gem'Umfang. Es war Prawadi, das Ziel unsrer Tagesfahrt. In einer halben Stunde hatten wir es erreicht und saßen beim Mondenlicht unter der Veranda vor dem Hause des Kadi, wo wir unser Quartier genommen. Das Felsthal von Prawadi. Jede Gebirgslandschaft ist in Hinsicht auf die Macht des Eindrucks der in der Ebene überlegen. In letzterer tritt uns die Natur sozusagen nur in einer, in horizontaler Dimension, innerhalb der Berge aber zugleich in ver¬ tikaler entgegen. Wir saßen an jenem Abend noch lange im Mondenschein unter der Veranda; es war eine herrliche Nacht! der Himmel klar, der säu¬ selnde Windhauch aber frisch und kühl genug, um nach der Hitze des Tages zu erquicken und doch nicht gleichzeitig frösteln zu lassen, die Sterne silberner und Heller, als man sie bei uns je zu schauen pflegt, und der nahezu volle Mond, wie er dicht über die Kuppen der Felsberge hinging, ein Quell des mildesten Lichtes. Es ist ganz der türkischen Sitte entsprechend, so der Ruhe hingegeben stundenlang Abends im Freien oder unter der Veranda zuzubringen. Plätze zum bequemen Sitzen mittelst Divanpolstern, Decken und Teppichen einzu¬ richten, darin sind die osmanischen Diener Meister. Aber dennoch paßt ein solches proviforisches Etablissement nicht immer für uns, die wir nicht gewohnt sind und am mindesten Erholung dabei finden, lange Zeit mit gekreuzten Bei¬ nen zu sitzen. Die Fertigkeit, welche den Türken darin eigen ist, geht ins Unglaubliche. Es will scheinen, als hätten sie, im Vergleich mit uns, ver¬ längerte Kniesehnen und andere Muskeln und Knochen. Bei diesen Sitzungen dürfen natürlich Pfeifen nicht fehlen. Der Aelteste oder Vornehmste raucht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/189>, abgerufen am 07.05.2024.