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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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welches dann immer schön und malerisch am Uferhange gelegen ist, oder an
einem walachischen Reiter vorüber. Die Dörfer scheinen auf dem linken
Donauufer seltner zu sein wie die einzelnen Gehöfte.

Selten gibt es einen Strom, dessen Gegengestade in so geringer
Beziehung miteinander stehen, wie die der untern Donau. Wie all¬
bekannt hat Nußland sie durch einen Paßcordon geschieden. Diese Maßregel
war in seinem Interesse eine außerordentlich schlaue. Der Keil, den es mili¬
tärisch und politisch zwischen Morgen- und Abendland einschieben wollte, wurde
hier im voraus eingeschoben. Wenn dereinst der Frieden angebahnt worden ist,
mag man auch diesem Verhältniß eine andre Gestaltung geben. Denn ein
Strom, dessen Gegenufer außer Communication miteinander stehen, verliert
seine Bedeutung und insbesondere seine Leitkraft für die Cultur. Ohne Pa߬
cordon würde diese schon jetzt im Bulgarenland viel weiter um sich gegriffen
haben, und zwischen diesem und der Walachei wurde ein Handel bestehen, der
heute noch absolut fehlt, wenn man einige commercielle Beziehungen einzelner
Hauptorte, Rustschucks und Bukarests, Widdins und Krajowas, ausnimmt.

Es war in den spätern Nachmittagsstunden, als wir Tartariza gegen¬
über einen Jnselarchipelagus passirten und bald darnach in einer weiten Strom¬
biegung Silistria vor uns sahen. Die Stadt präsentirt sich nicht übel. Aus
der Ferne bereits erkennt man die Festungsanlagen aus den sie umgebenden
Hügeln oder die detachirten Forts. Sie waren damals noch unbeendet und
mit Fernröhren konnte man mehre hundert Soldaten auf jedem der fraglichen
Punkte mit der Arbeit deS Schanzens beschäftigt wahrnehmen. Eine Viertel¬
stunde darnach lag der Dampfer an der Landungsbrücke vor der Wasserfronte
der Festung.




Generallieutenant Schilder.
'"''

.,,.,.
Neben den beiden Fürsten Paskewitsch und Gortschakoff ist im Lause des
gegenwärtigen Krieges kein russischer General so häufig genannt worden , wie
der am 13. Juni d. I. vor Silistria verwundete und infolge der Amputation
im Oberschenkel verstorbene Chef des Geniewesens der activen Armee und
Generaladjutant des Kaisers, Schilder. Er genoß weit über den Kreis seiner
Waffe hinaus Ansehn in der Armee und namentlich im Kriegsrathe, und im
Munde des russischen Soldaten stand längst das Urtheil über ihn sest, "daß
er das Wort habe", womit der gemeine Mann den Inbegriff der geistigen
Fähigkeiten bezeichnet, deren genauere Bestimmung seine Kenntnisse und sein
beschränktes Fassungsvermögen nicht zulassen.


welches dann immer schön und malerisch am Uferhange gelegen ist, oder an
einem walachischen Reiter vorüber. Die Dörfer scheinen auf dem linken
Donauufer seltner zu sein wie die einzelnen Gehöfte.

Selten gibt es einen Strom, dessen Gegengestade in so geringer
Beziehung miteinander stehen, wie die der untern Donau. Wie all¬
bekannt hat Nußland sie durch einen Paßcordon geschieden. Diese Maßregel
war in seinem Interesse eine außerordentlich schlaue. Der Keil, den es mili¬
tärisch und politisch zwischen Morgen- und Abendland einschieben wollte, wurde
hier im voraus eingeschoben. Wenn dereinst der Frieden angebahnt worden ist,
mag man auch diesem Verhältniß eine andre Gestaltung geben. Denn ein
Strom, dessen Gegenufer außer Communication miteinander stehen, verliert
seine Bedeutung und insbesondere seine Leitkraft für die Cultur. Ohne Pa߬
cordon würde diese schon jetzt im Bulgarenland viel weiter um sich gegriffen
haben, und zwischen diesem und der Walachei wurde ein Handel bestehen, der
heute noch absolut fehlt, wenn man einige commercielle Beziehungen einzelner
Hauptorte, Rustschucks und Bukarests, Widdins und Krajowas, ausnimmt.

Es war in den spätern Nachmittagsstunden, als wir Tartariza gegen¬
über einen Jnselarchipelagus passirten und bald darnach in einer weiten Strom¬
biegung Silistria vor uns sahen. Die Stadt präsentirt sich nicht übel. Aus
der Ferne bereits erkennt man die Festungsanlagen aus den sie umgebenden
Hügeln oder die detachirten Forts. Sie waren damals noch unbeendet und
mit Fernröhren konnte man mehre hundert Soldaten auf jedem der fraglichen
Punkte mit der Arbeit deS Schanzens beschäftigt wahrnehmen. Eine Viertel¬
stunde darnach lag der Dampfer an der Landungsbrücke vor der Wasserfronte
der Festung.




Generallieutenant Schilder.
'"''

.,,.,.
Neben den beiden Fürsten Paskewitsch und Gortschakoff ist im Lause des
gegenwärtigen Krieges kein russischer General so häufig genannt worden , wie
der am 13. Juni d. I. vor Silistria verwundete und infolge der Amputation
im Oberschenkel verstorbene Chef des Geniewesens der activen Armee und
Generaladjutant des Kaisers, Schilder. Er genoß weit über den Kreis seiner
Waffe hinaus Ansehn in der Armee und namentlich im Kriegsrathe, und im
Munde des russischen Soldaten stand längst das Urtheil über ihn sest, „daß
er das Wort habe", womit der gemeine Mann den Inbegriff der geistigen
Fähigkeiten bezeichnet, deren genauere Bestimmung seine Kenntnisse und sein
beschränktes Fassungsvermögen nicht zulassen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/272>, abgerufen am 07.05.2024.