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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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stimmte Erinnerungen gestützten Idealismus, mit seinem unklaren und unbe¬
ständigen Wollen, so sehr wir in einzelnen Punkten mit ihm sympathisiren,
dennoch kein Recht und keine Macht hatte, gegen die concrvten historischen
Mächte, gegen das Papstthum und gegen das entwickelte Militärsystcm Italiens.
In Rienzi kam zur idealen Erscheinung, was sich als inhaltlose Gährung
überall im Volke regte; und wenn wir ihm Recht widerfahren lassen wollen,
so dürfen wir nie außer Acht lassen, dass Schwärmerei und theatralisches Wesen
überall hart aneinandergrenzcn und daß bei einem Volk von leicht erregbarer
Phantasie und unreifer sittlicher Bildung das Uebergehen des einen in das
andere sich schwer vermeiden läßt. Bei der großen Begabung des italienischen
Volkes , bei seiner productiven Einbildungskraft und seinem kalt zersetzenden,
unerbittlichen Verstand, beides Eigenschaften, in denen ihnen kein anderes
Volk gleichkommt, fehlte ihm doch die gemüthliche Mitte- wo das eine an¬
fing, hörte das andere auf; und so gewannen die schönsten und blendendsten
Erscheinungen keine sittliche Consistenz, keine concrete Gestalt. Wenn man
diese Charakterzüge im allgemeinen zugibt, wird man die einzelnen Fälle milder
beurtheilen, als der Verfasser thut.

In dem Hauptzwecke seines Werkes, in der Darstellung der allmäligen
Bildung des Kirchenstaats bis zu der Periode, wo er die gegenwärtige Gestalt
gewann, ist der Verfasser durchaus correct, und so begrüßen wir sein Buch
als eine wesentliche Bereicherung der historischen Literatur. --


Die ersten Amerikaner im Westen. Für die reifere Jugend und das Volt
bearbeitet von l)>. Franz Kottcnkamp. Stuttgart, Schmidt und Spring. ^

Ein sehr anziehendes und nützliches Buch, das wir mit großer Befriedigung
anzeigen können. Es besteht aus zwei Haupttheilen; der erste umfaßt die
Gründung Kentuckys durch kühne Hinterwäldler; der zweite den großen 2"'
dianeraufstanv unter Teeumseh. Die Darstellung ist, wie es für den Z>w'et
deö Buches nothwendig war, sehr ausführlich und detaillirt; sie gibt nicht einen
historischen Abriß, sondern eine lebendige und anschauliche Schilderung, wie
man sie sonst nur in historischen Romanen gewohnt ist. Solche Bücher, na¬
mentlich wenn sie populär gehalten sind, können auf unser Urtheil über die
amerikanischen Verhältnisse nur sehr segensreich einwirken; denn so groß der
Umfang der amerikanischen Literatur bereits angewachsen ist, so machen sich doch
sehr erhebliche Lücken darin fühlbar. Abgesehen von den Touristen, die Amerika
bereisen und sich im ganzen von dem ersten zufälligen. Eindruck bestimmen
lassen, und von den Handbüchern, die für einen bestimmten praktischen Zw^
geschrieben sind, namentlich zur Belehrung der Auswanderer, waren unsre
Quellen für die Kenntniß Amerikas theils die historischen Romane, die
der Einbildungskraft einen zu großen Spielraum verstatteten, theils d>e


stimmte Erinnerungen gestützten Idealismus, mit seinem unklaren und unbe¬
ständigen Wollen, so sehr wir in einzelnen Punkten mit ihm sympathisiren,
dennoch kein Recht und keine Macht hatte, gegen die concrvten historischen
Mächte, gegen das Papstthum und gegen das entwickelte Militärsystcm Italiens.
In Rienzi kam zur idealen Erscheinung, was sich als inhaltlose Gährung
überall im Volke regte; und wenn wir ihm Recht widerfahren lassen wollen,
so dürfen wir nie außer Acht lassen, dass Schwärmerei und theatralisches Wesen
überall hart aneinandergrenzcn und daß bei einem Volk von leicht erregbarer
Phantasie und unreifer sittlicher Bildung das Uebergehen des einen in das
andere sich schwer vermeiden läßt. Bei der großen Begabung des italienischen
Volkes , bei seiner productiven Einbildungskraft und seinem kalt zersetzenden,
unerbittlichen Verstand, beides Eigenschaften, in denen ihnen kein anderes
Volk gleichkommt, fehlte ihm doch die gemüthliche Mitte- wo das eine an¬
fing, hörte das andere auf; und so gewannen die schönsten und blendendsten
Erscheinungen keine sittliche Consistenz, keine concrete Gestalt. Wenn man
diese Charakterzüge im allgemeinen zugibt, wird man die einzelnen Fälle milder
beurtheilen, als der Verfasser thut.

In dem Hauptzwecke seines Werkes, in der Darstellung der allmäligen
Bildung des Kirchenstaats bis zu der Periode, wo er die gegenwärtige Gestalt
gewann, ist der Verfasser durchaus correct, und so begrüßen wir sein Buch
als eine wesentliche Bereicherung der historischen Literatur. —


Die ersten Amerikaner im Westen. Für die reifere Jugend und das Volt
bearbeitet von l)>. Franz Kottcnkamp. Stuttgart, Schmidt und Spring. ^

Ein sehr anziehendes und nützliches Buch, das wir mit großer Befriedigung
anzeigen können. Es besteht aus zwei Haupttheilen; der erste umfaßt die
Gründung Kentuckys durch kühne Hinterwäldler; der zweite den großen 2"'
dianeraufstanv unter Teeumseh. Die Darstellung ist, wie es für den Z>w'et
deö Buches nothwendig war, sehr ausführlich und detaillirt; sie gibt nicht einen
historischen Abriß, sondern eine lebendige und anschauliche Schilderung, wie
man sie sonst nur in historischen Romanen gewohnt ist. Solche Bücher, na¬
mentlich wenn sie populär gehalten sind, können auf unser Urtheil über die
amerikanischen Verhältnisse nur sehr segensreich einwirken; denn so groß der
Umfang der amerikanischen Literatur bereits angewachsen ist, so machen sich doch
sehr erhebliche Lücken darin fühlbar. Abgesehen von den Touristen, die Amerika
bereisen und sich im ganzen von dem ersten zufälligen. Eindruck bestimmen
lassen, und von den Handbüchern, die für einen bestimmten praktischen Zw^
geschrieben sind, namentlich zur Belehrung der Auswanderer, waren unsre
Quellen für die Kenntniß Amerikas theils die historischen Romane, die
der Einbildungskraft einen zu großen Spielraum verstatteten, theils d>e


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[0424] stimmte Erinnerungen gestützten Idealismus, mit seinem unklaren und unbe¬ ständigen Wollen, so sehr wir in einzelnen Punkten mit ihm sympathisiren, dennoch kein Recht und keine Macht hatte, gegen die concrvten historischen Mächte, gegen das Papstthum und gegen das entwickelte Militärsystcm Italiens. In Rienzi kam zur idealen Erscheinung, was sich als inhaltlose Gährung überall im Volke regte; und wenn wir ihm Recht widerfahren lassen wollen, so dürfen wir nie außer Acht lassen, dass Schwärmerei und theatralisches Wesen überall hart aneinandergrenzcn und daß bei einem Volk von leicht erregbarer Phantasie und unreifer sittlicher Bildung das Uebergehen des einen in das andere sich schwer vermeiden läßt. Bei der großen Begabung des italienischen Volkes , bei seiner productiven Einbildungskraft und seinem kalt zersetzenden, unerbittlichen Verstand, beides Eigenschaften, in denen ihnen kein anderes Volk gleichkommt, fehlte ihm doch die gemüthliche Mitte- wo das eine an¬ fing, hörte das andere auf; und so gewannen die schönsten und blendendsten Erscheinungen keine sittliche Consistenz, keine concrete Gestalt. Wenn man diese Charakterzüge im allgemeinen zugibt, wird man die einzelnen Fälle milder beurtheilen, als der Verfasser thut. In dem Hauptzwecke seines Werkes, in der Darstellung der allmäligen Bildung des Kirchenstaats bis zu der Periode, wo er die gegenwärtige Gestalt gewann, ist der Verfasser durchaus correct, und so begrüßen wir sein Buch als eine wesentliche Bereicherung der historischen Literatur. — Die ersten Amerikaner im Westen. Für die reifere Jugend und das Volt bearbeitet von l)>. Franz Kottcnkamp. Stuttgart, Schmidt und Spring. ^ Ein sehr anziehendes und nützliches Buch, das wir mit großer Befriedigung anzeigen können. Es besteht aus zwei Haupttheilen; der erste umfaßt die Gründung Kentuckys durch kühne Hinterwäldler; der zweite den großen 2"' dianeraufstanv unter Teeumseh. Die Darstellung ist, wie es für den Z>w'et deö Buches nothwendig war, sehr ausführlich und detaillirt; sie gibt nicht einen historischen Abriß, sondern eine lebendige und anschauliche Schilderung, wie man sie sonst nur in historischen Romanen gewohnt ist. Solche Bücher, na¬ mentlich wenn sie populär gehalten sind, können auf unser Urtheil über die amerikanischen Verhältnisse nur sehr segensreich einwirken; denn so groß der Umfang der amerikanischen Literatur bereits angewachsen ist, so machen sich doch sehr erhebliche Lücken darin fühlbar. Abgesehen von den Touristen, die Amerika bereisen und sich im ganzen von dem ersten zufälligen. Eindruck bestimmen lassen, und von den Handbüchern, die für einen bestimmten praktischen Zw^ geschrieben sind, namentlich zur Belehrung der Auswanderer, waren unsre Quellen für die Kenntniß Amerikas theils die historischen Romane, die der Einbildungskraft einen zu großen Spielraum verstatteten, theils d>e

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/424>, abgerufen am 06.05.2024.