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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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lieber Art dazu beitragen, vie schlechte, verwerfliche und entnervende Lectüre, die
leider bei dem großen Publicum noch immer vorherrschend ist, zu verdrängen,
so können wir dem Unternehmen nur einen gedeihlichen Fortgang wünschen
und werden nicht verfehlen, von Zeit zu Zeit weiteren Bericht darüber abzu¬
statten. --


Geschichte des Volkes Israel von Vollendung des zweiten Tempels bis zur
Einsetzung des Makkabäcrs Simon zum hohen Priester und Fürsten. Von
Dr. B. Herzfeld. Erste Lieferung. Nordhausen. Büchting. --

Das vorliegende Werk, welches in 6--7 Lieferungen erscheinen soll, schließt
sich an die Geschichte des Volkes Israel von der Zerstörung des ersten Tempels
bis zur Vollendung des zweiten Tempels von demselben Verfasser an und soll
Zugleich das große Geschichtswerk von Jost ergänzen. Soweit wir .nach der
ersten Lieferung urtheilen können, ist die Methode der Kritik, deren sich der
Verfasser bedient, nicht die unsrige. Er macht es wie die Pragmatisten der
frühern Zeit: im allgemeinen nimmt er die Ueberlieferung als historisch an,
scheidet aber als unhistorisch dasjenige aus, was zu dem Uebrigen nicht recht
stimmen will und combinirt dann die Quellen seines eignen Volks mit den
Quellen der übrigen Weltgeschichte ziemlich nach Gutdünken. So hat er gleich
SU Anfang dieser Lieferung den Ahasverus, den Gemahl der Esther, zum König
Terres gemacht, und erzählt nun, was er aus dem alten Testament wie aus
den griechischen Geschichtschreibern an diese Zeit anknüpfen kann, wie eine fort¬
laufende Reihe von Thatsachen, obgleich der sagenhafte Charakter jener Ge¬
schichte auf der Hand liegt. -- Eigenthümlich ist es, wie er die Reformen
Esras auffaßt. ""Vielleicht war niemals in Israel ein günstigerer Zeitpunkt
vorhanden, in seiner Religion eine höhere Stufe zu ersteigen, .... ein da¬
maliger Reformator konnte nicht verfahren wie ein heutiger, hierzu würden ihm
die Evolutionen des Geistes von 2--300 Jahren, sowie seinem Volk das Ver¬
ständniß und die Empfänglichkeit gefehlt haben. Aber er konnte als e-in treuer
Jünger der früheren Propheten den Opfercultus bedeutend schmälern und um¬
gestalten, nachdem die vorzüglichsten Ideen, welche dieser pflegen sollte,
Gemeingut geworden waren .... Auf diese Weise würde er haben das nicht
Mehr Nöthige ausscheiden, dem noch Brauchbaren entsprechendere Formen geben,
wie sie das veränderte und reicher entfaltete Leben verlangte, und alle Lücken
aus der frischen Quelle seines Geistes ausfüllen können. Es wäre ein leuchtend
Beispiel in Israel gewesen, daß sein Gesetz wie seine Lehre der Entwicklung
""gehöre, den Zeiten und Verhältnissen Rechnung trage, ehrlich, offen aus dem
'Unersten Geiste des Judenthums heraus, nicht mit zähem Widerstreben und
erbarmungslos feilschend, oder von überwältigenden fremden Einflüssen, denen
hinterher ein jüdischer Ursprung angetüncht wurde. Wäre es doch damals ge-


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lieber Art dazu beitragen, vie schlechte, verwerfliche und entnervende Lectüre, die
leider bei dem großen Publicum noch immer vorherrschend ist, zu verdrängen,
so können wir dem Unternehmen nur einen gedeihlichen Fortgang wünschen
und werden nicht verfehlen, von Zeit zu Zeit weiteren Bericht darüber abzu¬
statten. —


Geschichte des Volkes Israel von Vollendung des zweiten Tempels bis zur
Einsetzung des Makkabäcrs Simon zum hohen Priester und Fürsten. Von
Dr. B. Herzfeld. Erste Lieferung. Nordhausen. Büchting. —

Das vorliegende Werk, welches in 6—7 Lieferungen erscheinen soll, schließt
sich an die Geschichte des Volkes Israel von der Zerstörung des ersten Tempels
bis zur Vollendung des zweiten Tempels von demselben Verfasser an und soll
Zugleich das große Geschichtswerk von Jost ergänzen. Soweit wir .nach der
ersten Lieferung urtheilen können, ist die Methode der Kritik, deren sich der
Verfasser bedient, nicht die unsrige. Er macht es wie die Pragmatisten der
frühern Zeit: im allgemeinen nimmt er die Ueberlieferung als historisch an,
scheidet aber als unhistorisch dasjenige aus, was zu dem Uebrigen nicht recht
stimmen will und combinirt dann die Quellen seines eignen Volks mit den
Quellen der übrigen Weltgeschichte ziemlich nach Gutdünken. So hat er gleich
SU Anfang dieser Lieferung den Ahasverus, den Gemahl der Esther, zum König
Terres gemacht, und erzählt nun, was er aus dem alten Testament wie aus
den griechischen Geschichtschreibern an diese Zeit anknüpfen kann, wie eine fort¬
laufende Reihe von Thatsachen, obgleich der sagenhafte Charakter jener Ge¬
schichte auf der Hand liegt. — Eigenthümlich ist es, wie er die Reformen
Esras auffaßt. "„Vielleicht war niemals in Israel ein günstigerer Zeitpunkt
vorhanden, in seiner Religion eine höhere Stufe zu ersteigen, .... ein da¬
maliger Reformator konnte nicht verfahren wie ein heutiger, hierzu würden ihm
die Evolutionen des Geistes von 2—300 Jahren, sowie seinem Volk das Ver¬
ständniß und die Empfänglichkeit gefehlt haben. Aber er konnte als e-in treuer
Jünger der früheren Propheten den Opfercultus bedeutend schmälern und um¬
gestalten, nachdem die vorzüglichsten Ideen, welche dieser pflegen sollte,
Gemeingut geworden waren .... Auf diese Weise würde er haben das nicht
Mehr Nöthige ausscheiden, dem noch Brauchbaren entsprechendere Formen geben,
wie sie das veränderte und reicher entfaltete Leben verlangte, und alle Lücken
aus der frischen Quelle seines Geistes ausfüllen können. Es wäre ein leuchtend
Beispiel in Israel gewesen, daß sein Gesetz wie seine Lehre der Entwicklung
""gehöre, den Zeiten und Verhältnissen Rechnung trage, ehrlich, offen aus dem
'Unersten Geiste des Judenthums heraus, nicht mit zähem Widerstreben und
erbarmungslos feilschend, oder von überwältigenden fremden Einflüssen, denen
hinterher ein jüdischer Ursprung angetüncht wurde. Wäre es doch damals ge-


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[0427] lieber Art dazu beitragen, vie schlechte, verwerfliche und entnervende Lectüre, die leider bei dem großen Publicum noch immer vorherrschend ist, zu verdrängen, so können wir dem Unternehmen nur einen gedeihlichen Fortgang wünschen und werden nicht verfehlen, von Zeit zu Zeit weiteren Bericht darüber abzu¬ statten. — Geschichte des Volkes Israel von Vollendung des zweiten Tempels bis zur Einsetzung des Makkabäcrs Simon zum hohen Priester und Fürsten. Von Dr. B. Herzfeld. Erste Lieferung. Nordhausen. Büchting. — Das vorliegende Werk, welches in 6—7 Lieferungen erscheinen soll, schließt sich an die Geschichte des Volkes Israel von der Zerstörung des ersten Tempels bis zur Vollendung des zweiten Tempels von demselben Verfasser an und soll Zugleich das große Geschichtswerk von Jost ergänzen. Soweit wir .nach der ersten Lieferung urtheilen können, ist die Methode der Kritik, deren sich der Verfasser bedient, nicht die unsrige. Er macht es wie die Pragmatisten der frühern Zeit: im allgemeinen nimmt er die Ueberlieferung als historisch an, scheidet aber als unhistorisch dasjenige aus, was zu dem Uebrigen nicht recht stimmen will und combinirt dann die Quellen seines eignen Volks mit den Quellen der übrigen Weltgeschichte ziemlich nach Gutdünken. So hat er gleich SU Anfang dieser Lieferung den Ahasverus, den Gemahl der Esther, zum König Terres gemacht, und erzählt nun, was er aus dem alten Testament wie aus den griechischen Geschichtschreibern an diese Zeit anknüpfen kann, wie eine fort¬ laufende Reihe von Thatsachen, obgleich der sagenhafte Charakter jener Ge¬ schichte auf der Hand liegt. — Eigenthümlich ist es, wie er die Reformen Esras auffaßt. "„Vielleicht war niemals in Israel ein günstigerer Zeitpunkt vorhanden, in seiner Religion eine höhere Stufe zu ersteigen, .... ein da¬ maliger Reformator konnte nicht verfahren wie ein heutiger, hierzu würden ihm die Evolutionen des Geistes von 2—300 Jahren, sowie seinem Volk das Ver¬ ständniß und die Empfänglichkeit gefehlt haben. Aber er konnte als e-in treuer Jünger der früheren Propheten den Opfercultus bedeutend schmälern und um¬ gestalten, nachdem die vorzüglichsten Ideen, welche dieser pflegen sollte, Gemeingut geworden waren .... Auf diese Weise würde er haben das nicht Mehr Nöthige ausscheiden, dem noch Brauchbaren entsprechendere Formen geben, wie sie das veränderte und reicher entfaltete Leben verlangte, und alle Lücken aus der frischen Quelle seines Geistes ausfüllen können. Es wäre ein leuchtend Beispiel in Israel gewesen, daß sein Gesetz wie seine Lehre der Entwicklung ""gehöre, den Zeiten und Verhältnissen Rechnung trage, ehrlich, offen aus dem 'Unersten Geiste des Judenthums heraus, nicht mit zähem Widerstreben und erbarmungslos feilschend, oder von überwältigenden fremden Einflüssen, denen hinterher ein jüdischer Ursprung angetüncht wurde. Wäre es doch damals ge- s3*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/427>, abgerufen am 06.05.2024.