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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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gaben des Götz wie des Egmont in vollster Ausführlichkeit mitzutheilen, und
daS macht mitunter gradezu einen komischen Eindruck. Wenn er z. B. die
Unterredung zwischen Egmont und Oranien, die jedermann auswendig kennt,
mit hinzugefügten "sagte er" und "erwiderte er" und "das ^var sehr fein be¬
merkt", "gut gesagt" u. s. w. von neuem erzählt, so fallen einem unwillkürlich
die Worte Wallensteins an Questenberg ein.

Für spätere Werke würde Herr Düntzer also wohl daran thun, Goethe
nicht vollständig zu ercerpiren, sondern den Hauptinhalt als bekannt voraus¬
zusetzen und nur auf diejenigen Stellen zu verweisen, die gewöhnlich der Auf¬
merksamkeit entgehen. Wenn er sich darauf beschränkt, so wird er die Lectüre
des Dichters fördern, sein Verständniß allgemeiner machen und sich den Dank
des Publicums erwerben. Wenn er aber auf die alte Weise fortfährt, so wird
man seiner Commentare bald müde sein. --


W eimcirisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst. Heraus¬
gegeben von Hoffmann von Falter sieben und Oscar Schade.
1. Band. 1. Heft. Hannover, Rümplcr. --

Der vorhergehende Ruf schob diesem Jahrbuch eine Tendenz unter, die es
augenscheinlich nicht hat, nämlich Propaganda für die Kunst der Zukunft ZU
machen. Mit Ausnahme eines einzigen Artikels, auf den wir später kom¬
men, finden wir keinen andern Inhalt, als den sich Zeitschriften, die nicht
Fachjournale sind, überhaupt zu setzen pflegen; doch mit besonderer Bevor¬
zugung der Literaturgeschichte. Die locale Bezeichnung des Jahrbuchs hat
also keinen andern Sinn, als etwa bei der Kieler Monatsschrift, der Fortsetzung
der Halleschen Literaturzeitung, d. h.'sie zeigt den Ort an, wo die Herausgeber
wohnen. Ein Programm ist nicht gegeben, wenn man nicht die Aufschrift -
zum 28. August -1834 als ein Programm bezeichnen will. Aber diese Beziehung
auf Goethes Geburtstag sagt doch im Grunde auch nichts weiter, als die Be¬
zeichnung: "Weimarisch." Wenigstens ist wol kaum anzunehmen, daß sie
die bereits vergessene Gvethestiflnng erinnern soll. Wir haben uns also "ut
unsrem Urtheil lediglich an die einzelnen Aufsätze zu halten, und hier finden
wir uns in der angenehmen Lage, uns fast durchgängig billigend ausspreche"
zu können.

Die Schrift wird eröffnet durch eine Abhandlung von Oscar Schade
über die altdeutsche Metrik, "wie sie Lachmann mit bewundernswerthem, feinem,
scharfem Sinn aufgespürt und in verschiedenen seiner Schriften zerstreut nieder-
gelegt hat." Der Zweck des Verfassers, für diese Forschungen im größeren
Publicum Propaganda zu machen, ist umsomehr zu billigen, da er seinem
Zweck der Popularität die wissenschaftliche Schärfe nicht aufgeopfert hat.
Interessant ist ferner die Abhandlung von Koberstein über die in Sage und


gaben des Götz wie des Egmont in vollster Ausführlichkeit mitzutheilen, und
daS macht mitunter gradezu einen komischen Eindruck. Wenn er z. B. die
Unterredung zwischen Egmont und Oranien, die jedermann auswendig kennt,
mit hinzugefügten „sagte er" und „erwiderte er" und „das ^var sehr fein be¬
merkt", „gut gesagt" u. s. w. von neuem erzählt, so fallen einem unwillkürlich
die Worte Wallensteins an Questenberg ein.

Für spätere Werke würde Herr Düntzer also wohl daran thun, Goethe
nicht vollständig zu ercerpiren, sondern den Hauptinhalt als bekannt voraus¬
zusetzen und nur auf diejenigen Stellen zu verweisen, die gewöhnlich der Auf¬
merksamkeit entgehen. Wenn er sich darauf beschränkt, so wird er die Lectüre
des Dichters fördern, sein Verständniß allgemeiner machen und sich den Dank
des Publicums erwerben. Wenn er aber auf die alte Weise fortfährt, so wird
man seiner Commentare bald müde sein. —


W eimcirisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst. Heraus¬
gegeben von Hoffmann von Falter sieben und Oscar Schade.
1. Band. 1. Heft. Hannover, Rümplcr. —

Der vorhergehende Ruf schob diesem Jahrbuch eine Tendenz unter, die es
augenscheinlich nicht hat, nämlich Propaganda für die Kunst der Zukunft ZU
machen. Mit Ausnahme eines einzigen Artikels, auf den wir später kom¬
men, finden wir keinen andern Inhalt, als den sich Zeitschriften, die nicht
Fachjournale sind, überhaupt zu setzen pflegen; doch mit besonderer Bevor¬
zugung der Literaturgeschichte. Die locale Bezeichnung des Jahrbuchs hat
also keinen andern Sinn, als etwa bei der Kieler Monatsschrift, der Fortsetzung
der Halleschen Literaturzeitung, d. h.'sie zeigt den Ort an, wo die Herausgeber
wohnen. Ein Programm ist nicht gegeben, wenn man nicht die Aufschrift -
zum 28. August -1834 als ein Programm bezeichnen will. Aber diese Beziehung
auf Goethes Geburtstag sagt doch im Grunde auch nichts weiter, als die Be¬
zeichnung: „Weimarisch." Wenigstens ist wol kaum anzunehmen, daß sie
die bereits vergessene Gvethestiflnng erinnern soll. Wir haben uns also »ut
unsrem Urtheil lediglich an die einzelnen Aufsätze zu halten, und hier finden
wir uns in der angenehmen Lage, uns fast durchgängig billigend ausspreche»
zu können.

Die Schrift wird eröffnet durch eine Abhandlung von Oscar Schade
über die altdeutsche Metrik, „wie sie Lachmann mit bewundernswerthem, feinem,
scharfem Sinn aufgespürt und in verschiedenen seiner Schriften zerstreut nieder-
gelegt hat." Der Zweck des Verfassers, für diese Forschungen im größeren
Publicum Propaganda zu machen, ist umsomehr zu billigen, da er seinem
Zweck der Popularität die wissenschaftliche Schärfe nicht aufgeopfert hat.
Interessant ist ferner die Abhandlung von Koberstein über die in Sage und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/492>, abgerufen am 06.05.2024.