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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Urquelle des Bösen -- geweihter, sehr schöner Tempel, aus zwei Hallen und
einer Nebenhalle bestehend, um die ein Säulengang mit zwei Mahlern und
acht Columnen herumläuft. Die Kapitäler bestehen auch hier aus gemischten
Lotos und Palmen, die über den Platten Würfel tragen, welche mit dem in
Zwerggestalt erscheinenden Gotte Tiphon verziert sind. Dieser Tempel ist aus
der Zeit der römischen Imperatoren, denn man findet die Ringe Antonins,
Hadrians und Trajans. sowol im Innern, als außen an den Komischen
erblickt man Jsisbilder entweder säugend, oder in Verbindung mit Harpokrates,
und vor ihnen Tiphon. Von hier kommt man an ein großes Thor, welches
aus der Stadt führt." --




Wochenbericht.
Pariser Brief.

1. Das Verfahre" der deutschen Diplomatie während des
orientalischen Krieges vom Anfange bis heute macht auf mich den Eindruck eines
geschickt ausgeführten Eiertanzes. Jeden Augenblick glaubt man. nun werde ein
El zertreten und eine Kriegserklärung als Küchlein auskriechen, aber die moderne
Mignon, die auch die Augen verbunden zu haben scheint, windet sich gewandt die
verschlungensten Figuren und die engsten Wege hindurch. Es bricht nichts, es geschieht
nichts. Wie gern möchten wir uns einlullen und abseit von der Politik, wie wir
dies in letzter Zeit oft gethan. Zerstreuung suchen. Wer wünschte sich nicht eine
Shcrezade, um ins Anhören süßer Märchen versunken bis dahin die Zeit zu ver¬
gessen. Aber vergebens suchen wir dem Kreise uns zu entziehen, der alle unsre
Gedanken festgebannt hält. -- Unerquicklich bei der Unternehmung auf Sebastopol ist der
Schein des Jmprvvisirten, den sie durch den plötzlichen Entschluß in unsrer Anschauung
annimmt durch alles, was wir darüber hören. Die Proclamation des französischen
Marschalls verleiht dein Zuge einen abenteuerliche" Charakter, den ein so ernstes
Beginnen vo" sich weise" müßte. Nicht mit hochtrabenden Phrasen, sondern ge¬
sammelt und mit stillem, aber männlichem Entschlüsse müßte man dazu schreiten-
Der Moniteur hat eine traurige Pflicht erfüllt, indem er dem burschenhaften DictuM
des Befehlshabers einen so gemessenen und wohlerwogenen Commentar schrieb-
Es ist merkwürdig, daß die beiden Proclamationen des französischen Generals
dasselbe Schicksal hatte". Der erste" mußte im tröstenden, dieser letzten im mäßi¬
genden Sinne nachgeholfen werden. Es ist'an und für sich erfreulich, daß der
Mann, dem die Leitung dieser ungeheuern Unternehmung obliegt, soviel Zuversicht
an den Tag legt. Ich glaube, trotz der auf so perfide Weise vom Journal des
Dobats beleuchteten Schwierigkeiten, trotz der ans Jomini angeführten Beweis¬
stellen, daß Sebastovol, einmal angegriffen, nicht widerstehen und daß, worauf es
zunächst ankommt, die Landung im Angesichte des verschanzten Feindes einmal un¬
ternommen, zu stände kommen werde. Aber unsre Zuversicht kann sich am Ende doch
auf die Tapferkeit der gegen die Russen geführten Truppen, ans die Vorzüglichkeit der


Urquelle des Bösen — geweihter, sehr schöner Tempel, aus zwei Hallen und
einer Nebenhalle bestehend, um die ein Säulengang mit zwei Mahlern und
acht Columnen herumläuft. Die Kapitäler bestehen auch hier aus gemischten
Lotos und Palmen, die über den Platten Würfel tragen, welche mit dem in
Zwerggestalt erscheinenden Gotte Tiphon verziert sind. Dieser Tempel ist aus
der Zeit der römischen Imperatoren, denn man findet die Ringe Antonins,
Hadrians und Trajans. sowol im Innern, als außen an den Komischen
erblickt man Jsisbilder entweder säugend, oder in Verbindung mit Harpokrates,
und vor ihnen Tiphon. Von hier kommt man an ein großes Thor, welches
aus der Stadt führt." —




Wochenbericht.
Pariser Brief.

1. Das Verfahre» der deutschen Diplomatie während des
orientalischen Krieges vom Anfange bis heute macht auf mich den Eindruck eines
geschickt ausgeführten Eiertanzes. Jeden Augenblick glaubt man. nun werde ein
El zertreten und eine Kriegserklärung als Küchlein auskriechen, aber die moderne
Mignon, die auch die Augen verbunden zu haben scheint, windet sich gewandt die
verschlungensten Figuren und die engsten Wege hindurch. Es bricht nichts, es geschieht
nichts. Wie gern möchten wir uns einlullen und abseit von der Politik, wie wir
dies in letzter Zeit oft gethan. Zerstreuung suchen. Wer wünschte sich nicht eine
Shcrezade, um ins Anhören süßer Märchen versunken bis dahin die Zeit zu ver¬
gessen. Aber vergebens suchen wir dem Kreise uns zu entziehen, der alle unsre
Gedanken festgebannt hält. — Unerquicklich bei der Unternehmung auf Sebastopol ist der
Schein des Jmprvvisirten, den sie durch den plötzlichen Entschluß in unsrer Anschauung
annimmt durch alles, was wir darüber hören. Die Proclamation des französischen
Marschalls verleiht dein Zuge einen abenteuerliche» Charakter, den ein so ernstes
Beginnen vo» sich weise» müßte. Nicht mit hochtrabenden Phrasen, sondern ge¬
sammelt und mit stillem, aber männlichem Entschlüsse müßte man dazu schreiten-
Der Moniteur hat eine traurige Pflicht erfüllt, indem er dem burschenhaften DictuM
des Befehlshabers einen so gemessenen und wohlerwogenen Commentar schrieb-
Es ist merkwürdig, daß die beiden Proclamationen des französischen Generals
dasselbe Schicksal hatte». Der erste» mußte im tröstenden, dieser letzten im mäßi¬
genden Sinne nachgeholfen werden. Es ist'an und für sich erfreulich, daß der
Mann, dem die Leitung dieser ungeheuern Unternehmung obliegt, soviel Zuversicht
an den Tag legt. Ich glaube, trotz der auf so perfide Weise vom Journal des
Dobats beleuchteten Schwierigkeiten, trotz der ans Jomini angeführten Beweis¬
stellen, daß Sebastovol, einmal angegriffen, nicht widerstehen und daß, worauf es
zunächst ankommt, die Landung im Angesichte des verschanzten Feindes einmal un¬
ternommen, zu stände kommen werde. Aber unsre Zuversicht kann sich am Ende doch
auf die Tapferkeit der gegen die Russen geführten Truppen, ans die Vorzüglichkeit der


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[0522] Urquelle des Bösen — geweihter, sehr schöner Tempel, aus zwei Hallen und einer Nebenhalle bestehend, um die ein Säulengang mit zwei Mahlern und acht Columnen herumläuft. Die Kapitäler bestehen auch hier aus gemischten Lotos und Palmen, die über den Platten Würfel tragen, welche mit dem in Zwerggestalt erscheinenden Gotte Tiphon verziert sind. Dieser Tempel ist aus der Zeit der römischen Imperatoren, denn man findet die Ringe Antonins, Hadrians und Trajans. sowol im Innern, als außen an den Komischen erblickt man Jsisbilder entweder säugend, oder in Verbindung mit Harpokrates, und vor ihnen Tiphon. Von hier kommt man an ein großes Thor, welches aus der Stadt führt." — Wochenbericht. Pariser Brief. 1. Das Verfahre» der deutschen Diplomatie während des orientalischen Krieges vom Anfange bis heute macht auf mich den Eindruck eines geschickt ausgeführten Eiertanzes. Jeden Augenblick glaubt man. nun werde ein El zertreten und eine Kriegserklärung als Küchlein auskriechen, aber die moderne Mignon, die auch die Augen verbunden zu haben scheint, windet sich gewandt die verschlungensten Figuren und die engsten Wege hindurch. Es bricht nichts, es geschieht nichts. Wie gern möchten wir uns einlullen und abseit von der Politik, wie wir dies in letzter Zeit oft gethan. Zerstreuung suchen. Wer wünschte sich nicht eine Shcrezade, um ins Anhören süßer Märchen versunken bis dahin die Zeit zu ver¬ gessen. Aber vergebens suchen wir dem Kreise uns zu entziehen, der alle unsre Gedanken festgebannt hält. — Unerquicklich bei der Unternehmung auf Sebastopol ist der Schein des Jmprvvisirten, den sie durch den plötzlichen Entschluß in unsrer Anschauung annimmt durch alles, was wir darüber hören. Die Proclamation des französischen Marschalls verleiht dein Zuge einen abenteuerliche» Charakter, den ein so ernstes Beginnen vo» sich weise» müßte. Nicht mit hochtrabenden Phrasen, sondern ge¬ sammelt und mit stillem, aber männlichem Entschlüsse müßte man dazu schreiten- Der Moniteur hat eine traurige Pflicht erfüllt, indem er dem burschenhaften DictuM des Befehlshabers einen so gemessenen und wohlerwogenen Commentar schrieb- Es ist merkwürdig, daß die beiden Proclamationen des französischen Generals dasselbe Schicksal hatte». Der erste» mußte im tröstenden, dieser letzten im mäßi¬ genden Sinne nachgeholfen werden. Es ist'an und für sich erfreulich, daß der Mann, dem die Leitung dieser ungeheuern Unternehmung obliegt, soviel Zuversicht an den Tag legt. Ich glaube, trotz der auf so perfide Weise vom Journal des Dobats beleuchteten Schwierigkeiten, trotz der ans Jomini angeführten Beweis¬ stellen, daß Sebastovol, einmal angegriffen, nicht widerstehen und daß, worauf es zunächst ankommt, die Landung im Angesichte des verschanzten Feindes einmal un¬ ternommen, zu stände kommen werde. Aber unsre Zuversicht kann sich am Ende doch auf die Tapferkeit der gegen die Russen geführten Truppen, ans die Vorzüglichkeit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/522>, abgerufen am 06.05.2024.