Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Schweizer Briefe.
'

Mit dem Frühjahr beginnen in der Schweiz die Versammlungen , Aus¬
stellungen und Feste der verschiedenen Vereine und dauern, bis der erste No¬
vemberschnee die Festbesucher wieder zurückscheucht hinter den heimatlichen Ofen
oder an das gemüthlich flackernde Kamin deö Arbeitszimmers. Die allgemeine
Theilnahme an diesen Festen hat nach und nach einen förmlichen Festkalender
geschaffen, in welchem die Zeit der beweglichen und unbeweglichen Feste so
weise regulirt ist, daß Leute mit genügend gespickter Börse hinlänglich Zeit finden,
von einer festlichen Versammlung zur andern zu wandern, ohne eine derselben
versäumen zu müssen.

Daß in der Schweiz, wo bei dem lebhaften Parteileben alles leicht in
die Politik hineingezogen wird, die größern dieser Vereine und Vereinsfeste
allmälig eine mehr oder weniger politisch gefärbte Tendenz angenommen haben,
ist natürlich. Wir reden hier auch nicht von diesen politischen oder Volksfesten
par exeollenes, sondern berühren nur den Umstand, daß Kunst und Wissen¬
schaft in der Schweiz dieser Form der freien Association in großem Maßstabe
sich bedienen, um Leistungen möglich zu machen, zu welchen die Staatskassen
unserer kleinen republikanischen Staaten wenig oder nichts beitragen können.
Das Volk in unsern kleinen Republiken will, daß die Staatsgelder zuerst z"
seinem materiellen Wohl verwendet werden; erst dann dürfen Wissenschaft und
Kunst auch um Unterstützung bitten. Da ist denn die Vereinigung von Bür¬
gern zur Pflege von Wissenschaft und Kunst von ganz anderer Bedeutung als
in Staaten mit großen Budgets. So ist es gekommen, daß die Geschichte,
die Naturwissenschaften, die Musik und Malerei in Vereinen ihre Pflege finden,
deren Sektionen und Mitglieder über alle Cantone verbreitet sind. Um die
Bedeutsamkeit dieser Vereine zu charakterisiren, genügt es, daß wir anführen,
^ wie Dnfourö treffliches Kartenwerk über die Schweiz die erste Anregung in der
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft gefunden hat.

Gegenwärtig wandert die Kunstausstellung des schweizerischen Kunstver-


'Mrcnzbotcll. Hi, !8si. 14
Schweizer Briefe.
'

Mit dem Frühjahr beginnen in der Schweiz die Versammlungen , Aus¬
stellungen und Feste der verschiedenen Vereine und dauern, bis der erste No¬
vemberschnee die Festbesucher wieder zurückscheucht hinter den heimatlichen Ofen
oder an das gemüthlich flackernde Kamin deö Arbeitszimmers. Die allgemeine
Theilnahme an diesen Festen hat nach und nach einen förmlichen Festkalender
geschaffen, in welchem die Zeit der beweglichen und unbeweglichen Feste so
weise regulirt ist, daß Leute mit genügend gespickter Börse hinlänglich Zeit finden,
von einer festlichen Versammlung zur andern zu wandern, ohne eine derselben
versäumen zu müssen.

Daß in der Schweiz, wo bei dem lebhaften Parteileben alles leicht in
die Politik hineingezogen wird, die größern dieser Vereine und Vereinsfeste
allmälig eine mehr oder weniger politisch gefärbte Tendenz angenommen haben,
ist natürlich. Wir reden hier auch nicht von diesen politischen oder Volksfesten
par exeollenes, sondern berühren nur den Umstand, daß Kunst und Wissen¬
schaft in der Schweiz dieser Form der freien Association in großem Maßstabe
sich bedienen, um Leistungen möglich zu machen, zu welchen die Staatskassen
unserer kleinen republikanischen Staaten wenig oder nichts beitragen können.
Das Volk in unsern kleinen Republiken will, daß die Staatsgelder zuerst z»
seinem materiellen Wohl verwendet werden; erst dann dürfen Wissenschaft und
Kunst auch um Unterstützung bitten. Da ist denn die Vereinigung von Bür¬
gern zur Pflege von Wissenschaft und Kunst von ganz anderer Bedeutung als
in Staaten mit großen Budgets. So ist es gekommen, daß die Geschichte,
die Naturwissenschaften, die Musik und Malerei in Vereinen ihre Pflege finden,
deren Sektionen und Mitglieder über alle Cantone verbreitet sind. Um die
Bedeutsamkeit dieser Vereine zu charakterisiren, genügt es, daß wir anführen,
^ wie Dnfourö treffliches Kartenwerk über die Schweiz die erste Anregung in der
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft gefunden hat.

Gegenwärtig wandert die Kunstausstellung des schweizerischen Kunstver-


'Mrcnzbotcll. Hi, !8si. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281240"/>
        <div n="1">
          <head> Schweizer Briefe.<lb/>
'</head><lb/>
          <p xml:id="ID_265"> Mit dem Frühjahr beginnen in der Schweiz die Versammlungen , Aus¬<lb/>
stellungen und Feste der verschiedenen Vereine und dauern, bis der erste No¬<lb/>
vemberschnee die Festbesucher wieder zurückscheucht hinter den heimatlichen Ofen<lb/>
oder an das gemüthlich flackernde Kamin deö Arbeitszimmers. Die allgemeine<lb/>
Theilnahme an diesen Festen hat nach und nach einen förmlichen Festkalender<lb/>
geschaffen, in welchem die Zeit der beweglichen und unbeweglichen Feste so<lb/>
weise regulirt ist, daß Leute mit genügend gespickter Börse hinlänglich Zeit finden,<lb/>
von einer festlichen Versammlung zur andern zu wandern, ohne eine derselben<lb/>
versäumen zu müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_266"> Daß in der Schweiz, wo bei dem lebhaften Parteileben alles leicht in<lb/>
die Politik hineingezogen wird, die größern dieser Vereine und Vereinsfeste<lb/>
allmälig eine mehr oder weniger politisch gefärbte Tendenz angenommen haben,<lb/>
ist natürlich. Wir reden hier auch nicht von diesen politischen oder Volksfesten<lb/>
par exeollenes, sondern berühren nur den Umstand, daß Kunst und Wissen¬<lb/>
schaft in der Schweiz dieser Form der freien Association in großem Maßstabe<lb/>
sich bedienen, um Leistungen möglich zu machen, zu welchen die Staatskassen<lb/>
unserer kleinen republikanischen Staaten wenig oder nichts beitragen können.<lb/>
Das Volk in unsern kleinen Republiken will, daß die Staatsgelder zuerst z»<lb/>
seinem materiellen Wohl verwendet werden; erst dann dürfen Wissenschaft und<lb/>
Kunst auch um Unterstützung bitten.  Da ist denn die Vereinigung von Bür¬<lb/>
gern zur Pflege von Wissenschaft und Kunst von ganz anderer Bedeutung als<lb/>
in Staaten mit großen Budgets.  So ist es gekommen, daß die Geschichte,<lb/>
die Naturwissenschaften, die Musik und Malerei in Vereinen ihre Pflege finden,<lb/>
deren Sektionen und Mitglieder über alle Cantone verbreitet sind. Um die<lb/>
Bedeutsamkeit dieser Vereine zu charakterisiren, genügt es, daß wir anführen,<lb/>
^ wie Dnfourö treffliches Kartenwerk über die Schweiz die erste Anregung in der<lb/>
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft gefunden hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_267" next="#ID_268"> Gegenwärtig wandert die Kunstausstellung des schweizerischen Kunstver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 'Mrcnzbotcll. Hi, !8si. 14</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Schweizer Briefe. ' Mit dem Frühjahr beginnen in der Schweiz die Versammlungen , Aus¬ stellungen und Feste der verschiedenen Vereine und dauern, bis der erste No¬ vemberschnee die Festbesucher wieder zurückscheucht hinter den heimatlichen Ofen oder an das gemüthlich flackernde Kamin deö Arbeitszimmers. Die allgemeine Theilnahme an diesen Festen hat nach und nach einen förmlichen Festkalender geschaffen, in welchem die Zeit der beweglichen und unbeweglichen Feste so weise regulirt ist, daß Leute mit genügend gespickter Börse hinlänglich Zeit finden, von einer festlichen Versammlung zur andern zu wandern, ohne eine derselben versäumen zu müssen. Daß in der Schweiz, wo bei dem lebhaften Parteileben alles leicht in die Politik hineingezogen wird, die größern dieser Vereine und Vereinsfeste allmälig eine mehr oder weniger politisch gefärbte Tendenz angenommen haben, ist natürlich. Wir reden hier auch nicht von diesen politischen oder Volksfesten par exeollenes, sondern berühren nur den Umstand, daß Kunst und Wissen¬ schaft in der Schweiz dieser Form der freien Association in großem Maßstabe sich bedienen, um Leistungen möglich zu machen, zu welchen die Staatskassen unserer kleinen republikanischen Staaten wenig oder nichts beitragen können. Das Volk in unsern kleinen Republiken will, daß die Staatsgelder zuerst z» seinem materiellen Wohl verwendet werden; erst dann dürfen Wissenschaft und Kunst auch um Unterstützung bitten. Da ist denn die Vereinigung von Bür¬ gern zur Pflege von Wissenschaft und Kunst von ganz anderer Bedeutung als in Staaten mit großen Budgets. So ist es gekommen, daß die Geschichte, die Naturwissenschaften, die Musik und Malerei in Vereinen ihre Pflege finden, deren Sektionen und Mitglieder über alle Cantone verbreitet sind. Um die Bedeutsamkeit dieser Vereine zu charakterisiren, genügt es, daß wir anführen, ^ wie Dnfourö treffliches Kartenwerk über die Schweiz die erste Anregung in der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft gefunden hat. Gegenwärtig wandert die Kunstausstellung des schweizerischen Kunstver- 'Mrcnzbotcll. Hi, !8si. 14

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/89>, abgerufen am 06.05.2024.