Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gehaltne Zustcherung heißt nach den bisherigen Erfahrungen nichts anders als:
Das Direktorium ist vergeblich bemüht gewesen eine Sängerin zu engagiren,
welche den Anforderungen, die das Publicum zu machen berechtigt ist, einiger¬
maßen genügt, hat auch noch keineswegs Aussicht für alle oder mehre Cor-
. certe eine solche zu gewinnen, es zweifelt aber nicht, daß wie bisher für jedes
-Concert eine Dame zu finden sein wird, die die unvermeidlichen beiden,Arien
singt. Auch haben sich schon soviele Virtuosen, namentlich Claviervirtuosen,
die Beethovens l^dur- Concert zu spielen wünschen, angemeldet, daß sich vor¬
aussichtlich für kein Concert eine Lücke ergeben wird!

Vielleicht thut der Zufall im Laufe des Winters das Seinige, daß es
hiermit besser ausfällt als es jetzt scheint. Aber das wird dem Bedauern und der
Mißbilligung keinen Eintrag thun, womit man bei der Verwaltung eines gro߬
artigen Kunstinstituts die wichtigsten und edelsten Gesichtspunkte vernachlässigt
und zurückgesetzt und selbst das, was als Hauptsache gelten soll, dem Spiel
des Zufalls überlassen sieht.




Schweizer Briefe.

Im schweizerischen Festkalender standen.fin den Monat Julius zwei Feste
angeschrieben, das schweizerische Musikfest in Sitten und das eidgenös¬
sische Sängerfest in Winterthur. So verwandt die beiden Fsste scheinen,
soweit gehen sie doch auseinander; man könnte sie die Feste der musikalischen
Aristokratie und der musikalischen Demokratie nennen.

Der Gedanke der schweizerischen Musikgesellschaft ist, die in der ganzen
Schweiz zerstreuten Musiker alle zwei Jahre zu der Aufführung größerer clas¬
sischer Musikwerke zu vereinigen, wozu die musikalischen Kräfte der einzelnen
Schweizerstädte nicht ausreichen. Der Verein ist einer der ältesten in der Schweiz,
da er schon seit Anfang, dieses Jahrhunderts eristirt. Seit dieser Zeit sind aber -
eine Menge von Veränderungen über die Schweiz gegangen, viele Vereine mit
verwandter Tendenz sind entstanden; die schweizerische Musikgesellschaft hat aber
zähe an ihren alten Formen festgehalten, weshalb sie gegenwärtig zu den un¬
populärsten gehört.

Die Gründer der schweizerischen Mustkgesellschaft waren meist reiche
Dilettanten- aus den patricischen Familien der großen, Schweizerstädte oder
aus der beneidenswerthen Classe gütergesegneter Handelsherrn und Rentiers,
welche nach des Tages Mühen die wandelbare Scala des Börsen- und Wechsel-


gehaltne Zustcherung heißt nach den bisherigen Erfahrungen nichts anders als:
Das Direktorium ist vergeblich bemüht gewesen eine Sängerin zu engagiren,
welche den Anforderungen, die das Publicum zu machen berechtigt ist, einiger¬
maßen genügt, hat auch noch keineswegs Aussicht für alle oder mehre Cor-
. certe eine solche zu gewinnen, es zweifelt aber nicht, daß wie bisher für jedes
-Concert eine Dame zu finden sein wird, die die unvermeidlichen beiden,Arien
singt. Auch haben sich schon soviele Virtuosen, namentlich Claviervirtuosen,
die Beethovens l^dur- Concert zu spielen wünschen, angemeldet, daß sich vor¬
aussichtlich für kein Concert eine Lücke ergeben wird!

Vielleicht thut der Zufall im Laufe des Winters das Seinige, daß es
hiermit besser ausfällt als es jetzt scheint. Aber das wird dem Bedauern und der
Mißbilligung keinen Eintrag thun, womit man bei der Verwaltung eines gro߬
artigen Kunstinstituts die wichtigsten und edelsten Gesichtspunkte vernachlässigt
und zurückgesetzt und selbst das, was als Hauptsache gelten soll, dem Spiel
des Zufalls überlassen sieht.




Schweizer Briefe.

Im schweizerischen Festkalender standen.fin den Monat Julius zwei Feste
angeschrieben, das schweizerische Musikfest in Sitten und das eidgenös¬
sische Sängerfest in Winterthur. So verwandt die beiden Fsste scheinen,
soweit gehen sie doch auseinander; man könnte sie die Feste der musikalischen
Aristokratie und der musikalischen Demokratie nennen.

Der Gedanke der schweizerischen Musikgesellschaft ist, die in der ganzen
Schweiz zerstreuten Musiker alle zwei Jahre zu der Aufführung größerer clas¬
sischer Musikwerke zu vereinigen, wozu die musikalischen Kräfte der einzelnen
Schweizerstädte nicht ausreichen. Der Verein ist einer der ältesten in der Schweiz,
da er schon seit Anfang, dieses Jahrhunderts eristirt. Seit dieser Zeit sind aber -
eine Menge von Veränderungen über die Schweiz gegangen, viele Vereine mit
verwandter Tendenz sind entstanden; die schweizerische Musikgesellschaft hat aber
zähe an ihren alten Formen festgehalten, weshalb sie gegenwärtig zu den un¬
populärsten gehört.

Die Gründer der schweizerischen Mustkgesellschaft waren meist reiche
Dilettanten- aus den patricischen Familien der großen, Schweizerstädte oder
aus der beneidenswerthen Classe gütergesegneter Handelsherrn und Rentiers,
welche nach des Tages Mühen die wandelbare Scala des Börsen- und Wechsel-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98328"/>
            <p xml:id="ID_12" prev="#ID_11"> gehaltne Zustcherung heißt nach den bisherigen Erfahrungen nichts anders als:<lb/>
Das Direktorium ist vergeblich bemüht gewesen eine Sängerin zu engagiren,<lb/>
welche den Anforderungen, die das Publicum zu machen berechtigt ist, einiger¬<lb/>
maßen genügt, hat auch noch keineswegs Aussicht für alle oder mehre Cor-<lb/>
. certe eine solche zu gewinnen, es zweifelt aber nicht, daß wie bisher für jedes<lb/>
-Concert eine Dame zu finden sein wird, die die unvermeidlichen beiden,Arien<lb/>
singt. Auch haben sich schon soviele Virtuosen, namentlich Claviervirtuosen,<lb/>
die Beethovens l^dur- Concert zu spielen wünschen, angemeldet, daß sich vor¬<lb/>
aussichtlich für kein Concert eine Lücke ergeben wird!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_13"> Vielleicht thut der Zufall im Laufe des Winters das Seinige, daß es<lb/>
hiermit besser ausfällt als es jetzt scheint. Aber das wird dem Bedauern und der<lb/>
Mißbilligung keinen Eintrag thun, womit man bei der Verwaltung eines gro߬<lb/>
artigen Kunstinstituts die wichtigsten und edelsten Gesichtspunkte vernachlässigt<lb/>
und zurückgesetzt und selbst das, was als Hauptsache gelten soll, dem Spiel<lb/>
des Zufalls überlassen sieht.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schweizer Briefe.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_14"> Im schweizerischen Festkalender standen.fin den Monat Julius zwei Feste<lb/>
angeschrieben, das schweizerische Musikfest in Sitten und das eidgenös¬<lb/>
sische Sängerfest in Winterthur. So verwandt die beiden Fsste scheinen,<lb/>
soweit gehen sie doch auseinander; man könnte sie die Feste der musikalischen<lb/>
Aristokratie und der musikalischen Demokratie nennen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_15"> Der Gedanke der schweizerischen Musikgesellschaft ist, die in der ganzen<lb/>
Schweiz zerstreuten Musiker alle zwei Jahre zu der Aufführung größerer clas¬<lb/>
sischer Musikwerke zu vereinigen, wozu die musikalischen Kräfte der einzelnen<lb/>
Schweizerstädte nicht ausreichen. Der Verein ist einer der ältesten in der Schweiz,<lb/>
da er schon seit Anfang, dieses Jahrhunderts eristirt. Seit dieser Zeit sind aber -<lb/>
eine Menge von Veränderungen über die Schweiz gegangen, viele Vereine mit<lb/>
verwandter Tendenz sind entstanden; die schweizerische Musikgesellschaft hat aber<lb/>
zähe an ihren alten Formen festgehalten, weshalb sie gegenwärtig zu den un¬<lb/>
populärsten gehört.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_16" next="#ID_17"> Die Gründer der schweizerischen Mustkgesellschaft waren meist reiche<lb/>
Dilettanten- aus den patricischen Familien der großen, Schweizerstädte oder<lb/>
aus der beneidenswerthen Classe gütergesegneter Handelsherrn und Rentiers,<lb/>
welche nach des Tages Mühen die wandelbare Scala des Börsen- und Wechsel-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] gehaltne Zustcherung heißt nach den bisherigen Erfahrungen nichts anders als: Das Direktorium ist vergeblich bemüht gewesen eine Sängerin zu engagiren, welche den Anforderungen, die das Publicum zu machen berechtigt ist, einiger¬ maßen genügt, hat auch noch keineswegs Aussicht für alle oder mehre Cor- . certe eine solche zu gewinnen, es zweifelt aber nicht, daß wie bisher für jedes -Concert eine Dame zu finden sein wird, die die unvermeidlichen beiden,Arien singt. Auch haben sich schon soviele Virtuosen, namentlich Claviervirtuosen, die Beethovens l^dur- Concert zu spielen wünschen, angemeldet, daß sich vor¬ aussichtlich für kein Concert eine Lücke ergeben wird! Vielleicht thut der Zufall im Laufe des Winters das Seinige, daß es hiermit besser ausfällt als es jetzt scheint. Aber das wird dem Bedauern und der Mißbilligung keinen Eintrag thun, womit man bei der Verwaltung eines gro߬ artigen Kunstinstituts die wichtigsten und edelsten Gesichtspunkte vernachlässigt und zurückgesetzt und selbst das, was als Hauptsache gelten soll, dem Spiel des Zufalls überlassen sieht. Schweizer Briefe. Im schweizerischen Festkalender standen.fin den Monat Julius zwei Feste angeschrieben, das schweizerische Musikfest in Sitten und das eidgenös¬ sische Sängerfest in Winterthur. So verwandt die beiden Fsste scheinen, soweit gehen sie doch auseinander; man könnte sie die Feste der musikalischen Aristokratie und der musikalischen Demokratie nennen. Der Gedanke der schweizerischen Musikgesellschaft ist, die in der ganzen Schweiz zerstreuten Musiker alle zwei Jahre zu der Aufführung größerer clas¬ sischer Musikwerke zu vereinigen, wozu die musikalischen Kräfte der einzelnen Schweizerstädte nicht ausreichen. Der Verein ist einer der ältesten in der Schweiz, da er schon seit Anfang, dieses Jahrhunderts eristirt. Seit dieser Zeit sind aber - eine Menge von Veränderungen über die Schweiz gegangen, viele Vereine mit verwandter Tendenz sind entstanden; die schweizerische Musikgesellschaft hat aber zähe an ihren alten Formen festgehalten, weshalb sie gegenwärtig zu den un¬ populärsten gehört. Die Gründer der schweizerischen Mustkgesellschaft waren meist reiche Dilettanten- aus den patricischen Familien der großen, Schweizerstädte oder aus der beneidenswerthen Classe gütergesegneter Handelsherrn und Rentiers, welche nach des Tages Mühen die wandelbare Scala des Börsen- und Wechsel-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/14
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/14>, abgerufen am 06.05.2024.