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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Die vier Armeen in der Krim.

Kein Punkt auf dem weiten Erdenrund fesselt in diesem Augenblick in
höheren Maße die allgemeine Aufmerksamkeit, wie die Krim; zu dem Haupt¬
interesse, welches sich an die Operationen der beiden kriegführenden Parteien
knüpft, tritt dort aber noch ein bedeutendes Nebeninteresse hinzu, das seine
Grundlage in der Zusammenstellung dreier so verschiedener Heere, wie das
türkische, französische und englische behufs gemeinsamer Action gegen ein viertes
hat, welches wiederum im schroffsten Gegensatz zu jedem einzelnen der vor¬
genannten steht. Die Aufforderung zum Vergleichen liegt unter solchen Um¬
ständen sehr nahe. Aber man findet sich nicht nur veranlaßt, die Russen gegen
ihre Gegner, sondern auch diese unter sich abzuwägen.

Ich versuchte, Ihnen in einem meiner letzten Briefe einen flüchtigen
Schattenriß von den Heeren der beiden Westmächte auf dem diesseitigen
Operationstheater hinzuwerfen. Eine Charakteristik gab ich damit noch nicht,
und eben dies ist die Aufgabe, welche ich mir hier zunächst stellen will. Die
Frage selbst ist nicht so unbedeutend, als sie manchem scheinen mag. Das
Heer, zumal einer Großmacht, muß stets als ein Werkzeug ihrer Politik be¬
trachtet werden. Was die letztere vermag, wird den präcisesten Ausdruck stets
in der Leistungsfähigkeit der Armee finden, welche ihr zur Verfügung steht.
Wer aber sollte nicht das lebhafteste Interesse an einer Erörterung finden,
welche die Feststellung des politischen Vermögens zweier Mächte wie Frankreich
und England zum Gegenstand hat. Für dieselbe einiges Material zu liefern,
ist es freilich, woraus ich meinerseits mich hier beschränken muß.

Bis jetzt ! hat sich das unparteiische Urtheil über die französischen und
englischen Truppen auf der Krim dahin ausgesprochen, daß die ersteren
den andern militärisch, die letzteren aber jenen physisch und mo¬
ralisch überlegen sind.

Diesen Unterschied leren man nur aus den Erzählungen von Augenzeugen,


Grenzboten. IV. 48si.. 46
Die vier Armeen in der Krim.

Kein Punkt auf dem weiten Erdenrund fesselt in diesem Augenblick in
höheren Maße die allgemeine Aufmerksamkeit, wie die Krim; zu dem Haupt¬
interesse, welches sich an die Operationen der beiden kriegführenden Parteien
knüpft, tritt dort aber noch ein bedeutendes Nebeninteresse hinzu, das seine
Grundlage in der Zusammenstellung dreier so verschiedener Heere, wie das
türkische, französische und englische behufs gemeinsamer Action gegen ein viertes
hat, welches wiederum im schroffsten Gegensatz zu jedem einzelnen der vor¬
genannten steht. Die Aufforderung zum Vergleichen liegt unter solchen Um¬
ständen sehr nahe. Aber man findet sich nicht nur veranlaßt, die Russen gegen
ihre Gegner, sondern auch diese unter sich abzuwägen.

Ich versuchte, Ihnen in einem meiner letzten Briefe einen flüchtigen
Schattenriß von den Heeren der beiden Westmächte auf dem diesseitigen
Operationstheater hinzuwerfen. Eine Charakteristik gab ich damit noch nicht,
und eben dies ist die Aufgabe, welche ich mir hier zunächst stellen will. Die
Frage selbst ist nicht so unbedeutend, als sie manchem scheinen mag. Das
Heer, zumal einer Großmacht, muß stets als ein Werkzeug ihrer Politik be¬
trachtet werden. Was die letztere vermag, wird den präcisesten Ausdruck stets
in der Leistungsfähigkeit der Armee finden, welche ihr zur Verfügung steht.
Wer aber sollte nicht das lebhafteste Interesse an einer Erörterung finden,
welche die Feststellung des politischen Vermögens zweier Mächte wie Frankreich
und England zum Gegenstand hat. Für dieselbe einiges Material zu liefern,
ist es freilich, woraus ich meinerseits mich hier beschränken muß.

Bis jetzt ! hat sich das unparteiische Urtheil über die französischen und
englischen Truppen auf der Krim dahin ausgesprochen, daß die ersteren
den andern militärisch, die letzteren aber jenen physisch und mo¬
ralisch überlegen sind.

Diesen Unterschied leren man nur aus den Erzählungen von Augenzeugen,


Grenzboten. IV. 48si.. 46
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[0369] Die vier Armeen in der Krim. Kein Punkt auf dem weiten Erdenrund fesselt in diesem Augenblick in höheren Maße die allgemeine Aufmerksamkeit, wie die Krim; zu dem Haupt¬ interesse, welches sich an die Operationen der beiden kriegführenden Parteien knüpft, tritt dort aber noch ein bedeutendes Nebeninteresse hinzu, das seine Grundlage in der Zusammenstellung dreier so verschiedener Heere, wie das türkische, französische und englische behufs gemeinsamer Action gegen ein viertes hat, welches wiederum im schroffsten Gegensatz zu jedem einzelnen der vor¬ genannten steht. Die Aufforderung zum Vergleichen liegt unter solchen Um¬ ständen sehr nahe. Aber man findet sich nicht nur veranlaßt, die Russen gegen ihre Gegner, sondern auch diese unter sich abzuwägen. Ich versuchte, Ihnen in einem meiner letzten Briefe einen flüchtigen Schattenriß von den Heeren der beiden Westmächte auf dem diesseitigen Operationstheater hinzuwerfen. Eine Charakteristik gab ich damit noch nicht, und eben dies ist die Aufgabe, welche ich mir hier zunächst stellen will. Die Frage selbst ist nicht so unbedeutend, als sie manchem scheinen mag. Das Heer, zumal einer Großmacht, muß stets als ein Werkzeug ihrer Politik be¬ trachtet werden. Was die letztere vermag, wird den präcisesten Ausdruck stets in der Leistungsfähigkeit der Armee finden, welche ihr zur Verfügung steht. Wer aber sollte nicht das lebhafteste Interesse an einer Erörterung finden, welche die Feststellung des politischen Vermögens zweier Mächte wie Frankreich und England zum Gegenstand hat. Für dieselbe einiges Material zu liefern, ist es freilich, woraus ich meinerseits mich hier beschränken muß. Bis jetzt ! hat sich das unparteiische Urtheil über die französischen und englischen Truppen auf der Krim dahin ausgesprochen, daß die ersteren den andern militärisch, die letzteren aber jenen physisch und mo¬ ralisch überlegen sind. Diesen Unterschied leren man nur aus den Erzählungen von Augenzeugen, Grenzboten. IV. 48si.. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/369>, abgerufen am 06.05.2024.