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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Sinnigkeit geküßt u. f. w." Den weitem Verlauf lese man in der liebens¬
würdigen kleinen Burleske selbst nach. --


Schloß Wolkenstein. Vom Verfasser der "neuen deutschen Zeitbilder." 2. Bd.
Leipzig, Hermann Schulze. --

Eine Episode eins dem Frankfurter Attentat. Ein junger Bürgersmann,
Namens Franz Müller, rettet -1834 einen hochadligen Verschwörer aus der
Todesgefahr. Zum Dank läßt ihn dieser, der im Jahre -1849 als Gesandter
in Paris fungirt, durch die Polizei verfolgen. Franz Müller hat bei seiner
ersten That Gelegenheit, die Theilnahme einer schönen Gräfin zu gewinnen;
aber Madame Müller kann sie nicht werden, das sehen beide ein, und gehen
deshalb auseinander. Was wir auch ganz verständig finden, denn warum
sollte Gräfin Leomine grade Franz Müller heirathen? Wenn die Aristokratie
keine schlimmeren Eigenschaften hätte, als daß sie Mesalliancen, erschwert, so
wollten wir sie uns allenfalls schon gefallen lassen. Eine gewisse Convenienz
in diesen Dingen findet ja auch in den verschiedenen Schichten der bürgerlichen
Gesellschaft statt. Aber warum läßt sich Herr Franz Müller, der sich im Jahre
-1834 so verständig benimmt, -1849, wo er bereits in den Vierziger ist, unnütz
in Verschwörungen ein? Blos um seine"! alten Freunde Gelegenheit zu geben,
einen Act nichtswürdiger Undankbarkeit auszuüben! Und dazu ohne alle Ver¬
mittlung? Wenn Graf Sternberg ein Schuft sein soll, so muß er als ein sol¬
cher doch specisicirt werden; denn daß alle Diplomaten Schufte sein sollen, das
kann man doch ohne einen gründlichen Beweis nicht voraussetzen. -- Die
sonstige Art und Weise des Verfassers ist bekannt. Im ganzen glauben wir,
daß es zweckmäßiger von ihm wäre, wieder zu seiner Jurisprudenz zurückzu¬
kehren; einen eigentlichen Beruf für den Roman hat er nicht. --


Nemesis. Roman von Johannes Scherr. 2. Vd. Leipzig, in (Kommission
bei Hühner. --

Der Versasser hat als Motto seines Romans einen interessanten Ausspruch
des Philosophen Arthur Schopenhauer, den wir unsern Lesern nicht vorent¬
halten wollen: "Wenn man, soweit es annäherungsweise möglich ist, die
Summe von Noth, Schmerz, Leiden und Uebeln jeder Art sich vorstellt, welche
die Sonne in ihrem Laufe bescheint, so wird man einräumen, daß es viel besser
wäre, wenn sie auf der Erde sowenig wie auf.dem Monde hätte das Phä¬
nomen des Lebens hervorrufen können, sondern, wie auf diesem, so auch auf
jener die Oberfläche sich noch im krystallinischen Zustande befände. Man kann
auch unser Leben auffassen als eine unnützerweise störende Episode in der
seligen Ruhe des Nichts. Jedenfalls wird selbst der, dem eS darin erträglich
ergangen, je länger er lebt, desto deutlicher inne, daß es im ganzen a (>(-!8->i,-


Sinnigkeit geküßt u. f. w." Den weitem Verlauf lese man in der liebens¬
würdigen kleinen Burleske selbst nach. —


Schloß Wolkenstein. Vom Verfasser der „neuen deutschen Zeitbilder." 2. Bd.
Leipzig, Hermann Schulze. —

Eine Episode eins dem Frankfurter Attentat. Ein junger Bürgersmann,
Namens Franz Müller, rettet -1834 einen hochadligen Verschwörer aus der
Todesgefahr. Zum Dank läßt ihn dieser, der im Jahre -1849 als Gesandter
in Paris fungirt, durch die Polizei verfolgen. Franz Müller hat bei seiner
ersten That Gelegenheit, die Theilnahme einer schönen Gräfin zu gewinnen;
aber Madame Müller kann sie nicht werden, das sehen beide ein, und gehen
deshalb auseinander. Was wir auch ganz verständig finden, denn warum
sollte Gräfin Leomine grade Franz Müller heirathen? Wenn die Aristokratie
keine schlimmeren Eigenschaften hätte, als daß sie Mesalliancen, erschwert, so
wollten wir sie uns allenfalls schon gefallen lassen. Eine gewisse Convenienz
in diesen Dingen findet ja auch in den verschiedenen Schichten der bürgerlichen
Gesellschaft statt. Aber warum läßt sich Herr Franz Müller, der sich im Jahre
-1834 so verständig benimmt, -1849, wo er bereits in den Vierziger ist, unnütz
in Verschwörungen ein? Blos um seine»! alten Freunde Gelegenheit zu geben,
einen Act nichtswürdiger Undankbarkeit auszuüben! Und dazu ohne alle Ver¬
mittlung? Wenn Graf Sternberg ein Schuft sein soll, so muß er als ein sol¬
cher doch specisicirt werden; denn daß alle Diplomaten Schufte sein sollen, das
kann man doch ohne einen gründlichen Beweis nicht voraussetzen. — Die
sonstige Art und Weise des Verfassers ist bekannt. Im ganzen glauben wir,
daß es zweckmäßiger von ihm wäre, wieder zu seiner Jurisprudenz zurückzu¬
kehren; einen eigentlichen Beruf für den Roman hat er nicht. —


Nemesis. Roman von Johannes Scherr. 2. Vd. Leipzig, in (Kommission
bei Hühner. —

Der Versasser hat als Motto seines Romans einen interessanten Ausspruch
des Philosophen Arthur Schopenhauer, den wir unsern Lesern nicht vorent¬
halten wollen: „Wenn man, soweit es annäherungsweise möglich ist, die
Summe von Noth, Schmerz, Leiden und Uebeln jeder Art sich vorstellt, welche
die Sonne in ihrem Laufe bescheint, so wird man einräumen, daß es viel besser
wäre, wenn sie auf der Erde sowenig wie auf.dem Monde hätte das Phä¬
nomen des Lebens hervorrufen können, sondern, wie auf diesem, so auch auf
jener die Oberfläche sich noch im krystallinischen Zustande befände. Man kann
auch unser Leben auffassen als eine unnützerweise störende Episode in der
seligen Ruhe des Nichts. Jedenfalls wird selbst der, dem eS darin erträglich
ergangen, je länger er lebt, desto deutlicher inne, daß es im ganzen a (>(-!8->i,-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/413>, abgerufen am 07.05.2024.