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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Jahreszeit ungleich kürzer währt, als bei uns. Da steigt der Mond hinter den
Berge", welche den tief einschneidenden Busen von Jsiuid umkränzen empor,
um im stillen Gange über die Propontis südwestwärts hinzuziehen. Die Strahlenkraft
dieser Leuchte scheint wie abgemessen für den MccreSranm, den sie zu erhellen
hat. Im Culminationspunkt ihres Laufes angekommen, läßt sie gleichzeitig das
scharf sich vorstreckende Cap Bos-Burnu und die Gegenküste zwischen Kra-
(Sand-) Burgas und Silivri erkennen. Halb träumend sitzt der Passagier dann
wol dicht am Bug des Schiffes, das Auge der Flut zugewendet. Zwei lange
weiße Streifen hinterwärts bezeichnen die Bahn, welche das Fahrzeug gezogen.
Delphine tummeln sich in den vom Schlage der Schaufelräder erregten Stellen,
springen hoch aus den Fluten empor oder recken blos schalkhaft den Kopf hinaus,
um mit ihrem wunderbar mild blickenden Ange wehmüthig zum Monde aufzu¬
schauen. -- Der Nachtwind wird schärfer; das Deck ist "aß vom Thau. Mau legt
sich zur Ruhe.
'


Mök>K>W-MiU- i.'
Die Dardanellenstraße.

Daß man sich der berühmten Meerenge nahet, erkennt man bereits, wenn
man am frühen Morgen ans Deck kommt. Der Dampfer ist an der Insel
Marmara in der Frühdämmernng vorübergefahren; jetzt eben umsteuert er das
Cap Karabua. Wiederum sind rechts und links die Ufer näher gerückt und liegen
im klaren Schbereich des Auges, aber es sind nicht mehr die grünen, frischen,
laubumkränzten, die uns im Bospor umgeben hatten. Die Berge längs der
Küste sind öde, ohne Baumwuchs, nur zum Theil mit sonnenverbranntem Nasen
bekleidet. Vergebens sucht der Blick nach Spuren des Anbaues. Zur Früh¬
stückszeit ankert das Schiff vor Gallipoli, dem eigentlichen Eingange der Scestraße.
Dieselbe verengt sich hier bedeutend, was nicht ausschließt, daß sie immerhin
noch eine beträchtliche Breite hat. Militärisch betrachtet ist dieser Punkt höchst
wichtig, weil er unter allen andern der geeignetste ist, um den Chersones (Halb¬
insel Gallipoli) gleichsam durch eine Abschnittsbefestignng gegen einen landwärtigen
Rückenangriff zu decken. Die Stadt Gallipoli wäre der rechte Flankenstützpnntt
einer Linie, die quer über den Isthmus hinlaufend, ihren linken Flügel an den
Meerbusen von Saros anlehnen würde. Wenn der Krieg, was vorerst glücklicher¬
weise nicht zu fürchten ist und wozu für die Russen überhaupt wol keine Aus¬
sichten vorhanden sind, eine ungünstige Wendung nehmen und die türkische
Douauarmee rückgängig werden sollte, so möchte es unerläßlich sein, eine derartige
Fvrtificirung auszuführen, denn auf ihr beruhte dann die Offenerhaltnng der
Seeverbindung des Westens mit Konstantinopel n"d dem schwarzen Meere.
Daß die Natur im Norden die Straße durch eine Halbinsel eingeengt, muß in
dieser Hinsicht als eine besondere Gunst der Umstünde bezeichnet werden. Dieser


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Jahreszeit ungleich kürzer währt, als bei uns. Da steigt der Mond hinter den
Berge», welche den tief einschneidenden Busen von Jsiuid umkränzen empor,
um im stillen Gange über die Propontis südwestwärts hinzuziehen. Die Strahlenkraft
dieser Leuchte scheint wie abgemessen für den MccreSranm, den sie zu erhellen
hat. Im Culminationspunkt ihres Laufes angekommen, läßt sie gleichzeitig das
scharf sich vorstreckende Cap Bos-Burnu und die Gegenküste zwischen Kra-
(Sand-) Burgas und Silivri erkennen. Halb träumend sitzt der Passagier dann
wol dicht am Bug des Schiffes, das Auge der Flut zugewendet. Zwei lange
weiße Streifen hinterwärts bezeichnen die Bahn, welche das Fahrzeug gezogen.
Delphine tummeln sich in den vom Schlage der Schaufelräder erregten Stellen,
springen hoch aus den Fluten empor oder recken blos schalkhaft den Kopf hinaus,
um mit ihrem wunderbar mild blickenden Ange wehmüthig zum Monde aufzu¬
schauen. — Der Nachtwind wird schärfer; das Deck ist »aß vom Thau. Mau legt
sich zur Ruhe.
'


Mök>K>W-MiU- i.'
Die Dardanellenstraße.

Daß man sich der berühmten Meerenge nahet, erkennt man bereits, wenn
man am frühen Morgen ans Deck kommt. Der Dampfer ist an der Insel
Marmara in der Frühdämmernng vorübergefahren; jetzt eben umsteuert er das
Cap Karabua. Wiederum sind rechts und links die Ufer näher gerückt und liegen
im klaren Schbereich des Auges, aber es sind nicht mehr die grünen, frischen,
laubumkränzten, die uns im Bospor umgeben hatten. Die Berge längs der
Küste sind öde, ohne Baumwuchs, nur zum Theil mit sonnenverbranntem Nasen
bekleidet. Vergebens sucht der Blick nach Spuren des Anbaues. Zur Früh¬
stückszeit ankert das Schiff vor Gallipoli, dem eigentlichen Eingange der Scestraße.
Dieselbe verengt sich hier bedeutend, was nicht ausschließt, daß sie immerhin
noch eine beträchtliche Breite hat. Militärisch betrachtet ist dieser Punkt höchst
wichtig, weil er unter allen andern der geeignetste ist, um den Chersones (Halb¬
insel Gallipoli) gleichsam durch eine Abschnittsbefestignng gegen einen landwärtigen
Rückenangriff zu decken. Die Stadt Gallipoli wäre der rechte Flankenstützpnntt
einer Linie, die quer über den Isthmus hinlaufend, ihren linken Flügel an den
Meerbusen von Saros anlehnen würde. Wenn der Krieg, was vorerst glücklicher¬
weise nicht zu fürchten ist und wozu für die Russen überhaupt wol keine Aus¬
sichten vorhanden sind, eine ungünstige Wendung nehmen und die türkische
Douauarmee rückgängig werden sollte, so möchte es unerläßlich sein, eine derartige
Fvrtificirung auszuführen, denn auf ihr beruhte dann die Offenerhaltnng der
Seeverbindung des Westens mit Konstantinopel n»d dem schwarzen Meere.
Daß die Natur im Norden die Straße durch eine Halbinsel eingeengt, muß in
dieser Hinsicht als eine besondere Gunst der Umstünde bezeichnet werden. Dieser


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[0291] Jahreszeit ungleich kürzer währt, als bei uns. Da steigt der Mond hinter den Berge», welche den tief einschneidenden Busen von Jsiuid umkränzen empor, um im stillen Gange über die Propontis südwestwärts hinzuziehen. Die Strahlenkraft dieser Leuchte scheint wie abgemessen für den MccreSranm, den sie zu erhellen hat. Im Culminationspunkt ihres Laufes angekommen, läßt sie gleichzeitig das scharf sich vorstreckende Cap Bos-Burnu und die Gegenküste zwischen Kra- (Sand-) Burgas und Silivri erkennen. Halb träumend sitzt der Passagier dann wol dicht am Bug des Schiffes, das Auge der Flut zugewendet. Zwei lange weiße Streifen hinterwärts bezeichnen die Bahn, welche das Fahrzeug gezogen. Delphine tummeln sich in den vom Schlage der Schaufelräder erregten Stellen, springen hoch aus den Fluten empor oder recken blos schalkhaft den Kopf hinaus, um mit ihrem wunderbar mild blickenden Ange wehmüthig zum Monde aufzu¬ schauen. — Der Nachtwind wird schärfer; das Deck ist »aß vom Thau. Mau legt sich zur Ruhe. ' Mök>K>W-MiU- i.' Die Dardanellenstraße. Daß man sich der berühmten Meerenge nahet, erkennt man bereits, wenn man am frühen Morgen ans Deck kommt. Der Dampfer ist an der Insel Marmara in der Frühdämmernng vorübergefahren; jetzt eben umsteuert er das Cap Karabua. Wiederum sind rechts und links die Ufer näher gerückt und liegen im klaren Schbereich des Auges, aber es sind nicht mehr die grünen, frischen, laubumkränzten, die uns im Bospor umgeben hatten. Die Berge längs der Küste sind öde, ohne Baumwuchs, nur zum Theil mit sonnenverbranntem Nasen bekleidet. Vergebens sucht der Blick nach Spuren des Anbaues. Zur Früh¬ stückszeit ankert das Schiff vor Gallipoli, dem eigentlichen Eingange der Scestraße. Dieselbe verengt sich hier bedeutend, was nicht ausschließt, daß sie immerhin noch eine beträchtliche Breite hat. Militärisch betrachtet ist dieser Punkt höchst wichtig, weil er unter allen andern der geeignetste ist, um den Chersones (Halb¬ insel Gallipoli) gleichsam durch eine Abschnittsbefestignng gegen einen landwärtigen Rückenangriff zu decken. Die Stadt Gallipoli wäre der rechte Flankenstützpnntt einer Linie, die quer über den Isthmus hinlaufend, ihren linken Flügel an den Meerbusen von Saros anlehnen würde. Wenn der Krieg, was vorerst glücklicher¬ weise nicht zu fürchten ist und wozu für die Russen überhaupt wol keine Aus¬ sichten vorhanden sind, eine ungünstige Wendung nehmen und die türkische Douauarmee rückgängig werden sollte, so möchte es unerläßlich sein, eine derartige Fvrtificirung auszuführen, denn auf ihr beruhte dann die Offenerhaltnng der Seeverbindung des Westens mit Konstantinopel n»d dem schwarzen Meere. Daß die Natur im Norden die Straße durch eine Halbinsel eingeengt, muß in dieser Hinsicht als eine besondere Gunst der Umstünde bezeichnet werden. Dieser 36"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/291>, abgerufen am 04.05.2024.