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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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De.r russisch-türkische Krieg in der europäischen Türkei und in Asien in den
Jahren 1828 n. 29. Zum bessern Verständniß des gegenwärtigen Kriegs
bearbeitet vom Hauptmann Junck. Mit einer Uebersichtskarte des Kriegs¬
schauplatzes in Asien, Kassel, Bertram. --

Der nahe bevorstehende Ausbruch des orientalischen Kriegs wendet mit Recht
die Aufmerksamkeit des Publicums wieder auf jene Zeit, die uus sehr wichtige
Aufschlüsse über die gegenwärtig zu erwartenden Ereignisse geben muß, wenn auch
hoffentlich der Ausgang diesmal ebenso sehr von dem des Jahres -1829 abweichen
wird, wie die Sympathien Europas. Dieser Wechsel in den Sympathie" ist
allerdings sehr merkwürdig, aber man hat unrecht, ihn als eine bloße Kurio¬
sität aufzufassen. Er ist vielmehr eine Entwicklung und Ausbildung der allge¬
meine" politisch".'" Begriffe. Im Jahre -1829 wußten eigentlich in Europa mir
zwei Männer, um was es sich handelte, der Kaiser von Rußland und der Fürst'
Metternich; alle übrigen waren mehr oder minder von lyrische" Neminisccnze",
von classischen Traditionen und von unklare" Gefühlen bestimmt. Es ist also
nur gerecht, wenn man im gegenwärtigen Augenblick dem Fürsten Metternich die
Anerkennung zu Theil werde" läßt, er habe eine gesundere Einsicht in die Lage
der Di"ge gehabt, als die meisten Liberale", indem er den russischen Eroberuugs-
plänen Widerstand leistete: woraus man nun allerdings nicht den Schluß ziehe"
muß, als ob sein übriges für Oestreich wie für Deutschland gleich verderbliches
System deshalb irgend entschuldigt werdeu könne. Nebenbei hat er nicht Energie
genug gehabt, auch uur in dieser höchst wichtigen Angelegenheit seiner Ueber-
zeugung Geltung zu verschaffe". Die russische Diplomatie hat ihn aus denk Felde
geschlagen, we"u nicht etwa noch, menschlichere Motive mitgewirkt haben. -- Auch
über die damalige Kriegführung hat mau sich sehr falsche Vorstellungen gebildet,
weil man alles dnrch ein trübes, von bestimmten Sympathien eingenommenes Me¬
dium ansah. Es ist daher wünschenswert!), daß anch nach dieser Seite hin eine
neue Revision der bisherige" historische" Traditionen unternommen werde. -- Das
gegenwärtige Buch dehnt seine Aufgabe allerdings nicht so weitaus; es hat
zunächst nur den Zweck, mit sorgfältiger Benutzung der besten zugängliche" Quelle"
(Valentini, Moltke, Uschakvff und Fomton) eine gedrängte Uebersicht zu Staude
zu bringen. Die militärischen Kenntnisse des Verfassers berechtigten ihn zu einem
solchen Uuternehutcu, und das allgemeine Bedürfniß des Publicums sich 'eine
Vorstellung von dem Kriegsschauplatz zu bilden wird dasselbe unterstützen. --
Die hinzugefügte Karte ist vortrefflich. --


Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer,
von Eduard Freiherr" v. Callot. 2 Bände. Leipzig, Kollmann. --

Der Versasser, ein leidenschaftlicher Philhellene, trat einige Zeit nach dem
Ausbruch des türkischen Krieges in die russische Armee, machte einen Theil der


Grenzboten, II. . 23
De.r russisch-türkische Krieg in der europäischen Türkei und in Asien in den
Jahren 1828 n. 29. Zum bessern Verständniß des gegenwärtigen Kriegs
bearbeitet vom Hauptmann Junck. Mit einer Uebersichtskarte des Kriegs¬
schauplatzes in Asien, Kassel, Bertram. —

Der nahe bevorstehende Ausbruch des orientalischen Kriegs wendet mit Recht
die Aufmerksamkeit des Publicums wieder auf jene Zeit, die uus sehr wichtige
Aufschlüsse über die gegenwärtig zu erwartenden Ereignisse geben muß, wenn auch
hoffentlich der Ausgang diesmal ebenso sehr von dem des Jahres -1829 abweichen
wird, wie die Sympathien Europas. Dieser Wechsel in den Sympathie» ist
allerdings sehr merkwürdig, aber man hat unrecht, ihn als eine bloße Kurio¬
sität aufzufassen. Er ist vielmehr eine Entwicklung und Ausbildung der allge¬
meine» politisch«.'» Begriffe. Im Jahre -1829 wußten eigentlich in Europa mir
zwei Männer, um was es sich handelte, der Kaiser von Rußland und der Fürst'
Metternich; alle übrigen waren mehr oder minder von lyrische» Neminisccnze»,
von classischen Traditionen und von unklare» Gefühlen bestimmt. Es ist also
nur gerecht, wenn man im gegenwärtigen Augenblick dem Fürsten Metternich die
Anerkennung zu Theil werde» läßt, er habe eine gesundere Einsicht in die Lage
der Di»ge gehabt, als die meisten Liberale», indem er den russischen Eroberuugs-
plänen Widerstand leistete: woraus man nun allerdings nicht den Schluß ziehe»
muß, als ob sein übriges für Oestreich wie für Deutschland gleich verderbliches
System deshalb irgend entschuldigt werdeu könne. Nebenbei hat er nicht Energie
genug gehabt, auch uur in dieser höchst wichtigen Angelegenheit seiner Ueber-
zeugung Geltung zu verschaffe». Die russische Diplomatie hat ihn aus denk Felde
geschlagen, we»u nicht etwa noch, menschlichere Motive mitgewirkt haben. — Auch
über die damalige Kriegführung hat mau sich sehr falsche Vorstellungen gebildet,
weil man alles dnrch ein trübes, von bestimmten Sympathien eingenommenes Me¬
dium ansah. Es ist daher wünschenswert!), daß anch nach dieser Seite hin eine
neue Revision der bisherige» historische» Traditionen unternommen werde. — Das
gegenwärtige Buch dehnt seine Aufgabe allerdings nicht so weitaus; es hat
zunächst nur den Zweck, mit sorgfältiger Benutzung der besten zugängliche» Quelle»
(Valentini, Moltke, Uschakvff und Fomton) eine gedrängte Uebersicht zu Staude
zu bringen. Die militärischen Kenntnisse des Verfassers berechtigten ihn zu einem
solchen Uuternehutcu, und das allgemeine Bedürfniß des Publicums sich 'eine
Vorstellung von dem Kriegsschauplatz zu bilden wird dasselbe unterstützen. —
Die hinzugefügte Karte ist vortrefflich. —


Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer,
von Eduard Freiherr» v. Callot. 2 Bände. Leipzig, Kollmann. —

Der Versasser, ein leidenschaftlicher Philhellene, trat einige Zeit nach dem
Ausbruch des türkischen Krieges in die russische Armee, machte einen Theil der


Grenzboten, II. . 23
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[0185] De.r russisch-türkische Krieg in der europäischen Türkei und in Asien in den Jahren 1828 n. 29. Zum bessern Verständniß des gegenwärtigen Kriegs bearbeitet vom Hauptmann Junck. Mit einer Uebersichtskarte des Kriegs¬ schauplatzes in Asien, Kassel, Bertram. — Der nahe bevorstehende Ausbruch des orientalischen Kriegs wendet mit Recht die Aufmerksamkeit des Publicums wieder auf jene Zeit, die uus sehr wichtige Aufschlüsse über die gegenwärtig zu erwartenden Ereignisse geben muß, wenn auch hoffentlich der Ausgang diesmal ebenso sehr von dem des Jahres -1829 abweichen wird, wie die Sympathien Europas. Dieser Wechsel in den Sympathie» ist allerdings sehr merkwürdig, aber man hat unrecht, ihn als eine bloße Kurio¬ sität aufzufassen. Er ist vielmehr eine Entwicklung und Ausbildung der allge¬ meine» politisch«.'» Begriffe. Im Jahre -1829 wußten eigentlich in Europa mir zwei Männer, um was es sich handelte, der Kaiser von Rußland und der Fürst' Metternich; alle übrigen waren mehr oder minder von lyrische» Neminisccnze», von classischen Traditionen und von unklare» Gefühlen bestimmt. Es ist also nur gerecht, wenn man im gegenwärtigen Augenblick dem Fürsten Metternich die Anerkennung zu Theil werde» läßt, er habe eine gesundere Einsicht in die Lage der Di»ge gehabt, als die meisten Liberale», indem er den russischen Eroberuugs- plänen Widerstand leistete: woraus man nun allerdings nicht den Schluß ziehe» muß, als ob sein übriges für Oestreich wie für Deutschland gleich verderbliches System deshalb irgend entschuldigt werdeu könne. Nebenbei hat er nicht Energie genug gehabt, auch uur in dieser höchst wichtigen Angelegenheit seiner Ueber- zeugung Geltung zu verschaffe». Die russische Diplomatie hat ihn aus denk Felde geschlagen, we»u nicht etwa noch, menschlichere Motive mitgewirkt haben. — Auch über die damalige Kriegführung hat mau sich sehr falsche Vorstellungen gebildet, weil man alles dnrch ein trübes, von bestimmten Sympathien eingenommenes Me¬ dium ansah. Es ist daher wünschenswert!), daß anch nach dieser Seite hin eine neue Revision der bisherige» historische» Traditionen unternommen werde. — Das gegenwärtige Buch dehnt seine Aufgabe allerdings nicht so weitaus; es hat zunächst nur den Zweck, mit sorgfältiger Benutzung der besten zugängliche» Quelle» (Valentini, Moltke, Uschakvff und Fomton) eine gedrängte Uebersicht zu Staude zu bringen. Die militärischen Kenntnisse des Verfassers berechtigten ihn zu einem solchen Uuternehutcu, und das allgemeine Bedürfniß des Publicums sich 'eine Vorstellung von dem Kriegsschauplatz zu bilden wird dasselbe unterstützen. — Die hinzugefügte Karte ist vortrefflich. — Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer, von Eduard Freiherr» v. Callot. 2 Bände. Leipzig, Kollmann. — Der Versasser, ein leidenschaftlicher Philhellene, trat einige Zeit nach dem Ausbruch des türkischen Krieges in die russische Armee, machte einen Theil der Grenzboten, II. . 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/184>, abgerufen am 07.05.2024.