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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Das Lebe"" Steins.

Das Leben des Ministers Freiherr" v. Stein von G. H. Pertz. Fünfter
Band: 1813--33. Berlin, Georg Reimers --

DiesesNationaldenkmal einer großen Vergangenheit nähert sich allmiilig
seinem Abschluß. Mit dem nächstfolgenden sechsten Bande wird das ganze Werk
vollendet sein. Es liegt uns nun in getreuen und vollständigen Urkunden das
Leben eines unsrer größten Männer aufgeschlossen vor und winkt warnend
und belehrend in unsre kleine und abgeschwächte Zeit herüber. Zwar hat der
gegenwärtige Band nicht jenen erhebenden Inhalt, nicht jenen historischen
Horizont im größten Stil, wie es in den vorigen Theilen der Fall war, er
fällt vielmehr bereits in eine Zeit der Lähmung, der kleinlichen Reaction, die
gern alle Momente der Begeisterung und des echten Lebens aus unsrer na¬
tionalen Entwicklung weggewischt hätte. Allein dieser Zeit steht als ihr Richter
ein gewaltiger, Mann'gegenüber, der von der Gunst keines Fürsten getragen
und durch das Ansehn keiner öffentlichen Stellung unterstützt, selbst von der
allgemeinen Meinung nur wenig gefördert, dennoch der gefährlichen Wendung
der Dinge tuhy die Stirn bot und wenigstens in seiner Person ein Zeugniß
dasür ablegte, daß die große Idee der Freiheitskriege noch nicht ganz aus dem
Gedächtniß des Volks entschwunden war.

Im preußischen Staate hätte bald nach Abschluß des Wiener Kongresses
die Reactionspartei sich des Staatskanzlers bemächtigt und Stein hatte ver¬
gebens versucht, ihn von derselben loszumachen Die Männer, welche die
Erhebung des Landes geleitet und zu ruhmvollen Ziele geführt hatten, wurden
von ihrem unversöhnlichen Haß verfolgt. Stein selbst empfing noch 1813 mehr¬
fache Anträge zu einer neuen und unmittelbaren Theilnahme an den deutschen
Geschäften. Fürst Metternich bot ihm das Präsidium der deutschen Bundes¬
versammlung, Fürst Hardenberg die preußische Bundestagsgesandtenstelle an. Er
lehnte beide Anträge ab und lebte als Privatmann weiter fort. Von den
Monarchen blieb er noch immer :?le Kaiser Alexander in Verbindung, der ihm


Grenzboten. II. ->8si. , . 31
Das Lebe»» Steins.

Das Leben des Ministers Freiherr» v. Stein von G. H. Pertz. Fünfter
Band: 1813—33. Berlin, Georg Reimers —

DiesesNationaldenkmal einer großen Vergangenheit nähert sich allmiilig
seinem Abschluß. Mit dem nächstfolgenden sechsten Bande wird das ganze Werk
vollendet sein. Es liegt uns nun in getreuen und vollständigen Urkunden das
Leben eines unsrer größten Männer aufgeschlossen vor und winkt warnend
und belehrend in unsre kleine und abgeschwächte Zeit herüber. Zwar hat der
gegenwärtige Band nicht jenen erhebenden Inhalt, nicht jenen historischen
Horizont im größten Stil, wie es in den vorigen Theilen der Fall war, er
fällt vielmehr bereits in eine Zeit der Lähmung, der kleinlichen Reaction, die
gern alle Momente der Begeisterung und des echten Lebens aus unsrer na¬
tionalen Entwicklung weggewischt hätte. Allein dieser Zeit steht als ihr Richter
ein gewaltiger, Mann'gegenüber, der von der Gunst keines Fürsten getragen
und durch das Ansehn keiner öffentlichen Stellung unterstützt, selbst von der
allgemeinen Meinung nur wenig gefördert, dennoch der gefährlichen Wendung
der Dinge tuhy die Stirn bot und wenigstens in seiner Person ein Zeugniß
dasür ablegte, daß die große Idee der Freiheitskriege noch nicht ganz aus dem
Gedächtniß des Volks entschwunden war.

Im preußischen Staate hätte bald nach Abschluß des Wiener Kongresses
die Reactionspartei sich des Staatskanzlers bemächtigt und Stein hatte ver¬
gebens versucht, ihn von derselben loszumachen Die Männer, welche die
Erhebung des Landes geleitet und zu ruhmvollen Ziele geführt hatten, wurden
von ihrem unversöhnlichen Haß verfolgt. Stein selbst empfing noch 1813 mehr¬
fache Anträge zu einer neuen und unmittelbaren Theilnahme an den deutschen
Geschäften. Fürst Metternich bot ihm das Präsidium der deutschen Bundes¬
versammlung, Fürst Hardenberg die preußische Bundestagsgesandtenstelle an. Er
lehnte beide Anträge ab und lebte als Privatmann weiter fort. Von den
Monarchen blieb er noch immer :?le Kaiser Alexander in Verbindung, der ihm


Grenzboten. II. ->8si. , . 31
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[0249] Das Lebe»» Steins. Das Leben des Ministers Freiherr» v. Stein von G. H. Pertz. Fünfter Band: 1813—33. Berlin, Georg Reimers — DiesesNationaldenkmal einer großen Vergangenheit nähert sich allmiilig seinem Abschluß. Mit dem nächstfolgenden sechsten Bande wird das ganze Werk vollendet sein. Es liegt uns nun in getreuen und vollständigen Urkunden das Leben eines unsrer größten Männer aufgeschlossen vor und winkt warnend und belehrend in unsre kleine und abgeschwächte Zeit herüber. Zwar hat der gegenwärtige Band nicht jenen erhebenden Inhalt, nicht jenen historischen Horizont im größten Stil, wie es in den vorigen Theilen der Fall war, er fällt vielmehr bereits in eine Zeit der Lähmung, der kleinlichen Reaction, die gern alle Momente der Begeisterung und des echten Lebens aus unsrer na¬ tionalen Entwicklung weggewischt hätte. Allein dieser Zeit steht als ihr Richter ein gewaltiger, Mann'gegenüber, der von der Gunst keines Fürsten getragen und durch das Ansehn keiner öffentlichen Stellung unterstützt, selbst von der allgemeinen Meinung nur wenig gefördert, dennoch der gefährlichen Wendung der Dinge tuhy die Stirn bot und wenigstens in seiner Person ein Zeugniß dasür ablegte, daß die große Idee der Freiheitskriege noch nicht ganz aus dem Gedächtniß des Volks entschwunden war. Im preußischen Staate hätte bald nach Abschluß des Wiener Kongresses die Reactionspartei sich des Staatskanzlers bemächtigt und Stein hatte ver¬ gebens versucht, ihn von derselben loszumachen Die Männer, welche die Erhebung des Landes geleitet und zu ruhmvollen Ziele geführt hatten, wurden von ihrem unversöhnlichen Haß verfolgt. Stein selbst empfing noch 1813 mehr¬ fache Anträge zu einer neuen und unmittelbaren Theilnahme an den deutschen Geschäften. Fürst Metternich bot ihm das Präsidium der deutschen Bundes¬ versammlung, Fürst Hardenberg die preußische Bundestagsgesandtenstelle an. Er lehnte beide Anträge ab und lebte als Privatmann weiter fort. Von den Monarchen blieb er noch immer :?le Kaiser Alexander in Verbindung, der ihm Grenzboten. II. ->8si. , . 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/248>, abgerufen am 06.05.2024.