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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Natürlich wird dies alles einige den Interessen des Barbarismus mehr' wie
denen der Civilisation ergebene Blätter der deutschen Presse nicht abhalten,
grade das Gegentheil zu behaupten, und die That von Odessa, ungeachtet
aller dabei bewiesenen Menschlichkeit, dem Verwüstungsact von Sinope zur
Seite zu stellen.

Noch muß ich Sie auf die äußerst geringe Anzahl Treffer aufmerksam ma¬
chen, welche die russische Strandartillerie den Schiffen gegenüber, die ihrer
Massenhaftigkeit wegen doch sehr im Nachtheil stehen, gehabt hat. Die große
Dampffregatte Terrible bekam nur neun Kugeln in den Rumpf. Deutlicher
wie alles andere, was dafür reden möchte, spricht aber der geringe Menschen¬
verlust beider Escadren ,für die Geringfügigkeit des russischen Feuers. Vier
Todte! so viel hatte man auch beim Kampf gegen die Birmanen und gegen
chinesische Dschonken.- Wenn man russischerseits nicht geschickter seine Kanonen
zu handhaben weiß, wird auch Sebastopol nicht länger mehr zu den unangreif¬
baren Punkten gerechnet werden dürfen, und es ist wahrscheinlich, daß Sie im
Augenblick, wo Ihnen dieses Blatt-vorliegt, bereits Kenntniß von irgend einer
mehr oder weniger entscheidenden Operation gegen dieses Object haben werden.




Ans Konstantinopel.

Als ich Ihnen im Honat März über die rasche Entwicklung der hiesigen
Frühlingsvegetation berichtete, ahnte ich nicht, daß dieselbe sich den ganzen
April hindurch ziemlich stationär erhalten und jetzt manche Bäume noch blätter¬
los oder mindestens doch erst in den Knospen stehen würden. Die Witterungs-
verhältnisse waren dem Pflanzenwuchs während der letzten vier Wochen aber
auch ganz besonders ungünstig. Ohne Unterlaß beinahe ein rauher Wind
aus Nordost, und wenn derselbe ja dann und wann nach Süden umsprang,
wandelte sich sein Wehen in brausendes Ungestüm um und peitschte die sonst
so glatten Fluten des Marmorameeres hoch auf, dergestalt, daß sie vor dem
Bospor sich staueten und die niedriger gelegenen Stellen oder Anlandeplätze
weithin überschwemmten. So ist es denn geschehen, daß zu einer Zeit, wo
in anderen Jahren die Kirschen und Frühbirnen schon der Reise entgegen¬
gehen, wo die 'Blumen verblüht sind und die Hecken von Büjük-dere und Ana-
doli-Kawack längst ins Laub geschossen sind und nicht mehr duften, auf den
Straßen von Pera noch immer Veilchen, Lack und Reseda, und vor allen jene
hochgewachsenen, gelben, doldenartigen Blumen verkauft werden, deren Duft,
mit welchen.Blüten sie immerhin auch zum Bouquet geeint werden, dennoch


Natürlich wird dies alles einige den Interessen des Barbarismus mehr' wie
denen der Civilisation ergebene Blätter der deutschen Presse nicht abhalten,
grade das Gegentheil zu behaupten, und die That von Odessa, ungeachtet
aller dabei bewiesenen Menschlichkeit, dem Verwüstungsact von Sinope zur
Seite zu stellen.

Noch muß ich Sie auf die äußerst geringe Anzahl Treffer aufmerksam ma¬
chen, welche die russische Strandartillerie den Schiffen gegenüber, die ihrer
Massenhaftigkeit wegen doch sehr im Nachtheil stehen, gehabt hat. Die große
Dampffregatte Terrible bekam nur neun Kugeln in den Rumpf. Deutlicher
wie alles andere, was dafür reden möchte, spricht aber der geringe Menschen¬
verlust beider Escadren ,für die Geringfügigkeit des russischen Feuers. Vier
Todte! so viel hatte man auch beim Kampf gegen die Birmanen und gegen
chinesische Dschonken.- Wenn man russischerseits nicht geschickter seine Kanonen
zu handhaben weiß, wird auch Sebastopol nicht länger mehr zu den unangreif¬
baren Punkten gerechnet werden dürfen, und es ist wahrscheinlich, daß Sie im
Augenblick, wo Ihnen dieses Blatt-vorliegt, bereits Kenntniß von irgend einer
mehr oder weniger entscheidenden Operation gegen dieses Object haben werden.




Ans Konstantinopel.

Als ich Ihnen im Honat März über die rasche Entwicklung der hiesigen
Frühlingsvegetation berichtete, ahnte ich nicht, daß dieselbe sich den ganzen
April hindurch ziemlich stationär erhalten und jetzt manche Bäume noch blätter¬
los oder mindestens doch erst in den Knospen stehen würden. Die Witterungs-
verhältnisse waren dem Pflanzenwuchs während der letzten vier Wochen aber
auch ganz besonders ungünstig. Ohne Unterlaß beinahe ein rauher Wind
aus Nordost, und wenn derselbe ja dann und wann nach Süden umsprang,
wandelte sich sein Wehen in brausendes Ungestüm um und peitschte die sonst
so glatten Fluten des Marmorameeres hoch auf, dergestalt, daß sie vor dem
Bospor sich staueten und die niedriger gelegenen Stellen oder Anlandeplätze
weithin überschwemmten. So ist es denn geschehen, daß zu einer Zeit, wo
in anderen Jahren die Kirschen und Frühbirnen schon der Reise entgegen¬
gehen, wo die 'Blumen verblüht sind und die Hecken von Büjük-dere und Ana-
doli-Kawack längst ins Laub geschossen sind und nicht mehr duften, auf den
Straßen von Pera noch immer Veilchen, Lack und Reseda, und vor allen jene
hochgewachsenen, gelben, doldenartigen Blumen verkauft werden, deren Duft,
mit welchen.Blüten sie immerhin auch zum Bouquet geeint werden, dennoch


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[0306] Natürlich wird dies alles einige den Interessen des Barbarismus mehr' wie denen der Civilisation ergebene Blätter der deutschen Presse nicht abhalten, grade das Gegentheil zu behaupten, und die That von Odessa, ungeachtet aller dabei bewiesenen Menschlichkeit, dem Verwüstungsact von Sinope zur Seite zu stellen. Noch muß ich Sie auf die äußerst geringe Anzahl Treffer aufmerksam ma¬ chen, welche die russische Strandartillerie den Schiffen gegenüber, die ihrer Massenhaftigkeit wegen doch sehr im Nachtheil stehen, gehabt hat. Die große Dampffregatte Terrible bekam nur neun Kugeln in den Rumpf. Deutlicher wie alles andere, was dafür reden möchte, spricht aber der geringe Menschen¬ verlust beider Escadren ,für die Geringfügigkeit des russischen Feuers. Vier Todte! so viel hatte man auch beim Kampf gegen die Birmanen und gegen chinesische Dschonken.- Wenn man russischerseits nicht geschickter seine Kanonen zu handhaben weiß, wird auch Sebastopol nicht länger mehr zu den unangreif¬ baren Punkten gerechnet werden dürfen, und es ist wahrscheinlich, daß Sie im Augenblick, wo Ihnen dieses Blatt-vorliegt, bereits Kenntniß von irgend einer mehr oder weniger entscheidenden Operation gegen dieses Object haben werden. Ans Konstantinopel. Als ich Ihnen im Honat März über die rasche Entwicklung der hiesigen Frühlingsvegetation berichtete, ahnte ich nicht, daß dieselbe sich den ganzen April hindurch ziemlich stationär erhalten und jetzt manche Bäume noch blätter¬ los oder mindestens doch erst in den Knospen stehen würden. Die Witterungs- verhältnisse waren dem Pflanzenwuchs während der letzten vier Wochen aber auch ganz besonders ungünstig. Ohne Unterlaß beinahe ein rauher Wind aus Nordost, und wenn derselbe ja dann und wann nach Süden umsprang, wandelte sich sein Wehen in brausendes Ungestüm um und peitschte die sonst so glatten Fluten des Marmorameeres hoch auf, dergestalt, daß sie vor dem Bospor sich staueten und die niedriger gelegenen Stellen oder Anlandeplätze weithin überschwemmten. So ist es denn geschehen, daß zu einer Zeit, wo in anderen Jahren die Kirschen und Frühbirnen schon der Reise entgegen¬ gehen, wo die 'Blumen verblüht sind und die Hecken von Büjük-dere und Ana- doli-Kawack längst ins Laub geschossen sind und nicht mehr duften, auf den Straßen von Pera noch immer Veilchen, Lack und Reseda, und vor allen jene hochgewachsenen, gelben, doldenartigen Blumen verkauft werden, deren Duft, mit welchen.Blüten sie immerhin auch zum Bouquet geeint werden, dennoch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/305>, abgerufen am 07.05.2024.