Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stets den Grundton angibt, so streng aromatisch und zugleich lieblich ist er!
Nachdem gestern und vorgestern ein wahrhaft orkanartiger Sturm gewüthet und
windgejagte Wolken ohne Unterlaß über den Himmel hintrieben, haben wir
heute nach langer Zeit zum ersten Mal wiederum ein weites Gewölbe von
Azurblau vom Olymp her bis zum schwarzen Meere hin über uns. Die auf¬
gerüttelten Fluten der Marmorasee, die in der Nacht noch die Fittige der
Bora schlugen, sind während der ersten Morgenstunden in stets flacher und
flacher gehenden Wellen gegen das User hinausgerollt, Hunderte jener blitzes-
schneller Kalks,, mit zwei/ drei, vier oder fünf Ruderern am Bord fliegen
von einem Gestade zum andern, von Asien nach Europa und umgekehrt,
und durch sie hindurch, majestätisch, aber nicht minder schnell ziehen die
stolzen Dampfer, theils den Bosporus hinan zum schwarzen Meere, theils in
entgegengesetzter Richtung, den Prinzeninseln zu. 'Es ist eine sern gelegene,
aber bewegte Scene, die ich eben,/ vom Fenster meines Arbeitszimmers hinaus-
schauend, Ihnen schildere. Aber über alles lebhast ist die Pracht der Beleuch¬
tung, der grelle, zauberhafte Contrast der Farben. Sehen Sie nur diese tief¬
blaue Meeresflut, die von den grünen Ufern wie von smaragdenem Kranze
eingefaßt wird, diesen riesigen Schneeglctscher (den Olymp) im Hintergrunde
und im näheren Umkreise aneinandergereiht die Gestade des Bospors,' Sku-
tari, die Prinzeninseln, der Cypressenwald, welcher leider die Spitze des Serails
mir zudeckt und hinter dem goldenen Horn aufragend das Häusermeer des un¬
ermeßlichen Stambul!

Wie glänzen alle Berge ringsum im Schmuck .des frischen, sammetartigen
Rasens, wie dunkel stechen dagegen die Höhen des Kaisch-Dagh ab, der seine
Gipfel rückwärts, hinter dem nahen Bulgurlu emporstreckt, wie scheint der helle
Sonnenschein alles verklärt und verzaubert zu haben!

Solche Tage, wie der heutige, sind die Festtage der hiesigen Natur. Die
Bevölkerung von Pera, welche immer aufgelegt ist, zu genießen und den Ge¬
nuß zu suchen, wo er sich bietet, desgleichen die Türken und Griechen strömen
in Scharen theils zu den Anlandeplätzen, wo man dicht nebeneinander fünfzig
Kalks und mehr geschart steht, theils zu den Orten, an denen die Arabatschis
(Kutscher) ihre Fuhrwerke mit dem lauten Ruf: Araba, Araba! aufbieten,
oder sie promeniren auf den Wegen, die sich ins Freie hin öffnen. Ver¬
gnügungsorte in unsrem Sinne, Thee- und Kaffeegarten gibt es nicht; wenn
auch hier und dort ein Versuch sie einzuführen mit mehr oder weniger Glück
gemacht wurde, wie noch jüngst in Pera, sind diese modern fränkischen In¬
stitutionen dennoch in der Regel nur von kurzer Dauer. Desto mehr liebt
man es, sich auf Kirchhöfen, auf Wiesen, an schattigen Baumplätzen, in'der
Nähe kühler Brunnen zusammenzufinden. Hörten Sie noch nie von Kmhat-
Hane oder den süßen Gewässern von Europa, noch nicht von denen aus Asten
'''''''"'


38* -

stets den Grundton angibt, so streng aromatisch und zugleich lieblich ist er!
Nachdem gestern und vorgestern ein wahrhaft orkanartiger Sturm gewüthet und
windgejagte Wolken ohne Unterlaß über den Himmel hintrieben, haben wir
heute nach langer Zeit zum ersten Mal wiederum ein weites Gewölbe von
Azurblau vom Olymp her bis zum schwarzen Meere hin über uns. Die auf¬
gerüttelten Fluten der Marmorasee, die in der Nacht noch die Fittige der
Bora schlugen, sind während der ersten Morgenstunden in stets flacher und
flacher gehenden Wellen gegen das User hinausgerollt, Hunderte jener blitzes-
schneller Kalks,, mit zwei/ drei, vier oder fünf Ruderern am Bord fliegen
von einem Gestade zum andern, von Asien nach Europa und umgekehrt,
und durch sie hindurch, majestätisch, aber nicht minder schnell ziehen die
stolzen Dampfer, theils den Bosporus hinan zum schwarzen Meere, theils in
entgegengesetzter Richtung, den Prinzeninseln zu. 'Es ist eine sern gelegene,
aber bewegte Scene, die ich eben,/ vom Fenster meines Arbeitszimmers hinaus-
schauend, Ihnen schildere. Aber über alles lebhast ist die Pracht der Beleuch¬
tung, der grelle, zauberhafte Contrast der Farben. Sehen Sie nur diese tief¬
blaue Meeresflut, die von den grünen Ufern wie von smaragdenem Kranze
eingefaßt wird, diesen riesigen Schneeglctscher (den Olymp) im Hintergrunde
und im näheren Umkreise aneinandergereiht die Gestade des Bospors,' Sku-
tari, die Prinzeninseln, der Cypressenwald, welcher leider die Spitze des Serails
mir zudeckt und hinter dem goldenen Horn aufragend das Häusermeer des un¬
ermeßlichen Stambul!

Wie glänzen alle Berge ringsum im Schmuck .des frischen, sammetartigen
Rasens, wie dunkel stechen dagegen die Höhen des Kaisch-Dagh ab, der seine
Gipfel rückwärts, hinter dem nahen Bulgurlu emporstreckt, wie scheint der helle
Sonnenschein alles verklärt und verzaubert zu haben!

Solche Tage, wie der heutige, sind die Festtage der hiesigen Natur. Die
Bevölkerung von Pera, welche immer aufgelegt ist, zu genießen und den Ge¬
nuß zu suchen, wo er sich bietet, desgleichen die Türken und Griechen strömen
in Scharen theils zu den Anlandeplätzen, wo man dicht nebeneinander fünfzig
Kalks und mehr geschart steht, theils zu den Orten, an denen die Arabatschis
(Kutscher) ihre Fuhrwerke mit dem lauten Ruf: Araba, Araba! aufbieten,
oder sie promeniren auf den Wegen, die sich ins Freie hin öffnen. Ver¬
gnügungsorte in unsrem Sinne, Thee- und Kaffeegarten gibt es nicht; wenn
auch hier und dort ein Versuch sie einzuführen mit mehr oder weniger Glück
gemacht wurde, wie noch jüngst in Pera, sind diese modern fränkischen In¬
stitutionen dennoch in der Regel nur von kurzer Dauer. Desto mehr liebt
man es, sich auf Kirchhöfen, auf Wiesen, an schattigen Baumplätzen, in'der
Nähe kühler Brunnen zusammenzufinden. Hörten Sie noch nie von Kmhat-
Hane oder den süßen Gewässern von Europa, noch nicht von denen aus Asten
'''''''"'


38* -
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98087"/>
          <p xml:id="ID_954" prev="#ID_953"> stets den Grundton angibt, so streng aromatisch und zugleich lieblich ist er!<lb/>
Nachdem gestern und vorgestern ein wahrhaft orkanartiger Sturm gewüthet und<lb/>
windgejagte Wolken ohne Unterlaß über den Himmel hintrieben, haben wir<lb/>
heute nach langer Zeit zum ersten Mal wiederum ein weites Gewölbe von<lb/>
Azurblau vom Olymp her bis zum schwarzen Meere hin über uns. Die auf¬<lb/>
gerüttelten Fluten der Marmorasee, die in der Nacht noch die Fittige der<lb/>
Bora schlugen, sind während der ersten Morgenstunden in stets flacher und<lb/>
flacher gehenden Wellen gegen das User hinausgerollt, Hunderte jener blitzes-<lb/>
schneller Kalks,, mit zwei/ drei, vier oder fünf Ruderern am Bord fliegen<lb/>
von einem Gestade zum andern, von Asien nach Europa und umgekehrt,<lb/>
und durch sie hindurch, majestätisch, aber nicht minder schnell ziehen die<lb/>
stolzen Dampfer, theils den Bosporus hinan zum schwarzen Meere, theils in<lb/>
entgegengesetzter Richtung, den Prinzeninseln zu. 'Es ist eine sern gelegene,<lb/>
aber bewegte Scene, die ich eben,/ vom Fenster meines Arbeitszimmers hinaus-<lb/>
schauend, Ihnen schildere. Aber über alles lebhast ist die Pracht der Beleuch¬<lb/>
tung, der grelle, zauberhafte Contrast der Farben. Sehen Sie nur diese tief¬<lb/>
blaue Meeresflut, die von den grünen Ufern wie von smaragdenem Kranze<lb/>
eingefaßt wird, diesen riesigen Schneeglctscher (den Olymp) im Hintergrunde<lb/>
und im näheren Umkreise aneinandergereiht die Gestade des Bospors,' Sku-<lb/>
tari, die Prinzeninseln, der Cypressenwald, welcher leider die Spitze des Serails<lb/>
mir zudeckt und hinter dem goldenen Horn aufragend das Häusermeer des un¬<lb/>
ermeßlichen Stambul!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_955"> Wie glänzen alle Berge ringsum im Schmuck .des frischen, sammetartigen<lb/>
Rasens, wie dunkel stechen dagegen die Höhen des Kaisch-Dagh ab, der seine<lb/>
Gipfel rückwärts, hinter dem nahen Bulgurlu emporstreckt, wie scheint der helle<lb/>
Sonnenschein alles verklärt und verzaubert zu haben!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_956" next="#ID_957"> Solche Tage, wie der heutige, sind die Festtage der hiesigen Natur. Die<lb/>
Bevölkerung von Pera, welche immer aufgelegt ist, zu genießen und den Ge¬<lb/>
nuß zu suchen, wo er sich bietet, desgleichen die Türken und Griechen strömen<lb/>
in Scharen theils zu den Anlandeplätzen, wo man dicht nebeneinander fünfzig<lb/>
Kalks und mehr geschart steht, theils zu den Orten, an denen die Arabatschis<lb/>
(Kutscher) ihre Fuhrwerke mit dem lauten Ruf: Araba, Araba! aufbieten,<lb/>
oder sie promeniren auf den Wegen, die sich ins Freie hin öffnen. Ver¬<lb/>
gnügungsorte in unsrem Sinne, Thee- und Kaffeegarten gibt es nicht; wenn<lb/>
auch hier und dort ein Versuch sie einzuführen mit mehr oder weniger Glück<lb/>
gemacht wurde, wie noch jüngst in Pera, sind diese modern fränkischen In¬<lb/>
stitutionen dennoch in der Regel nur von kurzer Dauer. Desto mehr liebt<lb/>
man es, sich auf Kirchhöfen, auf Wiesen, an schattigen Baumplätzen, in'der<lb/>
Nähe kühler Brunnen zusammenzufinden. Hörten Sie noch nie von Kmhat-<lb/>
Hane oder den süßen Gewässern von Europa, noch nicht von denen aus Asten<lb/>
'''''''"'</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 38* -</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0307] stets den Grundton angibt, so streng aromatisch und zugleich lieblich ist er! Nachdem gestern und vorgestern ein wahrhaft orkanartiger Sturm gewüthet und windgejagte Wolken ohne Unterlaß über den Himmel hintrieben, haben wir heute nach langer Zeit zum ersten Mal wiederum ein weites Gewölbe von Azurblau vom Olymp her bis zum schwarzen Meere hin über uns. Die auf¬ gerüttelten Fluten der Marmorasee, die in der Nacht noch die Fittige der Bora schlugen, sind während der ersten Morgenstunden in stets flacher und flacher gehenden Wellen gegen das User hinausgerollt, Hunderte jener blitzes- schneller Kalks,, mit zwei/ drei, vier oder fünf Ruderern am Bord fliegen von einem Gestade zum andern, von Asien nach Europa und umgekehrt, und durch sie hindurch, majestätisch, aber nicht minder schnell ziehen die stolzen Dampfer, theils den Bosporus hinan zum schwarzen Meere, theils in entgegengesetzter Richtung, den Prinzeninseln zu. 'Es ist eine sern gelegene, aber bewegte Scene, die ich eben,/ vom Fenster meines Arbeitszimmers hinaus- schauend, Ihnen schildere. Aber über alles lebhast ist die Pracht der Beleuch¬ tung, der grelle, zauberhafte Contrast der Farben. Sehen Sie nur diese tief¬ blaue Meeresflut, die von den grünen Ufern wie von smaragdenem Kranze eingefaßt wird, diesen riesigen Schneeglctscher (den Olymp) im Hintergrunde und im näheren Umkreise aneinandergereiht die Gestade des Bospors,' Sku- tari, die Prinzeninseln, der Cypressenwald, welcher leider die Spitze des Serails mir zudeckt und hinter dem goldenen Horn aufragend das Häusermeer des un¬ ermeßlichen Stambul! Wie glänzen alle Berge ringsum im Schmuck .des frischen, sammetartigen Rasens, wie dunkel stechen dagegen die Höhen des Kaisch-Dagh ab, der seine Gipfel rückwärts, hinter dem nahen Bulgurlu emporstreckt, wie scheint der helle Sonnenschein alles verklärt und verzaubert zu haben! Solche Tage, wie der heutige, sind die Festtage der hiesigen Natur. Die Bevölkerung von Pera, welche immer aufgelegt ist, zu genießen und den Ge¬ nuß zu suchen, wo er sich bietet, desgleichen die Türken und Griechen strömen in Scharen theils zu den Anlandeplätzen, wo man dicht nebeneinander fünfzig Kalks und mehr geschart steht, theils zu den Orten, an denen die Arabatschis (Kutscher) ihre Fuhrwerke mit dem lauten Ruf: Araba, Araba! aufbieten, oder sie promeniren auf den Wegen, die sich ins Freie hin öffnen. Ver¬ gnügungsorte in unsrem Sinne, Thee- und Kaffeegarten gibt es nicht; wenn auch hier und dort ein Versuch sie einzuführen mit mehr oder weniger Glück gemacht wurde, wie noch jüngst in Pera, sind diese modern fränkischen In¬ stitutionen dennoch in der Regel nur von kurzer Dauer. Desto mehr liebt man es, sich auf Kirchhöfen, auf Wiesen, an schattigen Baumplätzen, in'der Nähe kühler Brunnen zusammenzufinden. Hörten Sie noch nie von Kmhat- Hane oder den süßen Gewässern von Europa, noch nicht von denen aus Asten '''''''"' 38* -

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/306
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/306>, abgerufen am 06.05.2024.