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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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liehen auf sich> nimmt, um seinen Ueberzeugungen treuzubleiben, das führt
zu den seltsamsten Erscheinungen, die ebenso den Psychologen, wie den Ge¬
schichtsforscher beschäftigen müssen. Während in der Masse bei einer solchen
Richtung nur der dunkle mit sich selbst übereinstimmende Jnstinct sich gegen die
herrschende Bildung empört, tritt in diesem Falle in die neugewonnene Ueber¬
zeugung ein Moment der Reflexion ein, das zuweilen einen höchst wunder¬
lichen Eindruck macht. Daß der hoffnungsvolle Sohn eines bei Hofe wohl¬
angeschriebenen Admirals einer schwärmerischen und dem Anscheine nach staats¬
gefährlichen Richtung sich anschloß, konnte ihm von seiner Familie zwar schwer
verdacht, aber doch vergeben werden, solange in diesem Widerstande etwas
Ritterliches lag. Daß er sich daneben aber auch noch die äußeren Formen
dieser Secte aneignete, daß er am Hofe und selbst vor dem König beständig
den Hut auf dem Kopfe behielt und alle Welt dutzte; daß nicht nur der-Pöbel/
sondern seine Standesgenossen ihm überall mit Hohn und Spott folgten, das
mußte ihn in den Augen seiner ehrgeizigen Familie so herabsetzen, daß nur
ein eiserner Wille, eine unbeugsame, ausdauernde Entschlossenheit und daneben
ein kalter, nie in Verwirrung zu setzender Verstand ihn in der Gesellschaft
wieder rehabilitiren konnte. Und daß ihm das auf das vollständigste gelungen
ist, macht seinem Charakter wie seiner Einsicht alle Ehre. Trotz, jener barocken
Formen wußte er unter Umständen den Hofmann, den Cavalier, den Rechts-
gelehrten mit großem Erfolge hervorzukehren, und während er auf der einen
Seite mit rührender Einfalt und Hingebung sein ganzes Vermögen für seine
Sache aufopferte, entwickelte er auf der andern eine Umsicht, Kälte und Ver¬
schlagenheit, die dem besten Diplomaten Ehre gemacht haben würde. Ob eine
so seltene Vereinigung ausgezeichneter Eigenschaften sich nicht auf einen natür¬
licheren Wege hätte Geltung verschaffen können, diese Frage müssen wir hier
beseitigen, da wir sonst unsre Kritik an die Thatsachen selbst legen müßten.

Die zweite Seite des Gemäldes ist aber wichtiger. Perus Stellung rich¬
tiger zu würdigen, müssen wir unsern Blick auf Amerika werfen, wo sich unter
seiner mittelbaren und unmittelbaren Leitung ein Staatsleben entwickelte, das
nicht" Nur einen der wesentlichsten Grundsteine sür die spätere Befreiung der
Colonien gebildet hat, sondern das gleich bei seinem Ursprünge eine viel edlere,
menschlichere und verständigere Form annahm, als die übrigen Ansiedlungen.
Zu diesem Erfolge war nun das schwärmerische Moment der neuen Lehre ein
unentbehrliches Erforderniß. Nur ein erhöhter und gesteigerter Glaube konnte
den englischen Eichenhcrzen jenen Abscheu vor dem Menschenblut einflößen,
die den Quäkern eine so würdige und edle Stellung gegenüber den Indianern
verschaffte. Das'hat den Quäkern in jener wilden Zeit eine historische Be¬
deutung gegeben, welche sie in unsern Tagen der allgemeinen Abschwächung
nicht mehr erlangen werden. Ein Verein wje der der Quäker kann nur. als


liehen auf sich> nimmt, um seinen Ueberzeugungen treuzubleiben, das führt
zu den seltsamsten Erscheinungen, die ebenso den Psychologen, wie den Ge¬
schichtsforscher beschäftigen müssen. Während in der Masse bei einer solchen
Richtung nur der dunkle mit sich selbst übereinstimmende Jnstinct sich gegen die
herrschende Bildung empört, tritt in diesem Falle in die neugewonnene Ueber¬
zeugung ein Moment der Reflexion ein, das zuweilen einen höchst wunder¬
lichen Eindruck macht. Daß der hoffnungsvolle Sohn eines bei Hofe wohl¬
angeschriebenen Admirals einer schwärmerischen und dem Anscheine nach staats¬
gefährlichen Richtung sich anschloß, konnte ihm von seiner Familie zwar schwer
verdacht, aber doch vergeben werden, solange in diesem Widerstande etwas
Ritterliches lag. Daß er sich daneben aber auch noch die äußeren Formen
dieser Secte aneignete, daß er am Hofe und selbst vor dem König beständig
den Hut auf dem Kopfe behielt und alle Welt dutzte; daß nicht nur der-Pöbel/
sondern seine Standesgenossen ihm überall mit Hohn und Spott folgten, das
mußte ihn in den Augen seiner ehrgeizigen Familie so herabsetzen, daß nur
ein eiserner Wille, eine unbeugsame, ausdauernde Entschlossenheit und daneben
ein kalter, nie in Verwirrung zu setzender Verstand ihn in der Gesellschaft
wieder rehabilitiren konnte. Und daß ihm das auf das vollständigste gelungen
ist, macht seinem Charakter wie seiner Einsicht alle Ehre. Trotz, jener barocken
Formen wußte er unter Umständen den Hofmann, den Cavalier, den Rechts-
gelehrten mit großem Erfolge hervorzukehren, und während er auf der einen
Seite mit rührender Einfalt und Hingebung sein ganzes Vermögen für seine
Sache aufopferte, entwickelte er auf der andern eine Umsicht, Kälte und Ver¬
schlagenheit, die dem besten Diplomaten Ehre gemacht haben würde. Ob eine
so seltene Vereinigung ausgezeichneter Eigenschaften sich nicht auf einen natür¬
licheren Wege hätte Geltung verschaffen können, diese Frage müssen wir hier
beseitigen, da wir sonst unsre Kritik an die Thatsachen selbst legen müßten.

Die zweite Seite des Gemäldes ist aber wichtiger. Perus Stellung rich¬
tiger zu würdigen, müssen wir unsern Blick auf Amerika werfen, wo sich unter
seiner mittelbaren und unmittelbaren Leitung ein Staatsleben entwickelte, das
nicht« Nur einen der wesentlichsten Grundsteine sür die spätere Befreiung der
Colonien gebildet hat, sondern das gleich bei seinem Ursprünge eine viel edlere,
menschlichere und verständigere Form annahm, als die übrigen Ansiedlungen.
Zu diesem Erfolge war nun das schwärmerische Moment der neuen Lehre ein
unentbehrliches Erforderniß. Nur ein erhöhter und gesteigerter Glaube konnte
den englischen Eichenhcrzen jenen Abscheu vor dem Menschenblut einflößen,
die den Quäkern eine so würdige und edle Stellung gegenüber den Indianern
verschaffte. Das'hat den Quäkern in jener wilden Zeit eine historische Be¬
deutung gegeben, welche sie in unsern Tagen der allgemeinen Abschwächung
nicht mehr erlangen werden. Ein Verein wje der der Quäker kann nur. als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/390>, abgerufen am 06.05.2024.