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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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wieder: "Der überselige Bräutigam schwamm in einem Meer voll Wonne. Auch
Emmas reizendes Gesicht strahlte in stiller Heiterkeit und die kußgerechten Lippen
zuckten zuweilen in Lachreiz und zeigten der Perlenzähue uutadelhafte Reihen,
leuchtendes Elfenbein zwischen schwellendem Purpur." Sodann: "Heiter und
rosig entwand sich der junge Morgen den schlummerfesselndeu traumumspinuenden
Armen der Nacht und schaute sich mit den klaren Augen um, ob auch alles wach
sei und freudig gerüstet zum Tagewerk. Kofent und schmeichelnd berührten seine
Lippen die Fluten des Elbstrvms, der unwirsch und mürrisch von der gestrigen
Anstrengung vielleicht noch schlaftrunken die nassen Glieder dehnte und eine weite
graue Decke über sie gespannt hielt, daß der Strahl der Morgenröthe nicht sein
Antlitz blende. Doch nicht lange widerstand der Grollende der freundlichen
LiebeSbitte, linde Lüftchen küßte" die Krystallnugen munter, daß sie bald hell¬
glänzend strahlten und zogen den feuchten Dunstüberwurf leise mit sich hinweg
"ud führten ihn hoch hinauf in deu blauen Aether u. f. w." Daß dieser Ton
nicht der eines VoltSgemäldcs ist, wird man uns wol zugeben, aber wir finden
auch nicht, daß der Inhalt zu diesem Titel berechtigt. Die handelnden Personen
sind nämlich theils vornehme Leute von ziemlich blastrter Art, theils Gaukler, die
durch sehr schreckliche und tragische Schicksale ins Unglück gekommen sind. In
einzelnen Kraftscenen wird die Erfindungsgabe Eugen Sues noch überboten. Nur
ein Beispiel. Ein Mann aus den gebildeten Classen muß wegen eines Duells
flüchten, er tritt in einer Menagerie als Neuseeländer in Dienst und muß täglich
vor deu, Augen des Publicums lebendige Vogel fressen und nach der Scheibe
schießen. Die Frau des Menageriebesitzers liebt ihn und vergiftet deshalb ihren
Mann, halb und halb mit Beiwissen des Geliebten. Einmal steht der Neuseeländer,
als er gerade einem Huhn das Blut ausgesogen, im Publicum eine ehemalige Ge¬
liebte ans den höheren Ständen, er wird infolge dessen grimmig und hat mit
seiner wilden Freundin nach Abgang des Publicums bei Nacht eine sehr heftige
Scene, wo diese durch seine Vorwürfe so gereizt wird, daß sie den Käfig des
Löwen aufreißt, um sich mit ihrem Liebhaber von demselben verzehren zu lassen.
Der Löwe springt auch ans sie zu und trifft die. nöthigen Anstalten, allein
durch den starren Blick des Neuseeländers wird er in seinen Käfig zurückgetrieben.
Zeuge dieser gauzen Scene ist ein blastrter Herr, ein alter Todfeind des letztern,
der jenes Duell mit ihm gehabt, und der nun unter dein Parquetbooen, auf dem
das Ganze vorgeht, im Starrkrampf zusammengekauert liegt^ Als er nach einiger
Zeit vom Publicum aus seinen Feind mit Hohn und Spott überhäuft, schießt
dieser ihm den Pfeil durchs "Herz und entflieht dann in wilden Sprüngen mit
seiner Freundin, der Löwenbändigerin, vom Publicum als ein Wahnsinniger an¬
gesehen. --


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wieder: „Der überselige Bräutigam schwamm in einem Meer voll Wonne. Auch
Emmas reizendes Gesicht strahlte in stiller Heiterkeit und die kußgerechten Lippen
zuckten zuweilen in Lachreiz und zeigten der Perlenzähue uutadelhafte Reihen,
leuchtendes Elfenbein zwischen schwellendem Purpur." Sodann: „Heiter und
rosig entwand sich der junge Morgen den schlummerfesselndeu traumumspinuenden
Armen der Nacht und schaute sich mit den klaren Augen um, ob auch alles wach
sei und freudig gerüstet zum Tagewerk. Kofent und schmeichelnd berührten seine
Lippen die Fluten des Elbstrvms, der unwirsch und mürrisch von der gestrigen
Anstrengung vielleicht noch schlaftrunken die nassen Glieder dehnte und eine weite
graue Decke über sie gespannt hielt, daß der Strahl der Morgenröthe nicht sein
Antlitz blende. Doch nicht lange widerstand der Grollende der freundlichen
LiebeSbitte, linde Lüftchen küßte» die Krystallnugen munter, daß sie bald hell¬
glänzend strahlten und zogen den feuchten Dunstüberwurf leise mit sich hinweg
»ud führten ihn hoch hinauf in deu blauen Aether u. f. w." Daß dieser Ton
nicht der eines VoltSgemäldcs ist, wird man uns wol zugeben, aber wir finden
auch nicht, daß der Inhalt zu diesem Titel berechtigt. Die handelnden Personen
sind nämlich theils vornehme Leute von ziemlich blastrter Art, theils Gaukler, die
durch sehr schreckliche und tragische Schicksale ins Unglück gekommen sind. In
einzelnen Kraftscenen wird die Erfindungsgabe Eugen Sues noch überboten. Nur
ein Beispiel. Ein Mann aus den gebildeten Classen muß wegen eines Duells
flüchten, er tritt in einer Menagerie als Neuseeländer in Dienst und muß täglich
vor deu, Augen des Publicums lebendige Vogel fressen und nach der Scheibe
schießen. Die Frau des Menageriebesitzers liebt ihn und vergiftet deshalb ihren
Mann, halb und halb mit Beiwissen des Geliebten. Einmal steht der Neuseeländer,
als er gerade einem Huhn das Blut ausgesogen, im Publicum eine ehemalige Ge¬
liebte ans den höheren Ständen, er wird infolge dessen grimmig und hat mit
seiner wilden Freundin nach Abgang des Publicums bei Nacht eine sehr heftige
Scene, wo diese durch seine Vorwürfe so gereizt wird, daß sie den Käfig des
Löwen aufreißt, um sich mit ihrem Liebhaber von demselben verzehren zu lassen.
Der Löwe springt auch ans sie zu und trifft die. nöthigen Anstalten, allein
durch den starren Blick des Neuseeländers wird er in seinen Käfig zurückgetrieben.
Zeuge dieser gauzen Scene ist ein blastrter Herr, ein alter Todfeind des letztern,
der jenes Duell mit ihm gehabt, und der nun unter dein Parquetbooen, auf dem
das Ganze vorgeht, im Starrkrampf zusammengekauert liegt^ Als er nach einiger
Zeit vom Publicum aus seinen Feind mit Hohn und Spott überhäuft, schießt
dieser ihm den Pfeil durchs "Herz und entflieht dann in wilden Sprüngen mit
seiner Freundin, der Löwenbändigerin, vom Publicum als ein Wahnsinniger an¬
gesehen. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/98>, abgerufen am 06.05.2024.