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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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die Gesetzgebung zu verbessern müsse man die Verfassung verbessern, und von
dieser Ueberzeugung wäre der Schritt zum Liberalismus nicht mehr sehr groß.

Unter den Vorschlägen für die Abhilfe der Armuth treten die über die
Einrichtung besserer Baulichkeiten hervor. In dieser Beziehung verweisen wir
unsre Leser auf zwei ältere Schriften vom Bauinspector W. Emmich: "Ueber
die Maßregeln zur Anordnung der Baulichkeiten in Bezug auf die Förderung
des Gesundheitzustandes der Menschen überhaupt, sowie über die bestehende
und wünschenswert!)": Einwirkung der Medieinalbaupolizei im preußischen Staate
insbesondere"; "über verschiedene Uebelstände und Bedürfnisse für die Erhal¬
tung der kleineren Gewerbtreibenden, sowie über die Mittel zur Verminderung
des Proletariats." Die erste Abhandlung steht in dem rombergschen Journal
für praktische Baukunst, die andere in den Mittheilungen des Centralvereins
für das Wohl der arbeitenden Classen in Berlin. Beide geben zugleich einen
angemessenen Maßstab, die huberschen Vorschläge zu beurtheilen. -- Als ein
weiteres Zeichen der Zeit erwähnen wir die Schrift:


Die Umkehr der Wissenschaft in Preußen. Mit besonderer Beziehung
auf Stahl, und auf die Erwiderungen seiner Gegner, Prof. Braniß in
Breslau und Prof. Erdmann in Halle. Ein Beitrag zur neuesten
Culturgeschichte von F. H. Tb. Allihn, Doctor der Philosophie. Berlin,
H. Schindler. --

Der Verfasser ist in kirchlicher wie in politischer Beziehung streng conser-
vativ, aber er verabscheut die sophistische Art und Weise, wie von der Neu-
schellingschen Schule der politische Gedanke ins Romantische gezogen wird,
und spricht sich sehr entschieden für das aus, was man im gewöhnlichen Leben
gesunden Menschenverstand nennt. Wir führen das Buch als einen Beleg
dafür an, daß auf der rechten Seite zwischen den Praktikern und den Doktri¬
närs die Uebereinstimmung doch nicht so groß ist, als es aussteht. Sonst
möchten wir den verehrten Verfasser, dessen Stellung in der Theologie eine sehr
geachtete sein mag, das Recht, über philosophische Schriften zu urtheilen, nicht
beimessen. Seine logischen Deductionen können wir höchstens als spaßhaft be¬
zeichnen; wer den Ausdruck zu stark finden sollte, lese z. B. S. 217 die Paral¬
lele zwischen der Philosophie und dem Kornwucher. Es ist merkwürdig, was
in unserm angeblich philosophischen Zeitalter noch alles geschrieben werden
kann. --

In vollem Ernst dagegen und mit großem Nachdruck erwähnen wir zwei
auf das praktische Leben bezügliche Schriften:


Die preußische Landwehr, was daran getadelt wurde, was davon in
Bayern anwendbar. Nachtrag zur Schrift: Die Armee als militärische
Bildungsanstalt der Nation von Freiherr" von Closen. München, I. Palus
Hofbuchhandlung. --

die Gesetzgebung zu verbessern müsse man die Verfassung verbessern, und von
dieser Ueberzeugung wäre der Schritt zum Liberalismus nicht mehr sehr groß.

Unter den Vorschlägen für die Abhilfe der Armuth treten die über die
Einrichtung besserer Baulichkeiten hervor. In dieser Beziehung verweisen wir
unsre Leser auf zwei ältere Schriften vom Bauinspector W. Emmich: „Ueber
die Maßregeln zur Anordnung der Baulichkeiten in Bezug auf die Förderung
des Gesundheitzustandes der Menschen überhaupt, sowie über die bestehende
und wünschenswert!)«: Einwirkung der Medieinalbaupolizei im preußischen Staate
insbesondere"; „über verschiedene Uebelstände und Bedürfnisse für die Erhal¬
tung der kleineren Gewerbtreibenden, sowie über die Mittel zur Verminderung
des Proletariats." Die erste Abhandlung steht in dem rombergschen Journal
für praktische Baukunst, die andere in den Mittheilungen des Centralvereins
für das Wohl der arbeitenden Classen in Berlin. Beide geben zugleich einen
angemessenen Maßstab, die huberschen Vorschläge zu beurtheilen. — Als ein
weiteres Zeichen der Zeit erwähnen wir die Schrift:


Die Umkehr der Wissenschaft in Preußen. Mit besonderer Beziehung
auf Stahl, und auf die Erwiderungen seiner Gegner, Prof. Braniß in
Breslau und Prof. Erdmann in Halle. Ein Beitrag zur neuesten
Culturgeschichte von F. H. Tb. Allihn, Doctor der Philosophie. Berlin,
H. Schindler. —

Der Verfasser ist in kirchlicher wie in politischer Beziehung streng conser-
vativ, aber er verabscheut die sophistische Art und Weise, wie von der Neu-
schellingschen Schule der politische Gedanke ins Romantische gezogen wird,
und spricht sich sehr entschieden für das aus, was man im gewöhnlichen Leben
gesunden Menschenverstand nennt. Wir führen das Buch als einen Beleg
dafür an, daß auf der rechten Seite zwischen den Praktikern und den Doktri¬
närs die Uebereinstimmung doch nicht so groß ist, als es aussteht. Sonst
möchten wir den verehrten Verfasser, dessen Stellung in der Theologie eine sehr
geachtete sein mag, das Recht, über philosophische Schriften zu urtheilen, nicht
beimessen. Seine logischen Deductionen können wir höchstens als spaßhaft be¬
zeichnen; wer den Ausdruck zu stark finden sollte, lese z. B. S. 217 die Paral¬
lele zwischen der Philosophie und dem Kornwucher. Es ist merkwürdig, was
in unserm angeblich philosophischen Zeitalter noch alles geschrieben werden
kann. —

In vollem Ernst dagegen und mit großem Nachdruck erwähnen wir zwei
auf das praktische Leben bezügliche Schriften:


Die preußische Landwehr, was daran getadelt wurde, was davon in
Bayern anwendbar. Nachtrag zur Schrift: Die Armee als militärische
Bildungsanstalt der Nation von Freiherr» von Closen. München, I. Palus
Hofbuchhandlung. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/135>, abgerufen am 27.04.2024.