Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Forschungen 1. Die Steuerfreiheit der Rittergüter und 2. die Entschci-
digungsflicht des Staates für Entziehung wohlerworbener Rechte betreffend.
(Mit besonderer Rücksicht ans die Verhältnisse des Herzogthum Sachsen-
Altenbnrg.) Von ni. Hesse, Herzoge. Sachs, Gerichtsamtmann. Eisenberg,
R. Schöne. --

Beide behandeln einen Gegenstand, der für die Entwicklung Deutschlands
nicht blos für die Zukunft, sondern in der Gegenwart von dem höchsten Inter¬
esse ist; beide sind durchaus in unserm Sinn geschrieben. Wir behalten uns
vor, auf den Gegenstand selbst ausführlicher einzugehen, und wenden uns hier
schließlich zu den Hoffnungen und Befürchtungen, welche der bevorstehende Zu¬
sammentritt der preußischen Kammer ip uns erregt.

Der Ausfall der Wahlen im Ganzen macht einen betrübenden Eindruck.
Wenn auch von Seiten der Localbehörden die Wahlen in einer Weise beein¬
flußt sein sollten, die gegen den Buchstaben oder wenigstens gegen den Geist
der Verfassung streitet, was wir bis zum Ergebniß der Wahluntersuchungen
innerhalb der Kammer dahingestellt sein lassen müssen, so würde auch das die
Wähler nicht rechtfertigen, denn directe Drohungen oder Versprechungen konnten
doch nur gegen die Beamten ausgeübt werden, die immer nur einen sehr kleinen
Theil der Urwählerschaft ausmachen. Lebte im Volk eine klare, feste und un¬
erschütterliche Ueberzeugung von dem, was es für gut und nützlich hält, so
würden solche Einflüsse spurlos vorübergehen. Eine viel schlimmere Wirkung
haben die frühern demokratischen Blätter ausgeübt, die seit sechs Jahren un¬
ermüdlich direct oder indirect die Ansicht gepredigt haben, auf die Zusammen¬
setzung der Kammern käme es nicht an >und kein wahrhaft Freisinniger dürfe
sich an denselben betheiligen. Wenn sie heute das Entgegengesetzte predigen,
so finden sie begreiflicherweise keinen Glauben mehr.

Wir sprachen von den ehemals demokratischen Blättern, und wir rechnen
dazu vor allen die Nationalzeitung. Dieses höchst verbreitete und einflußreiche
Blatt hat sich noch vor einigen Tagen als Organ der Demokratie gerirt; seit
der Sonntagsnummer aber, wo sie zu Königs Geburtstag eine Art Glaubens-
bekenntniß veröffentlicht hat, würde sie durch diese Bezeichnung bei allen An¬
hängern der ehemaligen Demokratie nur noch Gelächter erregen. Wir nehmen
Act von diesem Glaubensbekenntniß , welches nicht nur entschieden royalistisch
ist, welches nicht nur das Jahr 186 8 als eine nichtssagende Episode völlig
übergeht, sondern mit ausdrücklichen Worten die gegenwärtige preußische Ver¬
fassung als eine organische Entwicklung der königlichen Ideen bezeichnet, die
ihren ersten umfassenden Ausdruck im vereinigten Landtag von 18i7 fanden,
und die Deputirten ermahnt, in diesem realistischen Sinne an der weiteren
Entwicklung zu arbeiten. Damit ist also diejenige Partei, welche in der zweiten
Kammer von 1849 den Saal verließ, als Herr von Bodelschwingh das aus


Forschungen 1. Die Steuerfreiheit der Rittergüter und 2. die Entschci-
digungsflicht des Staates für Entziehung wohlerworbener Rechte betreffend.
(Mit besonderer Rücksicht ans die Verhältnisse des Herzogthum Sachsen-
Altenbnrg.) Von ni. Hesse, Herzoge. Sachs, Gerichtsamtmann. Eisenberg,
R. Schöne. —

Beide behandeln einen Gegenstand, der für die Entwicklung Deutschlands
nicht blos für die Zukunft, sondern in der Gegenwart von dem höchsten Inter¬
esse ist; beide sind durchaus in unserm Sinn geschrieben. Wir behalten uns
vor, auf den Gegenstand selbst ausführlicher einzugehen, und wenden uns hier
schließlich zu den Hoffnungen und Befürchtungen, welche der bevorstehende Zu¬
sammentritt der preußischen Kammer ip uns erregt.

Der Ausfall der Wahlen im Ganzen macht einen betrübenden Eindruck.
Wenn auch von Seiten der Localbehörden die Wahlen in einer Weise beein¬
flußt sein sollten, die gegen den Buchstaben oder wenigstens gegen den Geist
der Verfassung streitet, was wir bis zum Ergebniß der Wahluntersuchungen
innerhalb der Kammer dahingestellt sein lassen müssen, so würde auch das die
Wähler nicht rechtfertigen, denn directe Drohungen oder Versprechungen konnten
doch nur gegen die Beamten ausgeübt werden, die immer nur einen sehr kleinen
Theil der Urwählerschaft ausmachen. Lebte im Volk eine klare, feste und un¬
erschütterliche Ueberzeugung von dem, was es für gut und nützlich hält, so
würden solche Einflüsse spurlos vorübergehen. Eine viel schlimmere Wirkung
haben die frühern demokratischen Blätter ausgeübt, die seit sechs Jahren un¬
ermüdlich direct oder indirect die Ansicht gepredigt haben, auf die Zusammen¬
setzung der Kammern käme es nicht an >und kein wahrhaft Freisinniger dürfe
sich an denselben betheiligen. Wenn sie heute das Entgegengesetzte predigen,
so finden sie begreiflicherweise keinen Glauben mehr.

Wir sprachen von den ehemals demokratischen Blättern, und wir rechnen
dazu vor allen die Nationalzeitung. Dieses höchst verbreitete und einflußreiche
Blatt hat sich noch vor einigen Tagen als Organ der Demokratie gerirt; seit
der Sonntagsnummer aber, wo sie zu Königs Geburtstag eine Art Glaubens-
bekenntniß veröffentlicht hat, würde sie durch diese Bezeichnung bei allen An¬
hängern der ehemaligen Demokratie nur noch Gelächter erregen. Wir nehmen
Act von diesem Glaubensbekenntniß , welches nicht nur entschieden royalistisch
ist, welches nicht nur das Jahr 186 8 als eine nichtssagende Episode völlig
übergeht, sondern mit ausdrücklichen Worten die gegenwärtige preußische Ver¬
fassung als eine organische Entwicklung der königlichen Ideen bezeichnet, die
ihren ersten umfassenden Ausdruck im vereinigten Landtag von 18i7 fanden,
und die Deputirten ermahnt, in diesem realistischen Sinne an der weiteren
Entwicklung zu arbeiten. Damit ist also diejenige Partei, welche in der zweiten
Kammer von 1849 den Saal verließ, als Herr von Bodelschwingh das aus


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100590"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Forschungen 1. Die Steuerfreiheit der Rittergüter und 2. die Entschci-<lb/>
digungsflicht des Staates für Entziehung wohlerworbener Rechte betreffend.<lb/>
(Mit besonderer Rücksicht ans die Verhältnisse des Herzogthum Sachsen-<lb/>
Altenbnrg.) Von ni. Hesse, Herzoge. Sachs, Gerichtsamtmann. Eisenberg,<lb/>
R. Schöne. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_399"> Beide behandeln einen Gegenstand, der für die Entwicklung Deutschlands<lb/>
nicht blos für die Zukunft, sondern in der Gegenwart von dem höchsten Inter¬<lb/>
esse ist; beide sind durchaus in unserm Sinn geschrieben. Wir behalten uns<lb/>
vor, auf den Gegenstand selbst ausführlicher einzugehen, und wenden uns hier<lb/>
schließlich zu den Hoffnungen und Befürchtungen, welche der bevorstehende Zu¬<lb/>
sammentritt der preußischen Kammer ip uns erregt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_400"> Der Ausfall der Wahlen im Ganzen macht einen betrübenden Eindruck.<lb/>
Wenn auch von Seiten der Localbehörden die Wahlen in einer Weise beein¬<lb/>
flußt sein sollten, die gegen den Buchstaben oder wenigstens gegen den Geist<lb/>
der Verfassung streitet, was wir bis zum Ergebniß der Wahluntersuchungen<lb/>
innerhalb der Kammer dahingestellt sein lassen müssen, so würde auch das die<lb/>
Wähler nicht rechtfertigen, denn directe Drohungen oder Versprechungen konnten<lb/>
doch nur gegen die Beamten ausgeübt werden, die immer nur einen sehr kleinen<lb/>
Theil der Urwählerschaft ausmachen. Lebte im Volk eine klare, feste und un¬<lb/>
erschütterliche Ueberzeugung von dem, was es für gut und nützlich hält, so<lb/>
würden solche Einflüsse spurlos vorübergehen. Eine viel schlimmere Wirkung<lb/>
haben die frühern demokratischen Blätter ausgeübt, die seit sechs Jahren un¬<lb/>
ermüdlich direct oder indirect die Ansicht gepredigt haben, auf die Zusammen¬<lb/>
setzung der Kammern käme es nicht an &gt;und kein wahrhaft Freisinniger dürfe<lb/>
sich an denselben betheiligen. Wenn sie heute das Entgegengesetzte predigen,<lb/>
so finden sie begreiflicherweise keinen Glauben mehr.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_401" next="#ID_402"> Wir sprachen von den ehemals demokratischen Blättern, und wir rechnen<lb/>
dazu vor allen die Nationalzeitung. Dieses höchst verbreitete und einflußreiche<lb/>
Blatt hat sich noch vor einigen Tagen als Organ der Demokratie gerirt; seit<lb/>
der Sonntagsnummer aber, wo sie zu Königs Geburtstag eine Art Glaubens-<lb/>
bekenntniß veröffentlicht hat, würde sie durch diese Bezeichnung bei allen An¬<lb/>
hängern der ehemaligen Demokratie nur noch Gelächter erregen. Wir nehmen<lb/>
Act von diesem Glaubensbekenntniß , welches nicht nur entschieden royalistisch<lb/>
ist, welches nicht nur das Jahr 186 8 als eine nichtssagende Episode völlig<lb/>
übergeht, sondern mit ausdrücklichen Worten die gegenwärtige preußische Ver¬<lb/>
fassung als eine organische Entwicklung der königlichen Ideen bezeichnet, die<lb/>
ihren ersten umfassenden Ausdruck im vereinigten Landtag von 18i7 fanden,<lb/>
und die Deputirten ermahnt, in diesem realistischen Sinne an der weiteren<lb/>
Entwicklung zu arbeiten. Damit ist also diejenige Partei, welche in der zweiten<lb/>
Kammer von 1849 den Saal verließ, als Herr von Bodelschwingh das aus</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0136] Forschungen 1. Die Steuerfreiheit der Rittergüter und 2. die Entschci- digungsflicht des Staates für Entziehung wohlerworbener Rechte betreffend. (Mit besonderer Rücksicht ans die Verhältnisse des Herzogthum Sachsen- Altenbnrg.) Von ni. Hesse, Herzoge. Sachs, Gerichtsamtmann. Eisenberg, R. Schöne. — Beide behandeln einen Gegenstand, der für die Entwicklung Deutschlands nicht blos für die Zukunft, sondern in der Gegenwart von dem höchsten Inter¬ esse ist; beide sind durchaus in unserm Sinn geschrieben. Wir behalten uns vor, auf den Gegenstand selbst ausführlicher einzugehen, und wenden uns hier schließlich zu den Hoffnungen und Befürchtungen, welche der bevorstehende Zu¬ sammentritt der preußischen Kammer ip uns erregt. Der Ausfall der Wahlen im Ganzen macht einen betrübenden Eindruck. Wenn auch von Seiten der Localbehörden die Wahlen in einer Weise beein¬ flußt sein sollten, die gegen den Buchstaben oder wenigstens gegen den Geist der Verfassung streitet, was wir bis zum Ergebniß der Wahluntersuchungen innerhalb der Kammer dahingestellt sein lassen müssen, so würde auch das die Wähler nicht rechtfertigen, denn directe Drohungen oder Versprechungen konnten doch nur gegen die Beamten ausgeübt werden, die immer nur einen sehr kleinen Theil der Urwählerschaft ausmachen. Lebte im Volk eine klare, feste und un¬ erschütterliche Ueberzeugung von dem, was es für gut und nützlich hält, so würden solche Einflüsse spurlos vorübergehen. Eine viel schlimmere Wirkung haben die frühern demokratischen Blätter ausgeübt, die seit sechs Jahren un¬ ermüdlich direct oder indirect die Ansicht gepredigt haben, auf die Zusammen¬ setzung der Kammern käme es nicht an >und kein wahrhaft Freisinniger dürfe sich an denselben betheiligen. Wenn sie heute das Entgegengesetzte predigen, so finden sie begreiflicherweise keinen Glauben mehr. Wir sprachen von den ehemals demokratischen Blättern, und wir rechnen dazu vor allen die Nationalzeitung. Dieses höchst verbreitete und einflußreiche Blatt hat sich noch vor einigen Tagen als Organ der Demokratie gerirt; seit der Sonntagsnummer aber, wo sie zu Königs Geburtstag eine Art Glaubens- bekenntniß veröffentlicht hat, würde sie durch diese Bezeichnung bei allen An¬ hängern der ehemaligen Demokratie nur noch Gelächter erregen. Wir nehmen Act von diesem Glaubensbekenntniß , welches nicht nur entschieden royalistisch ist, welches nicht nur das Jahr 186 8 als eine nichtssagende Episode völlig übergeht, sondern mit ausdrücklichen Worten die gegenwärtige preußische Ver¬ fassung als eine organische Entwicklung der königlichen Ideen bezeichnet, die ihren ersten umfassenden Ausdruck im vereinigten Landtag von 18i7 fanden, und die Deputirten ermahnt, in diesem realistischen Sinne an der weiteren Entwicklung zu arbeiten. Damit ist also diejenige Partei, welche in der zweiten Kammer von 1849 den Saal verließ, als Herr von Bodelschwingh das aus

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/136
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/136>, abgerufen am 27.04.2024.