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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Aber freilich ist die erste Bedingung für eine Besserung der deutschen
Verhältnisse in diesem Sinne, daß Preußen selbst erst wieder werde, was es
sein kann, ein Staat mit einem kräftigen Leben und einem energischen Willen.
Und von diesem Ziele ist es grade jetzt, wenn man seine innern Verhältnisse be¬
trachtet, weiter entfernt, als seit vielen Jahren. Preußen selbst hat nicht das
Recht, einen Anspruch zu erheben auf die Herrschaft über Deutschland, solange
an seinem eignen Hause noch soviel Mangel an männlichem Sinn, an Kraft
und an gesundem politischen Idealismus zu finden ist; und wenn es für den
deutschen Patrioten jetzt eine hohe Aufgabe gibt, so ist es die, vor allem den
Preußen ins Bewußtsein zu bringen, was sie für sich und für die übrigen
Deutschen sein sollen.

Unterdeß ist etwas Großes geschehen, um aus Abspannung und Schwäche
auch diesen Staat zu erheben: die Traditionen der Allianz mit dem kriegs¬
starken Rußland sind durch die Ereignisse zerstört.




Literatur.
Amerikanische Literatur,

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Sumiiel Knrcl. -- Ein seltsames Gemisch von Jagd- und Reiseabenteuern, die
mit derber Realität geschildert sind und phantastischen Erzählungen in geschickter
Darstellung bei denen man nicht immer sicher ist, ob der Verfasser Erträumtes
oder Erlebtes erzählt und das lebhast an Herrmann Melville und einige
Partien in Scalsfield erinnert. Waikna heißt in Mosquitosprache ein Mann
oder eine Nation von Männern, ein Name, den sich die Mosquitvindianer
selbst beilegen. Mr. Bart erzählt wunderbare Geschichten von einem Geheimbund,
der unter ihnen besteht, um die alte Herrlichkeit ihrer Nation, von der noch die
Trümmer gewaltiger Städte mitten im Urwald Zeugniß ablegen, wieder herzustellen
und ihre langjährige Unterdrückung an ihren Tyrannen, den Creolen der Küste, zu
rächen. An der Spitze dieses Geheimbundes steht Antonio, ein von dem Verfasser
mit großer Vorliebe idealisirtcr Jndianerjüngling, vorläufig noch halb sein Diener,
halb sein Freund, in Zukunft aber "der Tiger" Abkömmling des großen Baa-
lam Votan, Fürst der Jtzacsindianer, Träger des Nationaltalismans, des Herrn, der
niemals lügt," und der Rächer ihrer Jahrhunderte erduldeten Leiden. Er wandert
bei allen Jndianerstcimmen Mittelamerikas herum, um sie ans den bevorstehenden Auf¬
stand vorzubereiten und sührt Bart zu einer Seherin seiner Nation, die noch phan¬
tastischer, wie er selbst gezeichnet ist. Die Reisenden befanden sich in einem indianischen
Dorfe, an dem Flusse Bvcay, als Antonio, auf die gehnmnisivolle Botschaft einer alten
Indianerin, den Weg nach dem Urwald einschlug. "Es war Nacht, aber er folgte einem
Lichte, das nicht einer hellen Flamme, sondern mehr einer glühenden Kohle glich und bald
ganz nahe, bald in weiter Ferne zu glänzen schien. Der Pfad war schmal, aber
eben und ging rasch bergauf. Wol eine Halde Stunde lang behielten wir denselben


Aber freilich ist die erste Bedingung für eine Besserung der deutschen
Verhältnisse in diesem Sinne, daß Preußen selbst erst wieder werde, was es
sein kann, ein Staat mit einem kräftigen Leben und einem energischen Willen.
Und von diesem Ziele ist es grade jetzt, wenn man seine innern Verhältnisse be¬
trachtet, weiter entfernt, als seit vielen Jahren. Preußen selbst hat nicht das
Recht, einen Anspruch zu erheben auf die Herrschaft über Deutschland, solange
an seinem eignen Hause noch soviel Mangel an männlichem Sinn, an Kraft
und an gesundem politischen Idealismus zu finden ist; und wenn es für den
deutschen Patrioten jetzt eine hohe Aufgabe gibt, so ist es die, vor allem den
Preußen ins Bewußtsein zu bringen, was sie für sich und für die übrigen
Deutschen sein sollen.

Unterdeß ist etwas Großes geschehen, um aus Abspannung und Schwäche
auch diesen Staat zu erheben: die Traditionen der Allianz mit dem kriegs¬
starken Rußland sind durch die Ereignisse zerstört.




Literatur.
Amerikanische Literatur,

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Sumiiel Knrcl. — Ein seltsames Gemisch von Jagd- und Reiseabenteuern, die
mit derber Realität geschildert sind und phantastischen Erzählungen in geschickter
Darstellung bei denen man nicht immer sicher ist, ob der Verfasser Erträumtes
oder Erlebtes erzählt und das lebhast an Herrmann Melville und einige
Partien in Scalsfield erinnert. Waikna heißt in Mosquitosprache ein Mann
oder eine Nation von Männern, ein Name, den sich die Mosquitvindianer
selbst beilegen. Mr. Bart erzählt wunderbare Geschichten von einem Geheimbund,
der unter ihnen besteht, um die alte Herrlichkeit ihrer Nation, von der noch die
Trümmer gewaltiger Städte mitten im Urwald Zeugniß ablegen, wieder herzustellen
und ihre langjährige Unterdrückung an ihren Tyrannen, den Creolen der Küste, zu
rächen. An der Spitze dieses Geheimbundes steht Antonio, ein von dem Verfasser
mit großer Vorliebe idealisirtcr Jndianerjüngling, vorläufig noch halb sein Diener,
halb sein Freund, in Zukunft aber „der Tiger" Abkömmling des großen Baa-
lam Votan, Fürst der Jtzacsindianer, Träger des Nationaltalismans, des Herrn, der
niemals lügt," und der Rächer ihrer Jahrhunderte erduldeten Leiden. Er wandert
bei allen Jndianerstcimmen Mittelamerikas herum, um sie ans den bevorstehenden Auf¬
stand vorzubereiten und sührt Bart zu einer Seherin seiner Nation, die noch phan¬
tastischer, wie er selbst gezeichnet ist. Die Reisenden befanden sich in einem indianischen
Dorfe, an dem Flusse Bvcay, als Antonio, auf die gehnmnisivolle Botschaft einer alten
Indianerin, den Weg nach dem Urwald einschlug. „Es war Nacht, aber er folgte einem
Lichte, das nicht einer hellen Flamme, sondern mehr einer glühenden Kohle glich und bald
ganz nahe, bald in weiter Ferne zu glänzen schien. Der Pfad war schmal, aber
eben und ging rasch bergauf. Wol eine Halde Stunde lang behielten wir denselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/204>, abgerufen am 28.04.2024.