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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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beschäftige, die ohne ihn brotlos werden würden. Es wird der Beweis geführt,
welch ein großer Unterschied zwischen den durch die Arbeit geschaffenen Werthen
sei, der Unterschied, ob sie selbst wieder neue Werthe schaffen oder ob sie
ohne Vergrößerung des Nationalvermögens untergehen. Und wie im Haus¬
halt jedes Einzelnen, so wird auch im Haushalt des Staates unterschieden
zwischen einer erlaubten und unerlaubten Consumtion des öffentlichen Einkom¬
mens und zu der unerlaubten Consumtion wird vieles von dem gerechnet, was
jetzt durch Stolz und Eitelkeit der Regierenden, wie durch eine falsche Be¬
mühung , die Industrie zu beleben, verausgabt wird, z. B. der Lurus des
Hoses. "Je größer der Lurus des Hofes ist, umsomehr wird das Aufblühen
der Residenz befördert;" das ist ein sichtlicher, auch dem Blödester in die Augen
springender Vortheil. Die weit größern Nachtheile werden zwar schmerzlich
empfunden, aber man weiß nicht, lpoher sie kommen, man weiß nicht, daß
das Aufblühen der Residenz nur auf Kosten des übrigen Landes, der Pro¬
vinzen erfolgt, welche unter der Last der Steuern allmälig verarmen oder
doch an rascherem Aufblühen verhindert werden. Und wäre auch, was nicht
der Fall ist, der Gewinn auf einer Seite so groß, als der Verlust auf der
andern, ein Verlust ist unersetzlich, nämlich der Verlust der Güter, welche durch
den 'Lurus zerstört werden; denn jede Consumtion zerstört einen Werth und
wenn sie nicht nothwendig war, einen Werth, der durch reproductive Con¬
sumtion das Einkommen des Landes vermehrt haben würde."

Möge die ernste Lehre, welche aus dieser Schrift zu entnehmen ist, in
vielen Herzen eine gute Stätte finden. Wer dem arbeitsfähigen Armen Geld
als Almosen gibt, der macht ihn in der Regel schwächer und zur Arbeit un¬
fähig. Wer für die Beschäftigung der Arbeiter dadurch sorgt, daß er ihre Kraft
auf die Production todter und unnützer Werthe verwendet, der erhält zwar für
den Augenblick dem einzelnen Arbeiter den Schein eines gesunden Lebens, aber
er drückt den Arbeiterstand selbst herunter, denn er schwächt die letzte Quelle,
aus welcher alle Production sich nährt., die arbeitschaffende Kraft seines
Volkes. Ein geregelter Haushalt aber, Beschränkung aller unnützen Ausgaben
auf das Maß des nothwendigsten erhält uns in schwerer Zeit nicht nur das
eigne Leben fest und gesund, es hilft auch dazu, der arbeitenden Classe immer
größere und umfangreichere Thätigkeit und besseren Verdienst zu geben.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel.
'

-- Die letzten Tage find eben nicht
arm anNachrichten und Ereignissen gewesen, unter denen der Sieg der Osmanen
bei Kars über die Russe" (29. September) als das glänzendste strahlt; indeß knüpft
sich das überwiegende Interesse des Augenblicks an die Dinge, welche in der Ent-


beschäftige, die ohne ihn brotlos werden würden. Es wird der Beweis geführt,
welch ein großer Unterschied zwischen den durch die Arbeit geschaffenen Werthen
sei, der Unterschied, ob sie selbst wieder neue Werthe schaffen oder ob sie
ohne Vergrößerung des Nationalvermögens untergehen. Und wie im Haus¬
halt jedes Einzelnen, so wird auch im Haushalt des Staates unterschieden
zwischen einer erlaubten und unerlaubten Consumtion des öffentlichen Einkom¬
mens und zu der unerlaubten Consumtion wird vieles von dem gerechnet, was
jetzt durch Stolz und Eitelkeit der Regierenden, wie durch eine falsche Be¬
mühung , die Industrie zu beleben, verausgabt wird, z. B. der Lurus des
Hoses. „Je größer der Lurus des Hofes ist, umsomehr wird das Aufblühen
der Residenz befördert;" das ist ein sichtlicher, auch dem Blödester in die Augen
springender Vortheil. Die weit größern Nachtheile werden zwar schmerzlich
empfunden, aber man weiß nicht, lpoher sie kommen, man weiß nicht, daß
das Aufblühen der Residenz nur auf Kosten des übrigen Landes, der Pro¬
vinzen erfolgt, welche unter der Last der Steuern allmälig verarmen oder
doch an rascherem Aufblühen verhindert werden. Und wäre auch, was nicht
der Fall ist, der Gewinn auf einer Seite so groß, als der Verlust auf der
andern, ein Verlust ist unersetzlich, nämlich der Verlust der Güter, welche durch
den 'Lurus zerstört werden; denn jede Consumtion zerstört einen Werth und
wenn sie nicht nothwendig war, einen Werth, der durch reproductive Con¬
sumtion das Einkommen des Landes vermehrt haben würde."

Möge die ernste Lehre, welche aus dieser Schrift zu entnehmen ist, in
vielen Herzen eine gute Stätte finden. Wer dem arbeitsfähigen Armen Geld
als Almosen gibt, der macht ihn in der Regel schwächer und zur Arbeit un¬
fähig. Wer für die Beschäftigung der Arbeiter dadurch sorgt, daß er ihre Kraft
auf die Production todter und unnützer Werthe verwendet, der erhält zwar für
den Augenblick dem einzelnen Arbeiter den Schein eines gesunden Lebens, aber
er drückt den Arbeiterstand selbst herunter, denn er schwächt die letzte Quelle,
aus welcher alle Production sich nährt., die arbeitschaffende Kraft seines
Volkes. Ein geregelter Haushalt aber, Beschränkung aller unnützen Ausgaben
auf das Maß des nothwendigsten erhält uns in schwerer Zeit nicht nur das
eigne Leben fest und gesund, es hilft auch dazu, der arbeitenden Classe immer
größere und umfangreichere Thätigkeit und besseren Verdienst zu geben.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel.
'

— Die letzten Tage find eben nicht
arm anNachrichten und Ereignissen gewesen, unter denen der Sieg der Osmanen
bei Kars über die Russe» (29. September) als das glänzendste strahlt; indeß knüpft
sich das überwiegende Interesse des Augenblicks an die Dinge, welche in der Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/280>, abgerufen am 27.04.2024.