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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Messe haltenden Väter der Gesellschaft Jesu mögen nicht größere Anstrengungen
überwunden haben, als unsre geistlichen Jnspectoren. Auf den Dörfern wurden
mehre Reden und Ansprachen gehalten, dann weiter gefahren und die Mittel
der Aufnahme und Bewirthung waren mehrmals namentlich auf den Bauern-
dörfcrn über alle Erwartungen unzureichend. Ein Bauer äußerte sich sogar
nach dem Gottesdienst, er glaube nicht, daß die-Herrn auch aßen, sie nährten sich
wol nur vom himmlischen Brote. Diese Anstrengungen und Entsagungen fallen
jedoch weniger ins Gewicht, da die Visitatoren zu den besten Stellen berufen
werden und nebenbei Gelegenheit finden, über etwaige Vaeanzen die zuverlässig¬
sten Nachrichten einzuziehen. So avancirte der jetzige Generalsuperintendent in
Pommern ohne weiteres vom Stadtpfarrer zu seinem hohen Kirchcnamte; er
hatte bei einer Visitation im lichtfreundlichen Sachsen sich auch die Gunst
des Generalsuperintendenten Moeller erworben und dieser empfahl ihn beson¬
ders zu seiner neuen Stellung. Eine solche schnelle Carriere ist allerdings selten,
die Berufung der Visitatoren zu den fettesten Pfründen, zu den Stellen, in
welchen Milch und Honig fließt, ist wenigstens in Aussicht.

Ist nach alter kirchlicher Erklärung die Kirche eine von^rc-xatio sancloruur
und nicht blos eine eongrexaUo pastorum. so wird auch gegenüber der trau¬
rigen Reaction die Zeit nicht lange auf sich warten lassen, in welcher eine
Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse im Sinne und Geiste unsrer Bildung
sich Bahn bricht. Denn noch sitzt der Justus Moesersche Fürst der protestan¬
tischen Kirche, die Bibel, aus dem Throne, dieser Regent läßt jeden zu jeder Zeit
vor, beantwortet in verständlichen Deutsch die an ihn gerichteten Fragen, macht
keinen Aufwand und verfolgt niemanden, der seine Herrschaft noch nicht anerkennt.
Und dieses milde Regiment soll uns kein Teufel und kein Pietist umstürzen.




Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Braut und Bräutigam im 16. und 17. Jahrhundert.

Wie auch politische Ungunst und Verirrungen der Bildung das deutsche
Gemüthsleben zu Zeiten gestört daven, ein Heiligthum hat unsre Nation sich
immer bewahrt, wo die idealen Empfindungen des Einzelnen Zuflucht fanden:
die Familie, und eine Zeit im Leben des Menschen, wo seine erhöhte Stim¬
mung durch seine Umgebung mit achtungsvoller Freude gepflegt wurde: die
Zeit der Werbung und des Brautstandes. Es hat mehr als eine Periode in
der deutschen Geschichte, gegeben, wo Poesie, Begeisterung, Schönheit und
Freiheit nirgend anders zu finden waren, als in der Leidenschaft der Lieben-


Messe haltenden Väter der Gesellschaft Jesu mögen nicht größere Anstrengungen
überwunden haben, als unsre geistlichen Jnspectoren. Auf den Dörfern wurden
mehre Reden und Ansprachen gehalten, dann weiter gefahren und die Mittel
der Aufnahme und Bewirthung waren mehrmals namentlich auf den Bauern-
dörfcrn über alle Erwartungen unzureichend. Ein Bauer äußerte sich sogar
nach dem Gottesdienst, er glaube nicht, daß die-Herrn auch aßen, sie nährten sich
wol nur vom himmlischen Brote. Diese Anstrengungen und Entsagungen fallen
jedoch weniger ins Gewicht, da die Visitatoren zu den besten Stellen berufen
werden und nebenbei Gelegenheit finden, über etwaige Vaeanzen die zuverlässig¬
sten Nachrichten einzuziehen. So avancirte der jetzige Generalsuperintendent in
Pommern ohne weiteres vom Stadtpfarrer zu seinem hohen Kirchcnamte; er
hatte bei einer Visitation im lichtfreundlichen Sachsen sich auch die Gunst
des Generalsuperintendenten Moeller erworben und dieser empfahl ihn beson¬
ders zu seiner neuen Stellung. Eine solche schnelle Carriere ist allerdings selten,
die Berufung der Visitatoren zu den fettesten Pfründen, zu den Stellen, in
welchen Milch und Honig fließt, ist wenigstens in Aussicht.

Ist nach alter kirchlicher Erklärung die Kirche eine von^rc-xatio sancloruur
und nicht blos eine eongrexaUo pastorum. so wird auch gegenüber der trau¬
rigen Reaction die Zeit nicht lange auf sich warten lassen, in welcher eine
Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse im Sinne und Geiste unsrer Bildung
sich Bahn bricht. Denn noch sitzt der Justus Moesersche Fürst der protestan¬
tischen Kirche, die Bibel, aus dem Throne, dieser Regent läßt jeden zu jeder Zeit
vor, beantwortet in verständlichen Deutsch die an ihn gerichteten Fragen, macht
keinen Aufwand und verfolgt niemanden, der seine Herrschaft noch nicht anerkennt.
Und dieses milde Regiment soll uns kein Teufel und kein Pietist umstürzen.




Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Braut und Bräutigam im 16. und 17. Jahrhundert.

Wie auch politische Ungunst und Verirrungen der Bildung das deutsche
Gemüthsleben zu Zeiten gestört daven, ein Heiligthum hat unsre Nation sich
immer bewahrt, wo die idealen Empfindungen des Einzelnen Zuflucht fanden:
die Familie, und eine Zeit im Leben des Menschen, wo seine erhöhte Stim¬
mung durch seine Umgebung mit achtungsvoller Freude gepflegt wurde: die
Zeit der Werbung und des Brautstandes. Es hat mehr als eine Periode in
der deutschen Geschichte, gegeben, wo Poesie, Begeisterung, Schönheit und
Freiheit nirgend anders zu finden waren, als in der Leidenschaft der Lieben-


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[0338] Messe haltenden Väter der Gesellschaft Jesu mögen nicht größere Anstrengungen überwunden haben, als unsre geistlichen Jnspectoren. Auf den Dörfern wurden mehre Reden und Ansprachen gehalten, dann weiter gefahren und die Mittel der Aufnahme und Bewirthung waren mehrmals namentlich auf den Bauern- dörfcrn über alle Erwartungen unzureichend. Ein Bauer äußerte sich sogar nach dem Gottesdienst, er glaube nicht, daß die-Herrn auch aßen, sie nährten sich wol nur vom himmlischen Brote. Diese Anstrengungen und Entsagungen fallen jedoch weniger ins Gewicht, da die Visitatoren zu den besten Stellen berufen werden und nebenbei Gelegenheit finden, über etwaige Vaeanzen die zuverlässig¬ sten Nachrichten einzuziehen. So avancirte der jetzige Generalsuperintendent in Pommern ohne weiteres vom Stadtpfarrer zu seinem hohen Kirchcnamte; er hatte bei einer Visitation im lichtfreundlichen Sachsen sich auch die Gunst des Generalsuperintendenten Moeller erworben und dieser empfahl ihn beson¬ ders zu seiner neuen Stellung. Eine solche schnelle Carriere ist allerdings selten, die Berufung der Visitatoren zu den fettesten Pfründen, zu den Stellen, in welchen Milch und Honig fließt, ist wenigstens in Aussicht. Ist nach alter kirchlicher Erklärung die Kirche eine von^rc-xatio sancloruur und nicht blos eine eongrexaUo pastorum. so wird auch gegenüber der trau¬ rigen Reaction die Zeit nicht lange auf sich warten lassen, in welcher eine Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse im Sinne und Geiste unsrer Bildung sich Bahn bricht. Denn noch sitzt der Justus Moesersche Fürst der protestan¬ tischen Kirche, die Bibel, aus dem Throne, dieser Regent läßt jeden zu jeder Zeit vor, beantwortet in verständlichen Deutsch die an ihn gerichteten Fragen, macht keinen Aufwand und verfolgt niemanden, der seine Herrschaft noch nicht anerkennt. Und dieses milde Regiment soll uns kein Teufel und kein Pietist umstürzen. Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Braut und Bräutigam im 16. und 17. Jahrhundert. Wie auch politische Ungunst und Verirrungen der Bildung das deutsche Gemüthsleben zu Zeiten gestört daven, ein Heiligthum hat unsre Nation sich immer bewahrt, wo die idealen Empfindungen des Einzelnen Zuflucht fanden: die Familie, und eine Zeit im Leben des Menschen, wo seine erhöhte Stim¬ mung durch seine Umgebung mit achtungsvoller Freude gepflegt wurde: die Zeit der Werbung und des Brautstandes. Es hat mehr als eine Periode in der deutschen Geschichte, gegeben, wo Poesie, Begeisterung, Schönheit und Freiheit nirgend anders zu finden waren, als in der Leidenschaft der Lieben-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/338>, abgerufen am 27.04.2024.