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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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ten zu fügen, zerbrach sie den Arbeitern unter den Händen. Der Rechtsstreit
war damit zu Ende, und die Boeler mußten sich den Spitznamen "Fasten-,
biters", Fohlenbeißcr, gefallen lassen, der ihnen noch jetzt anhaftet.

Ob in dieser Anekdote die richtige Erklärung des Spottnamens enthalten
ist und ob derselbe nicht vielmehr in die Urzeit hinaufreicht und mit der Be¬
zeichnung der heidnisch gebliebenen Deutschen als "Pferdefleischesser" verwandt
ist, kann hier nicht untersucht werden. Alt aber ist die Geschichte jedenfalls.
Denn von der Dummheit, welche die boeler Bauern dabei bewiesen, ist schon
seit Menschengedenken keine Spur, mehr in dem Dorfe. Im Gegentheil, die
Leute sind dort von recht gescheidter und vernünftiger und namentlich in Rechts¬
sachen ungemein aufgeweckter Art. Da aber nichts zu nichts werden kann, und
die Dummheit gleich dem aus Besessenen flüchtenden Teufel doch irgend¬
wo bleiben muß, so und vermuthet, sie sei aus den Bauern in die Beamten
gefahren.




Korrespondenzen.
Allgemeine Kunstausstellung in Paris.
3.

-- Cornelius ist der dritte
unter den Siegern. Indem sie ihm die große Medaille zuspricht, hat die interna¬
tionale Jury sich auf den Standpunkt gestellt, den ein Areopag, der die ehren¬
volle Aufgabe hat, ganz Europa zu vertreten, niemals hätte verlassen dürfen.
Cornelius verdankt seine Erhebung ausschließlich dem Urtheile der Sachverständigen.
Vor einigen Jahren noch würde dieser Künstler hier unbeachtet geblieben sein, weil
die Bekanntschaft mit deutschem Wesen, so unvollkommen sie auch noch sein mag,
eben noch ganz nen ist. Die hiesigen Kunstkritiker, waren glücklicherweise nicht in
der Lage, das Werk unsres Meisters blos aus deu hicrhergesandten Cartons zu be¬
urtheilen, die meisten von ihnen kennen alles, was er gemacht. Die Franzosen sind
reiselustig geworden, sie haben den Schwarzwald entdeckt und es gehört jetzt zum
bon um unter den Feuilletonisten, während des Sommers Berichte aus irgendeinem
deutschen Bade zu datiren. Einmal aus Paris heraus scheut man auch die Mühe
einer Eisenbahntour durch das unbekannte Land nicht, und geschähe es auch blos,
um zu constatiren, daß es nirgend in der Welt ein zweites Paris gebe.

Von Cornelius auf Dccamp ist ein großer Sprung. Dieser Maler gehört zu
denjenigen, welche in Farbe und Licht ihr Element suchen und diese Lebensbedin-
gung in einer idealistischen Auffassung der Natur finden. Decamp ist Colorist,
unter seinem Pinsel ersteht alles' zu neuem Leben, was er berührt. Nichts ist ihm
zu genug, um durch seiue Kunst nicht geadelt zu werden, und nichts zu hoch, was
er nicht erreichen könnte. Er beklagt, daß er niemals Gelegenheit gehabt, sein
Talent an großer Decorationsmalerei versuchen zu können, da diese Effectmalerci
seinem Wesen am meisten entspreche. Wir glauben, daß er Recht hat, und wer die
Cymbcrnschlacht gesehen, wird dieses Gefühl theilen. Tausende von Figurchen be¬
wegen sich im bewegtesten Tumulte durcheinander, in einer aufsteigenden Land-


ten zu fügen, zerbrach sie den Arbeitern unter den Händen. Der Rechtsstreit
war damit zu Ende, und die Boeler mußten sich den Spitznamen „Fasten-,
biters", Fohlenbeißcr, gefallen lassen, der ihnen noch jetzt anhaftet.

Ob in dieser Anekdote die richtige Erklärung des Spottnamens enthalten
ist und ob derselbe nicht vielmehr in die Urzeit hinaufreicht und mit der Be¬
zeichnung der heidnisch gebliebenen Deutschen als „Pferdefleischesser" verwandt
ist, kann hier nicht untersucht werden. Alt aber ist die Geschichte jedenfalls.
Denn von der Dummheit, welche die boeler Bauern dabei bewiesen, ist schon
seit Menschengedenken keine Spur, mehr in dem Dorfe. Im Gegentheil, die
Leute sind dort von recht gescheidter und vernünftiger und namentlich in Rechts¬
sachen ungemein aufgeweckter Art. Da aber nichts zu nichts werden kann, und
die Dummheit gleich dem aus Besessenen flüchtenden Teufel doch irgend¬
wo bleiben muß, so und vermuthet, sie sei aus den Bauern in die Beamten
gefahren.




Korrespondenzen.
Allgemeine Kunstausstellung in Paris.
3.

— Cornelius ist der dritte
unter den Siegern. Indem sie ihm die große Medaille zuspricht, hat die interna¬
tionale Jury sich auf den Standpunkt gestellt, den ein Areopag, der die ehren¬
volle Aufgabe hat, ganz Europa zu vertreten, niemals hätte verlassen dürfen.
Cornelius verdankt seine Erhebung ausschließlich dem Urtheile der Sachverständigen.
Vor einigen Jahren noch würde dieser Künstler hier unbeachtet geblieben sein, weil
die Bekanntschaft mit deutschem Wesen, so unvollkommen sie auch noch sein mag,
eben noch ganz nen ist. Die hiesigen Kunstkritiker, waren glücklicherweise nicht in
der Lage, das Werk unsres Meisters blos aus deu hicrhergesandten Cartons zu be¬
urtheilen, die meisten von ihnen kennen alles, was er gemacht. Die Franzosen sind
reiselustig geworden, sie haben den Schwarzwald entdeckt und es gehört jetzt zum
bon um unter den Feuilletonisten, während des Sommers Berichte aus irgendeinem
deutschen Bade zu datiren. Einmal aus Paris heraus scheut man auch die Mühe
einer Eisenbahntour durch das unbekannte Land nicht, und geschähe es auch blos,
um zu constatiren, daß es nirgend in der Welt ein zweites Paris gebe.

Von Cornelius auf Dccamp ist ein großer Sprung. Dieser Maler gehört zu
denjenigen, welche in Farbe und Licht ihr Element suchen und diese Lebensbedin-
gung in einer idealistischen Auffassung der Natur finden. Decamp ist Colorist,
unter seinem Pinsel ersteht alles' zu neuem Leben, was er berührt. Nichts ist ihm
zu genug, um durch seiue Kunst nicht geadelt zu werden, und nichts zu hoch, was
er nicht erreichen könnte. Er beklagt, daß er niemals Gelegenheit gehabt, sein
Talent an großer Decorationsmalerei versuchen zu können, da diese Effectmalerci
seinem Wesen am meisten entspreche. Wir glauben, daß er Recht hat, und wer die
Cymbcrnschlacht gesehen, wird dieses Gefühl theilen. Tausende von Figurchen be¬
wegen sich im bewegtesten Tumulte durcheinander, in einer aufsteigenden Land-


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[0404] ten zu fügen, zerbrach sie den Arbeitern unter den Händen. Der Rechtsstreit war damit zu Ende, und die Boeler mußten sich den Spitznamen „Fasten-, biters", Fohlenbeißcr, gefallen lassen, der ihnen noch jetzt anhaftet. Ob in dieser Anekdote die richtige Erklärung des Spottnamens enthalten ist und ob derselbe nicht vielmehr in die Urzeit hinaufreicht und mit der Be¬ zeichnung der heidnisch gebliebenen Deutschen als „Pferdefleischesser" verwandt ist, kann hier nicht untersucht werden. Alt aber ist die Geschichte jedenfalls. Denn von der Dummheit, welche die boeler Bauern dabei bewiesen, ist schon seit Menschengedenken keine Spur, mehr in dem Dorfe. Im Gegentheil, die Leute sind dort von recht gescheidter und vernünftiger und namentlich in Rechts¬ sachen ungemein aufgeweckter Art. Da aber nichts zu nichts werden kann, und die Dummheit gleich dem aus Besessenen flüchtenden Teufel doch irgend¬ wo bleiben muß, so und vermuthet, sie sei aus den Bauern in die Beamten gefahren. Korrespondenzen. Allgemeine Kunstausstellung in Paris. 3. — Cornelius ist der dritte unter den Siegern. Indem sie ihm die große Medaille zuspricht, hat die interna¬ tionale Jury sich auf den Standpunkt gestellt, den ein Areopag, der die ehren¬ volle Aufgabe hat, ganz Europa zu vertreten, niemals hätte verlassen dürfen. Cornelius verdankt seine Erhebung ausschließlich dem Urtheile der Sachverständigen. Vor einigen Jahren noch würde dieser Künstler hier unbeachtet geblieben sein, weil die Bekanntschaft mit deutschem Wesen, so unvollkommen sie auch noch sein mag, eben noch ganz nen ist. Die hiesigen Kunstkritiker, waren glücklicherweise nicht in der Lage, das Werk unsres Meisters blos aus deu hicrhergesandten Cartons zu be¬ urtheilen, die meisten von ihnen kennen alles, was er gemacht. Die Franzosen sind reiselustig geworden, sie haben den Schwarzwald entdeckt und es gehört jetzt zum bon um unter den Feuilletonisten, während des Sommers Berichte aus irgendeinem deutschen Bade zu datiren. Einmal aus Paris heraus scheut man auch die Mühe einer Eisenbahntour durch das unbekannte Land nicht, und geschähe es auch blos, um zu constatiren, daß es nirgend in der Welt ein zweites Paris gebe. Von Cornelius auf Dccamp ist ein großer Sprung. Dieser Maler gehört zu denjenigen, welche in Farbe und Licht ihr Element suchen und diese Lebensbedin- gung in einer idealistischen Auffassung der Natur finden. Decamp ist Colorist, unter seinem Pinsel ersteht alles' zu neuem Leben, was er berührt. Nichts ist ihm zu genug, um durch seiue Kunst nicht geadelt zu werden, und nichts zu hoch, was er nicht erreichen könnte. Er beklagt, daß er niemals Gelegenheit gehabt, sein Talent an großer Decorationsmalerei versuchen zu können, da diese Effectmalerci seinem Wesen am meisten entspreche. Wir glauben, daß er Recht hat, und wer die Cymbcrnschlacht gesehen, wird dieses Gefühl theilen. Tausende von Figurchen be¬ wegen sich im bewegtesten Tumulte durcheinander, in einer aufsteigenden Land-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/404>, abgerufen am 27.04.2024.