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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Ueber die Ursachen der Ungunst, welche größere Flvtteuplnne
in Preußen erfahren.

Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, daß die Aussichten
Deutschlands auf eine bedeutende maritime Zukunft sich zu andern Zeiten
günstiger stellten, wie im jetzigen Augenblick. Ich will hier nicht näher
auf die Hoffnungen eingehen, welche das Sturm-, aber zugleich schwungvolle
Jahr 1848 in dieser Hinsicht rege gemacht hatte. Unter den vielen Träumen,
die am Ende desselben zu Grabe getragen wurden, war der von dem baldigen
Erscheinen einer mächtigen deutschen Flotte auf unsern Meeren ohne Zweifel
einer der schönsten. Daß er unrealisirt geblieben, wird ewig bedauert werden
müssen; aber vielleicht wird es ein tröstender Gedanke in diesem Schmerze sein,
daß der damalige Moment aus andern Gründen wenig geeignet zu einer mari¬
timen Schöpfung war, indem grade um jene Zeit die Meinungen über die der-
einstige Anwendung des Dampfes als Treibkraft auf die größeren Kriegsschiffe
sich noch nicht völlig festgestellt hatten, es also leicht möglich gewesen sein
würde, daß bei Beschaffung des Materials bedeutende Mißgriffe geschehen
wären, wie denn solche in Bezug auf den Ankauf einer Anzahl Dampfer
für die zu bildende Flotte, die vom Reichsministerium verfügt worden war, wirk¬
lich geschehen sind.

Neue Hoffnungen regten sich, als der Krieg zwischen den Westmächten und
Rußland näher seiyem Ausbruch rückte. Man konnte im voraus ahnen, daß derselbe
vorwiegend mit der Tendenz, die russische Seemacht im Pontus und im baltischen.
Meere zu brechen, geführt werden würde. Da war es Zeit, wenn man im
Sinne hatte, auf diesen frei werdenden Seeflächen in künftigen Tagen etwas
zu bedeuten, sich rasch entschlossen der Kriegspartei anzuschließen. Indeß
scheint es, als ob die Jnbetrachtnahme der Möglichkeit einer dereinstigen mari¬
timen Größe Deutschlands die letzte Rücksicht gewesen sei, die man bei den
zu nehmenden Entschlüssen in Frankfurt wie in Wien und Berlin gelten lassen
wollte. Am Bundestage war das Project einer deutschen Marine längst zu den
revolutionären Ideen ausüben? Sturm- und Drangjahre geworfen worden und was
Preußen angeht, so ist es bekannt, daß die dort bestellende kleine Marine oder
Gcschwaderanfang mehr wie das Resultat einer gegen einen Prinzen des könig¬
lichen Hauses und Privatneigungen gehegten, entgegenkommenden Nachsicht und
Willfährigkeit, denn als Ausführung eines bestehenden, fest gewordenen und
in seiner Entwicklung begriffenen Planes anzusehen ist. Für Oestreichs Parti-
cularmarine aber empfindet das deutsche Volk nicht das Interesse, welches es
einer derartigen Institution des Bundes oder einer auf etwas Ernstes abzielen¬
den preußischen Flotte zuwenden würde. Die Seemacht des Kaisers Franz Joseph


Ueber die Ursachen der Ungunst, welche größere Flvtteuplnne
in Preußen erfahren.

Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, daß die Aussichten
Deutschlands auf eine bedeutende maritime Zukunft sich zu andern Zeiten
günstiger stellten, wie im jetzigen Augenblick. Ich will hier nicht näher
auf die Hoffnungen eingehen, welche das Sturm-, aber zugleich schwungvolle
Jahr 1848 in dieser Hinsicht rege gemacht hatte. Unter den vielen Träumen,
die am Ende desselben zu Grabe getragen wurden, war der von dem baldigen
Erscheinen einer mächtigen deutschen Flotte auf unsern Meeren ohne Zweifel
einer der schönsten. Daß er unrealisirt geblieben, wird ewig bedauert werden
müssen; aber vielleicht wird es ein tröstender Gedanke in diesem Schmerze sein,
daß der damalige Moment aus andern Gründen wenig geeignet zu einer mari¬
timen Schöpfung war, indem grade um jene Zeit die Meinungen über die der-
einstige Anwendung des Dampfes als Treibkraft auf die größeren Kriegsschiffe
sich noch nicht völlig festgestellt hatten, es also leicht möglich gewesen sein
würde, daß bei Beschaffung des Materials bedeutende Mißgriffe geschehen
wären, wie denn solche in Bezug auf den Ankauf einer Anzahl Dampfer
für die zu bildende Flotte, die vom Reichsministerium verfügt worden war, wirk¬
lich geschehen sind.

Neue Hoffnungen regten sich, als der Krieg zwischen den Westmächten und
Rußland näher seiyem Ausbruch rückte. Man konnte im voraus ahnen, daß derselbe
vorwiegend mit der Tendenz, die russische Seemacht im Pontus und im baltischen.
Meere zu brechen, geführt werden würde. Da war es Zeit, wenn man im
Sinne hatte, auf diesen frei werdenden Seeflächen in künftigen Tagen etwas
zu bedeuten, sich rasch entschlossen der Kriegspartei anzuschließen. Indeß
scheint es, als ob die Jnbetrachtnahme der Möglichkeit einer dereinstigen mari¬
timen Größe Deutschlands die letzte Rücksicht gewesen sei, die man bei den
zu nehmenden Entschlüssen in Frankfurt wie in Wien und Berlin gelten lassen
wollte. Am Bundestage war das Project einer deutschen Marine längst zu den
revolutionären Ideen ausüben? Sturm- und Drangjahre geworfen worden und was
Preußen angeht, so ist es bekannt, daß die dort bestellende kleine Marine oder
Gcschwaderanfang mehr wie das Resultat einer gegen einen Prinzen des könig¬
lichen Hauses und Privatneigungen gehegten, entgegenkommenden Nachsicht und
Willfährigkeit, denn als Ausführung eines bestehenden, fest gewordenen und
in seiner Entwicklung begriffenen Planes anzusehen ist. Für Oestreichs Parti-
cularmarine aber empfindet das deutsche Volk nicht das Interesse, welches es
einer derartigen Institution des Bundes oder einer auf etwas Ernstes abzielen¬
den preußischen Flotte zuwenden würde. Die Seemacht des Kaisers Franz Joseph


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[0466] Ueber die Ursachen der Ungunst, welche größere Flvtteuplnne in Preußen erfahren. Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, daß die Aussichten Deutschlands auf eine bedeutende maritime Zukunft sich zu andern Zeiten günstiger stellten, wie im jetzigen Augenblick. Ich will hier nicht näher auf die Hoffnungen eingehen, welche das Sturm-, aber zugleich schwungvolle Jahr 1848 in dieser Hinsicht rege gemacht hatte. Unter den vielen Träumen, die am Ende desselben zu Grabe getragen wurden, war der von dem baldigen Erscheinen einer mächtigen deutschen Flotte auf unsern Meeren ohne Zweifel einer der schönsten. Daß er unrealisirt geblieben, wird ewig bedauert werden müssen; aber vielleicht wird es ein tröstender Gedanke in diesem Schmerze sein, daß der damalige Moment aus andern Gründen wenig geeignet zu einer mari¬ timen Schöpfung war, indem grade um jene Zeit die Meinungen über die der- einstige Anwendung des Dampfes als Treibkraft auf die größeren Kriegsschiffe sich noch nicht völlig festgestellt hatten, es also leicht möglich gewesen sein würde, daß bei Beschaffung des Materials bedeutende Mißgriffe geschehen wären, wie denn solche in Bezug auf den Ankauf einer Anzahl Dampfer für die zu bildende Flotte, die vom Reichsministerium verfügt worden war, wirk¬ lich geschehen sind. Neue Hoffnungen regten sich, als der Krieg zwischen den Westmächten und Rußland näher seiyem Ausbruch rückte. Man konnte im voraus ahnen, daß derselbe vorwiegend mit der Tendenz, die russische Seemacht im Pontus und im baltischen. Meere zu brechen, geführt werden würde. Da war es Zeit, wenn man im Sinne hatte, auf diesen frei werdenden Seeflächen in künftigen Tagen etwas zu bedeuten, sich rasch entschlossen der Kriegspartei anzuschließen. Indeß scheint es, als ob die Jnbetrachtnahme der Möglichkeit einer dereinstigen mari¬ timen Größe Deutschlands die letzte Rücksicht gewesen sei, die man bei den zu nehmenden Entschlüssen in Frankfurt wie in Wien und Berlin gelten lassen wollte. Am Bundestage war das Project einer deutschen Marine längst zu den revolutionären Ideen ausüben? Sturm- und Drangjahre geworfen worden und was Preußen angeht, so ist es bekannt, daß die dort bestellende kleine Marine oder Gcschwaderanfang mehr wie das Resultat einer gegen einen Prinzen des könig¬ lichen Hauses und Privatneigungen gehegten, entgegenkommenden Nachsicht und Willfährigkeit, denn als Ausführung eines bestehenden, fest gewordenen und in seiner Entwicklung begriffenen Planes anzusehen ist. Für Oestreichs Parti- cularmarine aber empfindet das deutsche Volk nicht das Interesse, welches es einer derartigen Institution des Bundes oder einer auf etwas Ernstes abzielen¬ den preußischen Flotte zuwenden würde. Die Seemacht des Kaisers Franz Joseph

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/466>, abgerufen am 27.04.2024.