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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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ist, daß damit auch einige Versmaße verloren gehen, die im Deutschen recht
gut klingen, z. B. der jambische und trochäische Tetrameter. -- Ein anderer
Uebersetzer, Theodor Benfey, (Stuttgart, Metzler) hat den Versuch gemacht, die
alten Versmaße beizubehalten. Er hat viel Mühe und Geschick darauf ver¬
wandt, es ist ihm aber doch nicht gelungen, einen hörbaren Rhythmus hervor¬
zubringen.

Bei dem Werth der einzelnen Arbeiten kann man darauf rechnen, daß
diese Sammlung sich in der Gunst des Publicums erhalten wird. Dichter wie
Aeschylus, Theokrit, selbst Terenz in der Ursprache zu lesen, ist nur einem
kleinen Theile der Gebildeten vergönnt, und doch bleiben sie die ewigen Muster
unsrer eignen Dichtkunst, und man wird an dieser kräftigen, gesunden Kost
umsomehr Behagen finden, wenn man von den weichlichen Gaben der neuesten
Zeit übersättigt ist.




Korrespondenzen.
Pariser Brief.

-- Die Einnahme von Sebastopol, noch vor kurzem als eine
Unmöglichkeit verschrieen, wird min als ungenügend betrachtet. Die Westmächte
spielen der Diplomatie gegenüber die undankbare Rolle Jacobs, der um die Hand
der schonen Nadel freit. Der Diplomatie kommt wie Laban der Appetit im Essen
und kaum von ihren Anstrengungen erholt, sehen wir die Alliirten den Russen neuer¬
dings auf den Fersen, ohne daß die europäischen Regierungen irgendetwas thun,
dem Zaren Halt zuzurufen. Wir beklagen uns nicht über die Langsamkeit der
Cabinete, obgleich soviel vergossenes Blut ein Opfer ist, das Rußlands Herrscher der
Civilisation nicht mehr auferlegen dürfte. Wir trösten uns mit dem Bewußtsein,
daß ein neuer Sieg des Westens, daß die Eroberung der ganzen Krim die Stärke
der Alliirten, die einen Feldzug unter so ungünstigen Bedingungen führen, um so
leuchtender hervortreten lassen werde und das ist ein ebenso großer Gewinn, als die
Demüthigung Rußlands. Wir haben keinen Augenblick die Täuschungen jener Opti¬
misten getheilt, welche sich einbildeten, die westmächtlichen Regierungen würden
diesen Feldzug gleich in der ersten Hand dazu benutzen, den Beschwerden, welche
über die Gestaltung der Verhältnisse mit Recht erhoben werden können, vollständig
abzuhelfen, aber wir haben auf gewisse Nothwendigkeiten gerechnet, die sich in einer
gegebenen Zeit einstellen müssen.

Frankreich, auch despotisch regiert, und England, wenn noch so particnlaristisch
gesinnten Staatsmännern in die Hände gegeben, können nicht aufhören, unsre
Interessen zu vertreten und diese werden sich geltend machen, früher, als man von
gewisser Seite her glauben mag. Der Feldzug, welcher in diesem Augenblicke in
Ausführung sich befindet, hat darum eine besondere Wichtigkeit, weil er den di¬
plomatischen Konsequenzen der Einnahme von Sebastopol Bahn brechen und der
Situation ihre wahre Bedeutung verleihen wird. Der nächste Winter kann also


ist, daß damit auch einige Versmaße verloren gehen, die im Deutschen recht
gut klingen, z. B. der jambische und trochäische Tetrameter. — Ein anderer
Uebersetzer, Theodor Benfey, (Stuttgart, Metzler) hat den Versuch gemacht, die
alten Versmaße beizubehalten. Er hat viel Mühe und Geschick darauf ver¬
wandt, es ist ihm aber doch nicht gelungen, einen hörbaren Rhythmus hervor¬
zubringen.

Bei dem Werth der einzelnen Arbeiten kann man darauf rechnen, daß
diese Sammlung sich in der Gunst des Publicums erhalten wird. Dichter wie
Aeschylus, Theokrit, selbst Terenz in der Ursprache zu lesen, ist nur einem
kleinen Theile der Gebildeten vergönnt, und doch bleiben sie die ewigen Muster
unsrer eignen Dichtkunst, und man wird an dieser kräftigen, gesunden Kost
umsomehr Behagen finden, wenn man von den weichlichen Gaben der neuesten
Zeit übersättigt ist.




Korrespondenzen.
Pariser Brief.

— Die Einnahme von Sebastopol, noch vor kurzem als eine
Unmöglichkeit verschrieen, wird min als ungenügend betrachtet. Die Westmächte
spielen der Diplomatie gegenüber die undankbare Rolle Jacobs, der um die Hand
der schonen Nadel freit. Der Diplomatie kommt wie Laban der Appetit im Essen
und kaum von ihren Anstrengungen erholt, sehen wir die Alliirten den Russen neuer¬
dings auf den Fersen, ohne daß die europäischen Regierungen irgendetwas thun,
dem Zaren Halt zuzurufen. Wir beklagen uns nicht über die Langsamkeit der
Cabinete, obgleich soviel vergossenes Blut ein Opfer ist, das Rußlands Herrscher der
Civilisation nicht mehr auferlegen dürfte. Wir trösten uns mit dem Bewußtsein,
daß ein neuer Sieg des Westens, daß die Eroberung der ganzen Krim die Stärke
der Alliirten, die einen Feldzug unter so ungünstigen Bedingungen führen, um so
leuchtender hervortreten lassen werde und das ist ein ebenso großer Gewinn, als die
Demüthigung Rußlands. Wir haben keinen Augenblick die Täuschungen jener Opti¬
misten getheilt, welche sich einbildeten, die westmächtlichen Regierungen würden
diesen Feldzug gleich in der ersten Hand dazu benutzen, den Beschwerden, welche
über die Gestaltung der Verhältnisse mit Recht erhoben werden können, vollständig
abzuhelfen, aber wir haben auf gewisse Nothwendigkeiten gerechnet, die sich in einer
gegebenen Zeit einstellen müssen.

Frankreich, auch despotisch regiert, und England, wenn noch so particnlaristisch
gesinnten Staatsmännern in die Hände gegeben, können nicht aufhören, unsre
Interessen zu vertreten und diese werden sich geltend machen, früher, als man von
gewisser Seite her glauben mag. Der Feldzug, welcher in diesem Augenblicke in
Ausführung sich befindet, hat darum eine besondere Wichtigkeit, weil er den di¬
plomatischen Konsequenzen der Einnahme von Sebastopol Bahn brechen und der
Situation ihre wahre Bedeutung verleihen wird. Der nächste Winter kann also


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/82>, abgerufen am 27.04.2024.