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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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derselben Natur, wie in der Ostsee, und sie erschwerten die Führung des Schiffes
ungleich mehr, wie die großen, sturmgetriebenen Wellen der Atlantis.

Die Küste, an der wir entlang zu schiffen fortfuhren, war wenig bebaut.
Nur dann und wann sahen wir ein Dorf, öfter einzelne Häuser. Auch rück-
sichtlich dieser Gegenden hege ich die Ueberzeugung, daß man die Volkszahl
zu hoch anschlägt. Es ist wahrscheinlich, daß man auf der Quadratmeile dieses
Gestadelandes nicht mehr als vier- bis fünfhundert Menschen im Durchschnitt
zählt, was umsomehr Wunder nehmen muß, als der Boden nach allen Nach¬
richten, die ich darüber einzuziehen Gelegenheit hatte, gut und für alle euro¬
päischen Feldfrüchte trefflich geeignet ist. Bei der Nähe des Meeres kann es
außerdem nicht an Absatzwegen fehlen und es bedürfte nur eines kleinen
Quantums schaffender Energie, um hier einen blühenden Ackerbau und Handel
zu gründen. Für den letzteren, nicht für den ersteren, sind die Griechen. Sie
sind in ihrer Art, und wie sie im Lause der Zeiten geworden, ein Volk, was
mit den Juden verglichen werden kann: äußerst geschickt, in der socialen Ord¬
nung bestehender Gesellschaftszustände Lücken auszufüllen, nicht aber sähig,
die Unterlage eines großen Staatsbaues, die wiederum nur ein ackerbauendes
Volk sein kann, zu bilden. Darum ist es meine Ansicht, daß- nur im Wege
der Einwanderung, zumal wenn die neuen Ankömmlinge mit der slawischen
Bevölkerung sich vermischen sollten, für die Türkei im Wege des Ackerbaues
eine neue Basis gewonnen werden kann. Auch ihre Freunde leugnen es nicht,
daß sie solcher sehr bedarf; denn man kann einen Staat nicht dem europäischen
Systeme anreihen, ohne ihm zugleich die Hauptbedingungen der Existenz desselben
zu verschaffen.




Der französische Fabeldichter Pierre Lachmnbeaudie.

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liivLsIiiig, Sclmuv t^u>>>. --

Fenelon schließt seine lateinisch geschriebene Lobrede auf Lafontaine mit
folgenden Worten: "Leset und sagt, ob Anakreon mit mehr Anmuth zu scherzen
verstanden, ob Horaz die Weltweisheit mit anziehenderer und wechselvolleren
Verzierungen geschmückt, ob Terenz die Sitten der Menschen mit mehr Natür¬
lichkeit und Wahrheit geschildert habe und ob Virgil endlich rührender uno
harmonischer gewesen ist." Die Franzosen alle würden auch heute noch dieses
Lob unterschreiben, und man kann sich einen Begriff von dem Erfolge der Fa¬
beln von Lachmnbeaudie machen, wenn man erfährt, daß die Akademie dieselben
zweimal preisgekrönt hat. Ein anderer Beleg für den Erfolg, den diese Dich-


derselben Natur, wie in der Ostsee, und sie erschwerten die Führung des Schiffes
ungleich mehr, wie die großen, sturmgetriebenen Wellen der Atlantis.

Die Küste, an der wir entlang zu schiffen fortfuhren, war wenig bebaut.
Nur dann und wann sahen wir ein Dorf, öfter einzelne Häuser. Auch rück-
sichtlich dieser Gegenden hege ich die Ueberzeugung, daß man die Volkszahl
zu hoch anschlägt. Es ist wahrscheinlich, daß man auf der Quadratmeile dieses
Gestadelandes nicht mehr als vier- bis fünfhundert Menschen im Durchschnitt
zählt, was umsomehr Wunder nehmen muß, als der Boden nach allen Nach¬
richten, die ich darüber einzuziehen Gelegenheit hatte, gut und für alle euro¬
päischen Feldfrüchte trefflich geeignet ist. Bei der Nähe des Meeres kann es
außerdem nicht an Absatzwegen fehlen und es bedürfte nur eines kleinen
Quantums schaffender Energie, um hier einen blühenden Ackerbau und Handel
zu gründen. Für den letzteren, nicht für den ersteren, sind die Griechen. Sie
sind in ihrer Art, und wie sie im Lause der Zeiten geworden, ein Volk, was
mit den Juden verglichen werden kann: äußerst geschickt, in der socialen Ord¬
nung bestehender Gesellschaftszustände Lücken auszufüllen, nicht aber sähig,
die Unterlage eines großen Staatsbaues, die wiederum nur ein ackerbauendes
Volk sein kann, zu bilden. Darum ist es meine Ansicht, daß- nur im Wege
der Einwanderung, zumal wenn die neuen Ankömmlinge mit der slawischen
Bevölkerung sich vermischen sollten, für die Türkei im Wege des Ackerbaues
eine neue Basis gewonnen werden kann. Auch ihre Freunde leugnen es nicht,
daß sie solcher sehr bedarf; denn man kann einen Staat nicht dem europäischen
Systeme anreihen, ohne ihm zugleich die Hauptbedingungen der Existenz desselben
zu verschaffen.




Der französische Fabeldichter Pierre Lachmnbeaudie.

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Fenelon schließt seine lateinisch geschriebene Lobrede auf Lafontaine mit
folgenden Worten: „Leset und sagt, ob Anakreon mit mehr Anmuth zu scherzen
verstanden, ob Horaz die Weltweisheit mit anziehenderer und wechselvolleren
Verzierungen geschmückt, ob Terenz die Sitten der Menschen mit mehr Natür¬
lichkeit und Wahrheit geschildert habe und ob Virgil endlich rührender uno
harmonischer gewesen ist." Die Franzosen alle würden auch heute noch dieses
Lob unterschreiben, und man kann sich einen Begriff von dem Erfolge der Fa¬
beln von Lachmnbeaudie machen, wenn man erfährt, daß die Akademie dieselben
zweimal preisgekrönt hat. Ein anderer Beleg für den Erfolg, den diese Dich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/200>, abgerufen am 06.05.2024.