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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Burgas.

Wenn man die Küste des schwarzen Meeres vom Eingange des Bosporus
an gegen Norden hin verfolgt, trifft man, etwa auf dem ersten Drittel des
Weges von dort aus zu den Donaumündungen, auf einen tiefen Einschnitt,
in dessen Hintergrunde der Hafenplatz Burgas gelegen ist. Dieser Punkt war
es, auf den unser Fahrzeug jetzt abhielt.

In militärischer Hinsicht ist die Bucht, an der auch Sisepolis gelegen ist,
wo die Russen Jahre 1829 landeten und sich festsetzten, von großer Be¬
deutung. Sie ist der einzige Ort, wo eine Ausschiffung südwärts vom Balkan
in Masse bewirkt und im Wege solcher Operation umgangen werden kann.
Umgekehrt aber ist sie auch der zweckmäßigste Punkt, auf welchem nach Verlust
des bulgarischen Kriegstheaters unter dem Schutz der Balkandesileen eine Ar¬
mee zur Abkürzung des weiten Landweges vom Bospor oder den Dardanellen
zu diesem Gebirge gelandet und in die Vertheidigungslinie eingeführt werden
kann. Der neuerliche Uebergang der Russen über die Donau gibt diesem letz¬
teren Verhältnisse eine ganz besondere Bedeutung.

Wir hatten uns mehr noch, als es seither geschehen war, der Küste ge¬
nähert und liefen mit einer Schnelligkeit von dritthalb Meilen per Stunde ihr
entlang. Solche Fahrt in der Nähe am Gestade hin hat ein ungleich größeres
Interesse, als wenn man ihm weiter entfernt bleibt. Man lernt die Gegen¬
stände, die sich dem Blick darbieten, im einzelnen kennen; man unterscheidet
nicht nur menschlichen Anbau und die Wohnsitze, in Gruppen sowol wie im
besonderen, sondern auch Gestalten von Menschen und Thieren erkennt man, zu¬
mal mit Hilfe eines guten englischen Doppelglases, daS ich, so oft ich auf
Deck war, nicht aus der Hand ließ. Lieblich war der Einblick in einzelne nach
dem Meere hin ausgeschlossene Thäler, aus denen klare Bergflüsse der See ent¬
gegenrauschten. Hier eine Mühle/ dort ein Tschiftlik (Gutshaus), ein Dörfchen
oder ein alter Thurm. Die Thalsohle war zumeist Wiesengrund und die Wände
oder Hänge rechts und links mit jenem tiefgrünen, moosdurchwachsenen Nasen
bekleidet, wie usu ihn in diesen Gegenden und nur hier findet. Mich über¬
raschte die mannigfache, freilich allenthalben nicht tiefeinschneidende Gliederung
der Küste, welche zunahm, jemehr wir uns der Bucht von Burgas näherten.
Namentlich sind die kleinen Vorsprünge zahlreich, welche zumeist mit steil ab¬
fallenden Ufern in die See hineinreichen und Gelegenheit zu Anlegeplätzen
für Fahrzeuge und zu dorfartigen Anbauten bieten. In diesem Bereich deS
Gestades fände eine feindliche Angriffsarmee vielfache Landungsplätze und es
würde kaum eines Einsegelns in die eigentliche Bai von Burgas bedürfen,


Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Burgas.

Wenn man die Küste des schwarzen Meeres vom Eingange des Bosporus
an gegen Norden hin verfolgt, trifft man, etwa auf dem ersten Drittel des
Weges von dort aus zu den Donaumündungen, auf einen tiefen Einschnitt,
in dessen Hintergrunde der Hafenplatz Burgas gelegen ist. Dieser Punkt war
es, auf den unser Fahrzeug jetzt abhielt.

In militärischer Hinsicht ist die Bucht, an der auch Sisepolis gelegen ist,
wo die Russen Jahre 1829 landeten und sich festsetzten, von großer Be¬
deutung. Sie ist der einzige Ort, wo eine Ausschiffung südwärts vom Balkan
in Masse bewirkt und im Wege solcher Operation umgangen werden kann.
Umgekehrt aber ist sie auch der zweckmäßigste Punkt, auf welchem nach Verlust
des bulgarischen Kriegstheaters unter dem Schutz der Balkandesileen eine Ar¬
mee zur Abkürzung des weiten Landweges vom Bospor oder den Dardanellen
zu diesem Gebirge gelandet und in die Vertheidigungslinie eingeführt werden
kann. Der neuerliche Uebergang der Russen über die Donau gibt diesem letz¬
teren Verhältnisse eine ganz besondere Bedeutung.

Wir hatten uns mehr noch, als es seither geschehen war, der Küste ge¬
nähert und liefen mit einer Schnelligkeit von dritthalb Meilen per Stunde ihr
entlang. Solche Fahrt in der Nähe am Gestade hin hat ein ungleich größeres
Interesse, als wenn man ihm weiter entfernt bleibt. Man lernt die Gegen¬
stände, die sich dem Blick darbieten, im einzelnen kennen; man unterscheidet
nicht nur menschlichen Anbau und die Wohnsitze, in Gruppen sowol wie im
besonderen, sondern auch Gestalten von Menschen und Thieren erkennt man, zu¬
mal mit Hilfe eines guten englischen Doppelglases, daS ich, so oft ich auf
Deck war, nicht aus der Hand ließ. Lieblich war der Einblick in einzelne nach
dem Meere hin ausgeschlossene Thäler, aus denen klare Bergflüsse der See ent¬
gegenrauschten. Hier eine Mühle/ dort ein Tschiftlik (Gutshaus), ein Dörfchen
oder ein alter Thurm. Die Thalsohle war zumeist Wiesengrund und die Wände
oder Hänge rechts und links mit jenem tiefgrünen, moosdurchwachsenen Nasen
bekleidet, wie usu ihn in diesen Gegenden und nur hier findet. Mich über¬
raschte die mannigfache, freilich allenthalben nicht tiefeinschneidende Gliederung
der Küste, welche zunahm, jemehr wir uns der Bucht von Burgas näherten.
Namentlich sind die kleinen Vorsprünge zahlreich, welche zumeist mit steil ab¬
fallenden Ufern in die See hineinreichen und Gelegenheit zu Anlegeplätzen
für Fahrzeuge und zu dorfartigen Anbauten bieten. In diesem Bereich deS
Gestades fände eine feindliche Angriffsarmee vielfache Landungsplätze und es
würde kaum eines Einsegelns in die eigentliche Bai von Burgas bedürfen,


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[0270] Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei. Burgas. Wenn man die Küste des schwarzen Meeres vom Eingange des Bosporus an gegen Norden hin verfolgt, trifft man, etwa auf dem ersten Drittel des Weges von dort aus zu den Donaumündungen, auf einen tiefen Einschnitt, in dessen Hintergrunde der Hafenplatz Burgas gelegen ist. Dieser Punkt war es, auf den unser Fahrzeug jetzt abhielt. In militärischer Hinsicht ist die Bucht, an der auch Sisepolis gelegen ist, wo die Russen Jahre 1829 landeten und sich festsetzten, von großer Be¬ deutung. Sie ist der einzige Ort, wo eine Ausschiffung südwärts vom Balkan in Masse bewirkt und im Wege solcher Operation umgangen werden kann. Umgekehrt aber ist sie auch der zweckmäßigste Punkt, auf welchem nach Verlust des bulgarischen Kriegstheaters unter dem Schutz der Balkandesileen eine Ar¬ mee zur Abkürzung des weiten Landweges vom Bospor oder den Dardanellen zu diesem Gebirge gelandet und in die Vertheidigungslinie eingeführt werden kann. Der neuerliche Uebergang der Russen über die Donau gibt diesem letz¬ teren Verhältnisse eine ganz besondere Bedeutung. Wir hatten uns mehr noch, als es seither geschehen war, der Küste ge¬ nähert und liefen mit einer Schnelligkeit von dritthalb Meilen per Stunde ihr entlang. Solche Fahrt in der Nähe am Gestade hin hat ein ungleich größeres Interesse, als wenn man ihm weiter entfernt bleibt. Man lernt die Gegen¬ stände, die sich dem Blick darbieten, im einzelnen kennen; man unterscheidet nicht nur menschlichen Anbau und die Wohnsitze, in Gruppen sowol wie im besonderen, sondern auch Gestalten von Menschen und Thieren erkennt man, zu¬ mal mit Hilfe eines guten englischen Doppelglases, daS ich, so oft ich auf Deck war, nicht aus der Hand ließ. Lieblich war der Einblick in einzelne nach dem Meere hin ausgeschlossene Thäler, aus denen klare Bergflüsse der See ent¬ gegenrauschten. Hier eine Mühle/ dort ein Tschiftlik (Gutshaus), ein Dörfchen oder ein alter Thurm. Die Thalsohle war zumeist Wiesengrund und die Wände oder Hänge rechts und links mit jenem tiefgrünen, moosdurchwachsenen Nasen bekleidet, wie usu ihn in diesen Gegenden und nur hier findet. Mich über¬ raschte die mannigfache, freilich allenthalben nicht tiefeinschneidende Gliederung der Küste, welche zunahm, jemehr wir uns der Bucht von Burgas näherten. Namentlich sind die kleinen Vorsprünge zahlreich, welche zumeist mit steil ab¬ fallenden Ufern in die See hineinreichen und Gelegenheit zu Anlegeplätzen für Fahrzeuge und zu dorfartigen Anbauten bieten. In diesem Bereich deS Gestades fände eine feindliche Angriffsarmee vielfache Landungsplätze und es würde kaum eines Einsegelns in die eigentliche Bai von Burgas bedürfen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/270>, abgerufen am 05.05.2024.