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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Verhinderung der Mischehen, und suchte nach Möglichkeit das Freimaurcr-
wesen, als ein der Kirche Roms nachtheiliges zu untergraben. Einen beson¬
dern Werth legte der Klerus auf die Wirksamkeit der sonst so verpöntem
Presse; es entstanden mehre bedeutende erclusiv-katholische Zeitungen und in
ganz neuester Zeit erst die katholische Literaturzeitung in Wien, hervorge¬
rufen durch die Beschlüsse der Generalversammlung der katholischen Vereine
Deutschlands.

Alle dergleichen kirchliche Unternehmungen fanden in Preußen, wo die
katholische Geistlichkeit darauf hielt, auch ihre starke Vertretung in der Berliner
Legislatur -- in den Kammern, wie in dem, durch eine neue politische Taufe
um eine Stufe weiter herniedergedrangten "Abgeordnetenhause" zu haben,
eher Begünstigung, als Widerstand. Kleine Scharmützel zwischen Kirche und
Staat nahmen im Lande der Intelligenz Mi- exeollenee keine bedrohlichen
Dimensionen an; die evangelische Theologie setzte sich nach den leitenden
Principien, die zur Zeit gebieten, kirchlichen Sinn und kirchliches Leben
in einem Volke, das auf Friedrich II. heutzutage noch mit Bewunderung
zurückblickt, zu erwecken und zu fördern, diese evangelische Theologie setzte
sich mit dem Katholicismus ins Vernehmen; die begabten und durch ihre
Stellung einflußreichen Seelsorger beider Confessionen wendeten sich mit
gleichem Eifer gegen das beiden gleich sehr gefährlich erscheinende Dissi¬
dentenwesen.

Bei den Ansichten, die gegenwärtig in den Regionen der Staatsgewalten
zur Geltung gebracht werden, ist die Wirksamkeit innerhalb der christkatholi¬
schen, wie der aus dem Kirchenverbande ausgetretenen "freien Gemeinden"
eine so eingeschränkte, daß man nicht hoffen kann, durch einen Anschluß an
dieselben die aufwachsende Jugend vor den Einflüssen einer orthodoxen Erziehung
zu bewahren. Unter solchen Umständen empfiehlt sich die Beschäftigung der
jugendlichen Gemüther mit der Lectüre allgemein faßlicher Darstellungen des
Naturlebens. Die Kenntniß der Natur scheint noch am geeignetsten, pietistische
Bestrebungen, wo sie um sich zu greifen drohen, erfolgreich zu Paralysiren. --




Correspondenzen.
Aus Kottstantinopel,

-- Die Woche ist arm ein großen,
folgereichen Vorfällen gewesen. Voran unter denen, die stattgefunden, stehen der
an Herrn von Brück ergangene Ruf nach Wien, um an Stelle des Herrn von
Baumgartner, das Ministerium des Finanzen zu übernehmen, und eine Unter-


Verhinderung der Mischehen, und suchte nach Möglichkeit das Freimaurcr-
wesen, als ein der Kirche Roms nachtheiliges zu untergraben. Einen beson¬
dern Werth legte der Klerus auf die Wirksamkeit der sonst so verpöntem
Presse; es entstanden mehre bedeutende erclusiv-katholische Zeitungen und in
ganz neuester Zeit erst die katholische Literaturzeitung in Wien, hervorge¬
rufen durch die Beschlüsse der Generalversammlung der katholischen Vereine
Deutschlands.

Alle dergleichen kirchliche Unternehmungen fanden in Preußen, wo die
katholische Geistlichkeit darauf hielt, auch ihre starke Vertretung in der Berliner
Legislatur — in den Kammern, wie in dem, durch eine neue politische Taufe
um eine Stufe weiter herniedergedrangten „Abgeordnetenhause" zu haben,
eher Begünstigung, als Widerstand. Kleine Scharmützel zwischen Kirche und
Staat nahmen im Lande der Intelligenz Mi- exeollenee keine bedrohlichen
Dimensionen an; die evangelische Theologie setzte sich nach den leitenden
Principien, die zur Zeit gebieten, kirchlichen Sinn und kirchliches Leben
in einem Volke, das auf Friedrich II. heutzutage noch mit Bewunderung
zurückblickt, zu erwecken und zu fördern, diese evangelische Theologie setzte
sich mit dem Katholicismus ins Vernehmen; die begabten und durch ihre
Stellung einflußreichen Seelsorger beider Confessionen wendeten sich mit
gleichem Eifer gegen das beiden gleich sehr gefährlich erscheinende Dissi¬
dentenwesen.

Bei den Ansichten, die gegenwärtig in den Regionen der Staatsgewalten
zur Geltung gebracht werden, ist die Wirksamkeit innerhalb der christkatholi¬
schen, wie der aus dem Kirchenverbande ausgetretenen „freien Gemeinden"
eine so eingeschränkte, daß man nicht hoffen kann, durch einen Anschluß an
dieselben die aufwachsende Jugend vor den Einflüssen einer orthodoxen Erziehung
zu bewahren. Unter solchen Umständen empfiehlt sich die Beschäftigung der
jugendlichen Gemüther mit der Lectüre allgemein faßlicher Darstellungen des
Naturlebens. Die Kenntniß der Natur scheint noch am geeignetsten, pietistische
Bestrebungen, wo sie um sich zu greifen drohen, erfolgreich zu Paralysiren. —




Correspondenzen.
Aus Kottstantinopel,

— Die Woche ist arm ein großen,
folgereichen Vorfällen gewesen. Voran unter denen, die stattgefunden, stehen der
an Herrn von Brück ergangene Ruf nach Wien, um an Stelle des Herrn von
Baumgartner, das Ministerium des Finanzen zu übernehmen, und eine Unter-


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[0362] Verhinderung der Mischehen, und suchte nach Möglichkeit das Freimaurcr- wesen, als ein der Kirche Roms nachtheiliges zu untergraben. Einen beson¬ dern Werth legte der Klerus auf die Wirksamkeit der sonst so verpöntem Presse; es entstanden mehre bedeutende erclusiv-katholische Zeitungen und in ganz neuester Zeit erst die katholische Literaturzeitung in Wien, hervorge¬ rufen durch die Beschlüsse der Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands. Alle dergleichen kirchliche Unternehmungen fanden in Preußen, wo die katholische Geistlichkeit darauf hielt, auch ihre starke Vertretung in der Berliner Legislatur — in den Kammern, wie in dem, durch eine neue politische Taufe um eine Stufe weiter herniedergedrangten „Abgeordnetenhause" zu haben, eher Begünstigung, als Widerstand. Kleine Scharmützel zwischen Kirche und Staat nahmen im Lande der Intelligenz Mi- exeollenee keine bedrohlichen Dimensionen an; die evangelische Theologie setzte sich nach den leitenden Principien, die zur Zeit gebieten, kirchlichen Sinn und kirchliches Leben in einem Volke, das auf Friedrich II. heutzutage noch mit Bewunderung zurückblickt, zu erwecken und zu fördern, diese evangelische Theologie setzte sich mit dem Katholicismus ins Vernehmen; die begabten und durch ihre Stellung einflußreichen Seelsorger beider Confessionen wendeten sich mit gleichem Eifer gegen das beiden gleich sehr gefährlich erscheinende Dissi¬ dentenwesen. Bei den Ansichten, die gegenwärtig in den Regionen der Staatsgewalten zur Geltung gebracht werden, ist die Wirksamkeit innerhalb der christkatholi¬ schen, wie der aus dem Kirchenverbande ausgetretenen „freien Gemeinden" eine so eingeschränkte, daß man nicht hoffen kann, durch einen Anschluß an dieselben die aufwachsende Jugend vor den Einflüssen einer orthodoxen Erziehung zu bewahren. Unter solchen Umständen empfiehlt sich die Beschäftigung der jugendlichen Gemüther mit der Lectüre allgemein faßlicher Darstellungen des Naturlebens. Die Kenntniß der Natur scheint noch am geeignetsten, pietistische Bestrebungen, wo sie um sich zu greifen drohen, erfolgreich zu Paralysiren. — Correspondenzen. Aus Kottstantinopel, — Die Woche ist arm ein großen, folgereichen Vorfällen gewesen. Voran unter denen, die stattgefunden, stehen der an Herrn von Brück ergangene Ruf nach Wien, um an Stelle des Herrn von Baumgartner, das Ministerium des Finanzen zu übernehmen, und eine Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/362>, abgerufen am 05.05.2024.