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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Kilo, welche früher aus Se. Domingo nach Frankreich gesandt wurden, nur
96 dort ankamen, indem die andern 24 M. durch Feuchtwerden und in Flu߬
setzen des Syrups verloren gingen.

Wenn die Ausfuhr nach den Zuckercolonien bedeutend steigt, wie zu er¬
warten, so werden auch die Rückfrachten bedeutend sinken und dieses auf die
Concurrenzfähigkeit besonders des javanischen Zuckers günstig wirken, vorzüg¬
lich dann, wenn der jetzt noch so kostspielige Transport aus den Binnengegenden
wohlfeiler wird. 1828 kostete der Zucker in Brasilien an der Küste noch fünfmal
mehr, als an den Erzeugungsorten, die doch nicht weiter, als 30 --iO Stunden
von der Küste liegen; auf Cuba berechnete man die Verfuhrkosten für einen
Abstand von 12 Legas auf 20--25"/" für Zucker, 30"/" für Syrup, und 67"/"
für Rum, in Java gegenwärtig noch auf reichlich 3"/" der Productionskosten.

Wenn man die einzelnen Resultate dieses Vergleichs zusammenhält, so wird
sich doch der Schluß herausstellen: zunächst, daß. der einheimische Zucker die
freie Concurrenz mit dem Colonienzucker in der Gegenwart sehr gut vertragen
kann und daß schon jetzt unsre Rübenfabriken der Bevorzugung gar nicht
mehr bedürfen, welche sie mit solcher Beharrlichkeit zu behaupten suchen. Jhre
Industrie ist mündig geworden und vermag sich ohne Pflege deS Staats zu
erhalten.

Ferner aber, daß auch in der Zukunft die Colonien vielmehr unsre
Fabriken, als wir die Production der Colonien zu fürchten haben. Denn selbst
vorausgesetzt, daß die Maschinen der Colonien verbessert, die Frachten billiger,
die Verluste auf der Seereise geringer werden, so vermögen diese Fortschritte
zwar einen Theil der großen Vortheile aufzuheben, welche jetzt dem Landwirth
der Rübenbau gewährt, aber sie werden schwerlich zu irgendeiner Zeit ver¬
mögen, diesen Anbau unvortheilhaft zu machen, Denn es ist nicht nöthig, daß
die Bodenernte von Rübenland in der Nähe der Runkelfabriken bei uns drei
bis viermal so hoch bleibt, als von anderm Ackerboden derselben Classe.




Pariser Brief.

Ludwig Börne in seiner "deutschen Postschnecke". erzählt mit viel Humor,
wie ein Passagier aus dem Turm Tarischen Postwagen aussteigend sein auf die
Erde hinflatterndes Kleingeld Stück für Stück aufhebt und den Postillion am
Ende doch noch im Schritte ereilt. Die orientalische Frage und alles, was
damit zusammenhängt, erinnert an diese selig im Schoße des Eisenbahnwesens
entschlafene Postanstalt von ehemals. Wir Berichterstatter dürfen uns Ferien
geben, wir dürfen uns gemächlich aufs Krankenlager werfen, faullenzen, mit


Kilo, welche früher aus Se. Domingo nach Frankreich gesandt wurden, nur
96 dort ankamen, indem die andern 24 M. durch Feuchtwerden und in Flu߬
setzen des Syrups verloren gingen.

Wenn die Ausfuhr nach den Zuckercolonien bedeutend steigt, wie zu er¬
warten, so werden auch die Rückfrachten bedeutend sinken und dieses auf die
Concurrenzfähigkeit besonders des javanischen Zuckers günstig wirken, vorzüg¬
lich dann, wenn der jetzt noch so kostspielige Transport aus den Binnengegenden
wohlfeiler wird. 1828 kostete der Zucker in Brasilien an der Küste noch fünfmal
mehr, als an den Erzeugungsorten, die doch nicht weiter, als 30 —iO Stunden
von der Küste liegen; auf Cuba berechnete man die Verfuhrkosten für einen
Abstand von 12 Legas auf 20—25"/» für Zucker, 30"/» für Syrup, und 67"/»
für Rum, in Java gegenwärtig noch auf reichlich 3"/» der Productionskosten.

Wenn man die einzelnen Resultate dieses Vergleichs zusammenhält, so wird
sich doch der Schluß herausstellen: zunächst, daß. der einheimische Zucker die
freie Concurrenz mit dem Colonienzucker in der Gegenwart sehr gut vertragen
kann und daß schon jetzt unsre Rübenfabriken der Bevorzugung gar nicht
mehr bedürfen, welche sie mit solcher Beharrlichkeit zu behaupten suchen. Jhre
Industrie ist mündig geworden und vermag sich ohne Pflege deS Staats zu
erhalten.

Ferner aber, daß auch in der Zukunft die Colonien vielmehr unsre
Fabriken, als wir die Production der Colonien zu fürchten haben. Denn selbst
vorausgesetzt, daß die Maschinen der Colonien verbessert, die Frachten billiger,
die Verluste auf der Seereise geringer werden, so vermögen diese Fortschritte
zwar einen Theil der großen Vortheile aufzuheben, welche jetzt dem Landwirth
der Rübenbau gewährt, aber sie werden schwerlich zu irgendeiner Zeit ver¬
mögen, diesen Anbau unvortheilhaft zu machen, Denn es ist nicht nöthig, daß
die Bodenernte von Rübenland in der Nähe der Runkelfabriken bei uns drei
bis viermal so hoch bleibt, als von anderm Ackerboden derselben Classe.




Pariser Brief.

Ludwig Börne in seiner „deutschen Postschnecke". erzählt mit viel Humor,
wie ein Passagier aus dem Turm Tarischen Postwagen aussteigend sein auf die
Erde hinflatterndes Kleingeld Stück für Stück aufhebt und den Postillion am
Ende doch noch im Schritte ereilt. Die orientalische Frage und alles, was
damit zusammenhängt, erinnert an diese selig im Schoße des Eisenbahnwesens
entschlafene Postanstalt von ehemals. Wir Berichterstatter dürfen uns Ferien
geben, wir dürfen uns gemächlich aufs Krankenlager werfen, faullenzen, mit


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[0510] Kilo, welche früher aus Se. Domingo nach Frankreich gesandt wurden, nur 96 dort ankamen, indem die andern 24 M. durch Feuchtwerden und in Flu߬ setzen des Syrups verloren gingen. Wenn die Ausfuhr nach den Zuckercolonien bedeutend steigt, wie zu er¬ warten, so werden auch die Rückfrachten bedeutend sinken und dieses auf die Concurrenzfähigkeit besonders des javanischen Zuckers günstig wirken, vorzüg¬ lich dann, wenn der jetzt noch so kostspielige Transport aus den Binnengegenden wohlfeiler wird. 1828 kostete der Zucker in Brasilien an der Küste noch fünfmal mehr, als an den Erzeugungsorten, die doch nicht weiter, als 30 —iO Stunden von der Küste liegen; auf Cuba berechnete man die Verfuhrkosten für einen Abstand von 12 Legas auf 20—25"/» für Zucker, 30"/» für Syrup, und 67"/» für Rum, in Java gegenwärtig noch auf reichlich 3"/» der Productionskosten. Wenn man die einzelnen Resultate dieses Vergleichs zusammenhält, so wird sich doch der Schluß herausstellen: zunächst, daß. der einheimische Zucker die freie Concurrenz mit dem Colonienzucker in der Gegenwart sehr gut vertragen kann und daß schon jetzt unsre Rübenfabriken der Bevorzugung gar nicht mehr bedürfen, welche sie mit solcher Beharrlichkeit zu behaupten suchen. Jhre Industrie ist mündig geworden und vermag sich ohne Pflege deS Staats zu erhalten. Ferner aber, daß auch in der Zukunft die Colonien vielmehr unsre Fabriken, als wir die Production der Colonien zu fürchten haben. Denn selbst vorausgesetzt, daß die Maschinen der Colonien verbessert, die Frachten billiger, die Verluste auf der Seereise geringer werden, so vermögen diese Fortschritte zwar einen Theil der großen Vortheile aufzuheben, welche jetzt dem Landwirth der Rübenbau gewährt, aber sie werden schwerlich zu irgendeiner Zeit ver¬ mögen, diesen Anbau unvortheilhaft zu machen, Denn es ist nicht nöthig, daß die Bodenernte von Rübenland in der Nähe der Runkelfabriken bei uns drei bis viermal so hoch bleibt, als von anderm Ackerboden derselben Classe. Pariser Brief. Ludwig Börne in seiner „deutschen Postschnecke". erzählt mit viel Humor, wie ein Passagier aus dem Turm Tarischen Postwagen aussteigend sein auf die Erde hinflatterndes Kleingeld Stück für Stück aufhebt und den Postillion am Ende doch noch im Schritte ereilt. Die orientalische Frage und alles, was damit zusammenhängt, erinnert an diese selig im Schoße des Eisenbahnwesens entschlafene Postanstalt von ehemals. Wir Berichterstatter dürfen uns Ferien geben, wir dürfen uns gemächlich aufs Krankenlager werfen, faullenzen, mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/510>, abgerufen am 06.05.2024.