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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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wasse werden läßt; nicht in dem Sinne allerdings, wie die Kanone dies ist,
aber dennoch in einer Weise, welche auf die Taktik des FestungSknegeö nicht
ohne Einwirkung bleiben wird.

Ich habe letztlich noch der russischen Cavalerie zu gedenken. Mich hat es
einigermaßen befremdet, daß dieselbe im gegenwärtigen Kriege keine bedeuten¬
dere Rolle gespielt hat. Der Krieg an der Donau im Herbst 1^33 und im
vergangenen Jahre war freilich im Wesentlichen ein Schanzen- und Festungs¬
krieg im Wechsel mit Stromübergängen und Gegcnübergcmgen und aus diesen
Gründen dem Eingreifen großer Reitermassen in die taktische Action nicht
günstig. Aber nach dem Donauübergange im März 1834 und später bei
mancherlei Anlässen in der Bulgarei und Walachei bot sich doch wol manche
Gelegenheit dar, mit der Cavalerie Schläge auszuführen, die eben nur durch
diese Waffe ermöglicht werden konnten; auch hätte man bei einiger Kühnheit
und Entschlossenheit seitens der damaligen russischen Armeeobcrführung auf
Eavalerie gestützte und durch dieselbe der Hauptsache nach bewerkstelligte Offen¬
sivoperationen gegen einzelne der damals zwischen Varna und Schumla stehen¬
den französischen, englichen und türkischen Corps wol rechnen dürfen. Für
das völlige Zurücktreten der Eavalerie in den seitherigen Kämpfen auf tau-
rischen Boden sind die Motive leichter zu finden. Sie beruhen auf der
Schwierigkeit große Reitermassen in der Krim, namentlich im Süden der
Halbinsel zu unterhalten, und sodann auf der für Cavalerieactionen sehr' un¬
geeigneten Terrainbeschaffenheit in der Umgegend von Sewastopol. In der
Schlacht von Balaklava sehen wir sechzehn russische Schwadronen auftreten
und nicht eben glänzend debütiren. Sie, erscheinen hier, zum Staunen deut¬
scher Taktiker, welche die Reiterei nur in Linie verwendet wissen wollen, in
Eolonne und werden von den englischen Rothen arg mißhandelt und im wahren
Sinne des Worts zusammengcritten. Die 'russische Eavalerie hat daher ihren
Ruf erst wieder ^u erringen.


3.
Das französische Heer.

Ueber die französische Armee habe ich hier weniger Bemerkungen, wie über
die russische zu macheu, im Besonderen darum: weit sie, weniger in der Ent-
^ Wicklung begriffen, wie diese, eine geringere Anzahl neuer, der Erörterung be¬
dürfender Seiten und Keime darbietet. Die breite Grundlage, auf welcher das
Heer Frankreichs fußt, sind die militärischen Traditionen und Institutionen
aus der ersten -- der großen Kaiserzeit. Man thut jedenfalls gut, an ihnen
festzuhalten, denn sie werden noch weit in die Zukunft hinein ihre Geltung als
Regeln und Muster bewahren; nach mehr wie einer Richtung hin ist ihnen
in dieser Beziehung die Dauer für die Ewigkeit gesichert.


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wasse werden läßt; nicht in dem Sinne allerdings, wie die Kanone dies ist,
aber dennoch in einer Weise, welche auf die Taktik des FestungSknegeö nicht
ohne Einwirkung bleiben wird.

Ich habe letztlich noch der russischen Cavalerie zu gedenken. Mich hat es
einigermaßen befremdet, daß dieselbe im gegenwärtigen Kriege keine bedeuten¬
dere Rolle gespielt hat. Der Krieg an der Donau im Herbst 1^33 und im
vergangenen Jahre war freilich im Wesentlichen ein Schanzen- und Festungs¬
krieg im Wechsel mit Stromübergängen und Gegcnübergcmgen und aus diesen
Gründen dem Eingreifen großer Reitermassen in die taktische Action nicht
günstig. Aber nach dem Donauübergange im März 1834 und später bei
mancherlei Anlässen in der Bulgarei und Walachei bot sich doch wol manche
Gelegenheit dar, mit der Cavalerie Schläge auszuführen, die eben nur durch
diese Waffe ermöglicht werden konnten; auch hätte man bei einiger Kühnheit
und Entschlossenheit seitens der damaligen russischen Armeeobcrführung auf
Eavalerie gestützte und durch dieselbe der Hauptsache nach bewerkstelligte Offen¬
sivoperationen gegen einzelne der damals zwischen Varna und Schumla stehen¬
den französischen, englichen und türkischen Corps wol rechnen dürfen. Für
das völlige Zurücktreten der Eavalerie in den seitherigen Kämpfen auf tau-
rischen Boden sind die Motive leichter zu finden. Sie beruhen auf der
Schwierigkeit große Reitermassen in der Krim, namentlich im Süden der
Halbinsel zu unterhalten, und sodann auf der für Cavalerieactionen sehr' un¬
geeigneten Terrainbeschaffenheit in der Umgegend von Sewastopol. In der
Schlacht von Balaklava sehen wir sechzehn russische Schwadronen auftreten
und nicht eben glänzend debütiren. Sie, erscheinen hier, zum Staunen deut¬
scher Taktiker, welche die Reiterei nur in Linie verwendet wissen wollen, in
Eolonne und werden von den englischen Rothen arg mißhandelt und im wahren
Sinne des Worts zusammengcritten. Die 'russische Eavalerie hat daher ihren
Ruf erst wieder ^u erringen.


3.
Das französische Heer.

Ueber die französische Armee habe ich hier weniger Bemerkungen, wie über
die russische zu macheu, im Besonderen darum: weit sie, weniger in der Ent-
^ Wicklung begriffen, wie diese, eine geringere Anzahl neuer, der Erörterung be¬
dürfender Seiten und Keime darbietet. Die breite Grundlage, auf welcher das
Heer Frankreichs fußt, sind die militärischen Traditionen und Institutionen
aus der ersten — der großen Kaiserzeit. Man thut jedenfalls gut, an ihnen
festzuhalten, denn sie werden noch weit in die Zukunft hinein ihre Geltung als
Regeln und Muster bewahren; nach mehr wie einer Richtung hin ist ihnen
in dieser Beziehung die Dauer für die Ewigkeit gesichert.


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[0155] wasse werden läßt; nicht in dem Sinne allerdings, wie die Kanone dies ist, aber dennoch in einer Weise, welche auf die Taktik des FestungSknegeö nicht ohne Einwirkung bleiben wird. Ich habe letztlich noch der russischen Cavalerie zu gedenken. Mich hat es einigermaßen befremdet, daß dieselbe im gegenwärtigen Kriege keine bedeuten¬ dere Rolle gespielt hat. Der Krieg an der Donau im Herbst 1^33 und im vergangenen Jahre war freilich im Wesentlichen ein Schanzen- und Festungs¬ krieg im Wechsel mit Stromübergängen und Gegcnübergcmgen und aus diesen Gründen dem Eingreifen großer Reitermassen in die taktische Action nicht günstig. Aber nach dem Donauübergange im März 1834 und später bei mancherlei Anlässen in der Bulgarei und Walachei bot sich doch wol manche Gelegenheit dar, mit der Cavalerie Schläge auszuführen, die eben nur durch diese Waffe ermöglicht werden konnten; auch hätte man bei einiger Kühnheit und Entschlossenheit seitens der damaligen russischen Armeeobcrführung auf Eavalerie gestützte und durch dieselbe der Hauptsache nach bewerkstelligte Offen¬ sivoperationen gegen einzelne der damals zwischen Varna und Schumla stehen¬ den französischen, englichen und türkischen Corps wol rechnen dürfen. Für das völlige Zurücktreten der Eavalerie in den seitherigen Kämpfen auf tau- rischen Boden sind die Motive leichter zu finden. Sie beruhen auf der Schwierigkeit große Reitermassen in der Krim, namentlich im Süden der Halbinsel zu unterhalten, und sodann auf der für Cavalerieactionen sehr' un¬ geeigneten Terrainbeschaffenheit in der Umgegend von Sewastopol. In der Schlacht von Balaklava sehen wir sechzehn russische Schwadronen auftreten und nicht eben glänzend debütiren. Sie, erscheinen hier, zum Staunen deut¬ scher Taktiker, welche die Reiterei nur in Linie verwendet wissen wollen, in Eolonne und werden von den englischen Rothen arg mißhandelt und im wahren Sinne des Worts zusammengcritten. Die 'russische Eavalerie hat daher ihren Ruf erst wieder ^u erringen. 3. Das französische Heer. Ueber die französische Armee habe ich hier weniger Bemerkungen, wie über die russische zu macheu, im Besonderen darum: weit sie, weniger in der Ent- ^ Wicklung begriffen, wie diese, eine geringere Anzahl neuer, der Erörterung be¬ dürfender Seiten und Keime darbietet. Die breite Grundlage, auf welcher das Heer Frankreichs fußt, sind die militärischen Traditionen und Institutionen aus der ersten — der großen Kaiserzeit. Man thut jedenfalls gut, an ihnen festzuhalten, denn sie werden noch weit in die Zukunft hinein ihre Geltung als Regeln und Muster bewahren; nach mehr wie einer Richtung hin ist ihnen in dieser Beziehung die Dauer für die Ewigkeit gesichert. '1V*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/155>, abgerufen am 05.05.2024.