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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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von Pilsach! Die Geschichte wird seinem Namen die verdiente Unsterblichkeit
geben.

Stein war in Beziehung auf die civilrechtlichen, wie auf die staatlichen
Verhältnisse ein entschiedner Aristokrat und hatte nebenbei, wie jeder entschlossene
und durchgreifende Charakter, der sich nicht gern durch den wohlmeinenden
Unverstand gehemmt sieht, eine gelinde Neigung zum Absolutismus, aber als
Patriot hatte er die Einsicht, daß der große Zweck auch große Mittel erfordere,
daß dem Wohle des Staats und der Nation die einseitigen Standesintercssen,
soweit als es nöthig war, geopfert werden müßten; und vor allen Dingen, er
war ein rechtschaffner Mann in der vollsten Bedeutung des Worts. Die Ver¬
theidigung von Rechtsansprüchen, selbst gegen das Staatswohl, hätte er geehrt,
auch wo er sie bekämpfte; aber ein Zustand des absoluten Unrechts im
Interesse eines einzelnen Standes hätte nicht blos sein polnisches, sondern sein
Ehrgefühl rege gemacht und er hätte bei der Beurtheilung derselben Bezeich¬
nungen gefunden, noch unumwundener und energischer, als diejenigen, deren
sich dies Mal die Vertreter der preußischen Negierung zu unsrer großen Befrie¬
digung bedient haben.

Was nun das gegenwärtige Buch betrifft, so ist zwar der Auszug aus
Pertz nach einer im Ganzen verständigen und billigenswerthen Methode gemacht
worden, die Hauptsachen sind beibehalten und richtig geordnet, das Unwesens
liebe, was nur sür den Gelehrten gehört, ist weggelassen; trotzdem leistet es
nicht ganz, was wir gewünscht hätten.. Die Abhängigkeit von ^Pertz tritt zu
sehr hervor und wenn wir die Wärme, die ein solcher Gegenstand erfordert,
auch nicht vermissen, so macht sie sich doch nicht als Seele des Ganzen geltend.
Nur echte Begeisterung konnte ano dem Leben Steins pas machen; was es
werden sollte, ein Kunstwerk im höhern Stil, welches das gestimmte Volk mir
sich fortgerissen hätte. Das Buch ist auf alle Fälle ein nützliches, denn der
Gebildete findet darin ungefähr dasjenige zusammen, was ihn bei dem Leben
des großen Mannes vorzugsweise interessiren muß, aber ein eigentliches Volks¬
buch wird es kaum werden und so bleibt das eine Aufgabe, die noch gelöst
sein will. --


Die Mormonen., Ihr Prophet, ihr Staat und ihr Glaube. Von Hr. Moritz
Busch. Leipzig, Lorck. 18Sö. --

Der bekannte Reisende, der in seinem Tagebuch aus Amerika über die
wunderlichen Sitten dieses Völkchens so anziehende Mittheilungen gemacht,
stellt hier seine alten Anschauungen mit den spätern Berichten, durch die seit
jener Zeit aus die wunderlichste aller Religionen ein neues Licht geworfen ist,
zusammen und macht ein Bild daraus, das trotz der Seltsamkeit des Gegen¬
standes ein heitres Ansehen hat und ,daS hinter seiner leichten Form doch so


von Pilsach! Die Geschichte wird seinem Namen die verdiente Unsterblichkeit
geben.

Stein war in Beziehung auf die civilrechtlichen, wie auf die staatlichen
Verhältnisse ein entschiedner Aristokrat und hatte nebenbei, wie jeder entschlossene
und durchgreifende Charakter, der sich nicht gern durch den wohlmeinenden
Unverstand gehemmt sieht, eine gelinde Neigung zum Absolutismus, aber als
Patriot hatte er die Einsicht, daß der große Zweck auch große Mittel erfordere,
daß dem Wohle des Staats und der Nation die einseitigen Standesintercssen,
soweit als es nöthig war, geopfert werden müßten; und vor allen Dingen, er
war ein rechtschaffner Mann in der vollsten Bedeutung des Worts. Die Ver¬
theidigung von Rechtsansprüchen, selbst gegen das Staatswohl, hätte er geehrt,
auch wo er sie bekämpfte; aber ein Zustand des absoluten Unrechts im
Interesse eines einzelnen Standes hätte nicht blos sein polnisches, sondern sein
Ehrgefühl rege gemacht und er hätte bei der Beurtheilung derselben Bezeich¬
nungen gefunden, noch unumwundener und energischer, als diejenigen, deren
sich dies Mal die Vertreter der preußischen Negierung zu unsrer großen Befrie¬
digung bedient haben.

Was nun das gegenwärtige Buch betrifft, so ist zwar der Auszug aus
Pertz nach einer im Ganzen verständigen und billigenswerthen Methode gemacht
worden, die Hauptsachen sind beibehalten und richtig geordnet, das Unwesens
liebe, was nur sür den Gelehrten gehört, ist weggelassen; trotzdem leistet es
nicht ganz, was wir gewünscht hätten.. Die Abhängigkeit von ^Pertz tritt zu
sehr hervor und wenn wir die Wärme, die ein solcher Gegenstand erfordert,
auch nicht vermissen, so macht sie sich doch nicht als Seele des Ganzen geltend.
Nur echte Begeisterung konnte ano dem Leben Steins pas machen; was es
werden sollte, ein Kunstwerk im höhern Stil, welches das gestimmte Volk mir
sich fortgerissen hätte. Das Buch ist auf alle Fälle ein nützliches, denn der
Gebildete findet darin ungefähr dasjenige zusammen, was ihn bei dem Leben
des großen Mannes vorzugsweise interessiren muß, aber ein eigentliches Volks¬
buch wird es kaum werden und so bleibt das eine Aufgabe, die noch gelöst
sein will. —


Die Mormonen., Ihr Prophet, ihr Staat und ihr Glaube. Von Hr. Moritz
Busch. Leipzig, Lorck. 18Sö. —

Der bekannte Reisende, der in seinem Tagebuch aus Amerika über die
wunderlichen Sitten dieses Völkchens so anziehende Mittheilungen gemacht,
stellt hier seine alten Anschauungen mit den spätern Berichten, durch die seit
jener Zeit aus die wunderlichste aller Religionen ein neues Licht geworfen ist,
zusammen und macht ein Bild daraus, das trotz der Seltsamkeit des Gegen¬
standes ein heitres Ansehen hat und ,daS hinter seiner leichten Form doch so


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[0268] von Pilsach! Die Geschichte wird seinem Namen die verdiente Unsterblichkeit geben. Stein war in Beziehung auf die civilrechtlichen, wie auf die staatlichen Verhältnisse ein entschiedner Aristokrat und hatte nebenbei, wie jeder entschlossene und durchgreifende Charakter, der sich nicht gern durch den wohlmeinenden Unverstand gehemmt sieht, eine gelinde Neigung zum Absolutismus, aber als Patriot hatte er die Einsicht, daß der große Zweck auch große Mittel erfordere, daß dem Wohle des Staats und der Nation die einseitigen Standesintercssen, soweit als es nöthig war, geopfert werden müßten; und vor allen Dingen, er war ein rechtschaffner Mann in der vollsten Bedeutung des Worts. Die Ver¬ theidigung von Rechtsansprüchen, selbst gegen das Staatswohl, hätte er geehrt, auch wo er sie bekämpfte; aber ein Zustand des absoluten Unrechts im Interesse eines einzelnen Standes hätte nicht blos sein polnisches, sondern sein Ehrgefühl rege gemacht und er hätte bei der Beurtheilung derselben Bezeich¬ nungen gefunden, noch unumwundener und energischer, als diejenigen, deren sich dies Mal die Vertreter der preußischen Negierung zu unsrer großen Befrie¬ digung bedient haben. Was nun das gegenwärtige Buch betrifft, so ist zwar der Auszug aus Pertz nach einer im Ganzen verständigen und billigenswerthen Methode gemacht worden, die Hauptsachen sind beibehalten und richtig geordnet, das Unwesens liebe, was nur sür den Gelehrten gehört, ist weggelassen; trotzdem leistet es nicht ganz, was wir gewünscht hätten.. Die Abhängigkeit von ^Pertz tritt zu sehr hervor und wenn wir die Wärme, die ein solcher Gegenstand erfordert, auch nicht vermissen, so macht sie sich doch nicht als Seele des Ganzen geltend. Nur echte Begeisterung konnte ano dem Leben Steins pas machen; was es werden sollte, ein Kunstwerk im höhern Stil, welches das gestimmte Volk mir sich fortgerissen hätte. Das Buch ist auf alle Fälle ein nützliches, denn der Gebildete findet darin ungefähr dasjenige zusammen, was ihn bei dem Leben des großen Mannes vorzugsweise interessiren muß, aber ein eigentliches Volks¬ buch wird es kaum werden und so bleibt das eine Aufgabe, die noch gelöst sein will. — Die Mormonen., Ihr Prophet, ihr Staat und ihr Glaube. Von Hr. Moritz Busch. Leipzig, Lorck. 18Sö. — Der bekannte Reisende, der in seinem Tagebuch aus Amerika über die wunderlichen Sitten dieses Völkchens so anziehende Mittheilungen gemacht, stellt hier seine alten Anschauungen mit den spätern Berichten, durch die seit jener Zeit aus die wunderlichste aller Religionen ein neues Licht geworfen ist, zusammen und macht ein Bild daraus, das trotz der Seltsamkeit des Gegen¬ standes ein heitres Ansehen hat und ,daS hinter seiner leichten Form doch so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/268>, abgerufen am 06.05.2024.