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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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viel Ernst versteckt, um den aufmerksamen Leser wirklich zu belehren. Was
den Gegenstand selbst betrifft, so haben wir ihn in unsern letzten Heften aus¬
führlich behandelt; es. genügt, darauf zu verweisen.




Schriften für Damen.

Wir stellen unter dieser Ueberschrift zwei neu erschienene Werke zusammen t
"Geschichte der Liebe oder Versuch einer Philosophie der Geschichte für Damen.
Eine Festgabe an die Schönen von Friedrich von Sontheim. Stuttgart,
Hallbergersche Verlagsbuchhandlung." -- "Das Buch der Erziehung
in Haus und Schule. Erste Abtheilung: des Kindes Wartung und Pflege
und die Erziehung der Tochter in Haus und Schule. Ein Handbuch für
Mütter und Erzieher von Julie Burow. Leipzig, Hermann Costenoble,
-1833. -- Der Verfasser des ersten Buchs gibt eine zusammengedrängte Dar¬
stellung des Einflusses, welchen die verschiedenen Religionsformen auf die Liebe
gehabt haben. Er sängt bei den Wilden an und hört bei Byron und Heine
auf. Er hat es verstanden, eine ziemlich umfangreiche Belesenheit auf eine
anmuthige und liebenswürdige Weise zu verwerthen; ob sein weiterer Zweck,
diesen Gegenstand, der in seinem völligen Umfang doch wol nur von Männern
verstanden werden kann, so zu mildern, daß sich auch eine gebildete Dame an
ihrem Toilettentisch damit beschäftigen kann, möchten wir nach einigen Stellen
stark bezweifeln. -- Interessant ist, was er über den Einfluß der Reformation
auf das Verhältniß der Geschlechter sagt. Indem der Protestantismus es sich
zur Aufgabe machte, auf den Geist des ersten, ursprünglichen Christenthums
zurückzugehen, nahm er nothwendig auch alle die Einseitigkeit an, mit welcher
das christliche Bewußtsein zuerst ausgetreten war, sofern es seinen geistigen
Universalismus noch nicht nach allen seinen Konsequenzen in das Leben einzu¬
führen vermochte, vielmehr von diesem und seinen natürlichen Beziehungen ganz
absehend, sich in einer blos geistigen Innerlichkeit bewegte, welche ebendeswegen
eine jenen natürlichen Lebcnsgebieten ganz äußerliche blieb. Es ist bekannt,
wie sich die Reformation gegen die freieren weltlichen Elemente, denen sie
großentheils ihr Dasein verdankte, in eine Opposition setzte, welche ganz der
des ersten Christenthums gegen das Heidenthum zu vergleichen ist, wie sie den
Geist überall auf seinen fernsten, abstractesten Standpunkt zurückführte. Gleich
in den ersten Jahren der herrschend gewordenen neuen Kirche wurde von jenen
Beförderern der classischen Studien, welche in der endlich zum Ausbruch ge¬
kommenen großen Bewegung den Anfang eines neuen, natürlichern und freiern
Daseins begrüßt hatten, die lauteste Klage erhoben, daß die schönen Wissen-


viel Ernst versteckt, um den aufmerksamen Leser wirklich zu belehren. Was
den Gegenstand selbst betrifft, so haben wir ihn in unsern letzten Heften aus¬
führlich behandelt; es. genügt, darauf zu verweisen.




Schriften für Damen.

Wir stellen unter dieser Ueberschrift zwei neu erschienene Werke zusammen t
„Geschichte der Liebe oder Versuch einer Philosophie der Geschichte für Damen.
Eine Festgabe an die Schönen von Friedrich von Sontheim. Stuttgart,
Hallbergersche Verlagsbuchhandlung." — „Das Buch der Erziehung
in Haus und Schule. Erste Abtheilung: des Kindes Wartung und Pflege
und die Erziehung der Tochter in Haus und Schule. Ein Handbuch für
Mütter und Erzieher von Julie Burow. Leipzig, Hermann Costenoble,
-1833. — Der Verfasser des ersten Buchs gibt eine zusammengedrängte Dar¬
stellung des Einflusses, welchen die verschiedenen Religionsformen auf die Liebe
gehabt haben. Er sängt bei den Wilden an und hört bei Byron und Heine
auf. Er hat es verstanden, eine ziemlich umfangreiche Belesenheit auf eine
anmuthige und liebenswürdige Weise zu verwerthen; ob sein weiterer Zweck,
diesen Gegenstand, der in seinem völligen Umfang doch wol nur von Männern
verstanden werden kann, so zu mildern, daß sich auch eine gebildete Dame an
ihrem Toilettentisch damit beschäftigen kann, möchten wir nach einigen Stellen
stark bezweifeln. — Interessant ist, was er über den Einfluß der Reformation
auf das Verhältniß der Geschlechter sagt. Indem der Protestantismus es sich
zur Aufgabe machte, auf den Geist des ersten, ursprünglichen Christenthums
zurückzugehen, nahm er nothwendig auch alle die Einseitigkeit an, mit welcher
das christliche Bewußtsein zuerst ausgetreten war, sofern es seinen geistigen
Universalismus noch nicht nach allen seinen Konsequenzen in das Leben einzu¬
führen vermochte, vielmehr von diesem und seinen natürlichen Beziehungen ganz
absehend, sich in einer blos geistigen Innerlichkeit bewegte, welche ebendeswegen
eine jenen natürlichen Lebcnsgebieten ganz äußerliche blieb. Es ist bekannt,
wie sich die Reformation gegen die freieren weltlichen Elemente, denen sie
großentheils ihr Dasein verdankte, in eine Opposition setzte, welche ganz der
des ersten Christenthums gegen das Heidenthum zu vergleichen ist, wie sie den
Geist überall auf seinen fernsten, abstractesten Standpunkt zurückführte. Gleich
in den ersten Jahren der herrschend gewordenen neuen Kirche wurde von jenen
Beförderern der classischen Studien, welche in der endlich zum Ausbruch ge¬
kommenen großen Bewegung den Anfang eines neuen, natürlichern und freiern
Daseins begrüßt hatten, die lauteste Klage erhoben, daß die schönen Wissen-


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[0269] viel Ernst versteckt, um den aufmerksamen Leser wirklich zu belehren. Was den Gegenstand selbst betrifft, so haben wir ihn in unsern letzten Heften aus¬ führlich behandelt; es. genügt, darauf zu verweisen. Schriften für Damen. Wir stellen unter dieser Ueberschrift zwei neu erschienene Werke zusammen t „Geschichte der Liebe oder Versuch einer Philosophie der Geschichte für Damen. Eine Festgabe an die Schönen von Friedrich von Sontheim. Stuttgart, Hallbergersche Verlagsbuchhandlung." — „Das Buch der Erziehung in Haus und Schule. Erste Abtheilung: des Kindes Wartung und Pflege und die Erziehung der Tochter in Haus und Schule. Ein Handbuch für Mütter und Erzieher von Julie Burow. Leipzig, Hermann Costenoble, -1833. — Der Verfasser des ersten Buchs gibt eine zusammengedrängte Dar¬ stellung des Einflusses, welchen die verschiedenen Religionsformen auf die Liebe gehabt haben. Er sängt bei den Wilden an und hört bei Byron und Heine auf. Er hat es verstanden, eine ziemlich umfangreiche Belesenheit auf eine anmuthige und liebenswürdige Weise zu verwerthen; ob sein weiterer Zweck, diesen Gegenstand, der in seinem völligen Umfang doch wol nur von Männern verstanden werden kann, so zu mildern, daß sich auch eine gebildete Dame an ihrem Toilettentisch damit beschäftigen kann, möchten wir nach einigen Stellen stark bezweifeln. — Interessant ist, was er über den Einfluß der Reformation auf das Verhältniß der Geschlechter sagt. Indem der Protestantismus es sich zur Aufgabe machte, auf den Geist des ersten, ursprünglichen Christenthums zurückzugehen, nahm er nothwendig auch alle die Einseitigkeit an, mit welcher das christliche Bewußtsein zuerst ausgetreten war, sofern es seinen geistigen Universalismus noch nicht nach allen seinen Konsequenzen in das Leben einzu¬ führen vermochte, vielmehr von diesem und seinen natürlichen Beziehungen ganz absehend, sich in einer blos geistigen Innerlichkeit bewegte, welche ebendeswegen eine jenen natürlichen Lebcnsgebieten ganz äußerliche blieb. Es ist bekannt, wie sich die Reformation gegen die freieren weltlichen Elemente, denen sie großentheils ihr Dasein verdankte, in eine Opposition setzte, welche ganz der des ersten Christenthums gegen das Heidenthum zu vergleichen ist, wie sie den Geist überall auf seinen fernsten, abstractesten Standpunkt zurückführte. Gleich in den ersten Jahren der herrschend gewordenen neuen Kirche wurde von jenen Beförderern der classischen Studien, welche in der endlich zum Ausbruch ge¬ kommenen großen Bewegung den Anfang eines neuen, natürlichern und freiern Daseins begrüßt hatten, die lauteste Klage erhoben, daß die schönen Wissen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/269>, abgerufen am 06.05.2024.