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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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popularisieren, weil diese gewöhnlich durch Voraussetzungen bestimmt wird, die
der Masse des Publicums ganz fremd sind. Die Tendenz der Schrift wird
schon durch die Auswahl der Aufklärer bezeichnet. In den beiden ersten
Bänden, wo die Engländer und Franzosen behandelt werden, trifft man die
gewöhnlichen Namen wieder an; im dritten Bande finden wir folgende Schrift¬
steller: Dippel, Edelmann, Wolff, Reimarus, Bahrdt, Mendelssohn, Base¬
dow, Steinhart, Maubillon, Lesstng, Kant, (35 Seiten), Fichte, (1-1 Seiten),
Strauß und Feuerbach. Die Popularisirung Kants und Fichtes steht zuweilen
sehr drollig aus.--


Der Kampf um das schwarze Meer. Historische Darstellungen aus der
Geschichte Rußlands. Von Theodor Mundt. Braunschweig. Wester¬
mann. --

Statt "historische Darstellungen" hätte der Verfasser seine Schrift auch
als novellistische Darstellungen bezeichnen können, denn obgleich der Stoff der
Geschichte angehört, ist die Behandlung durchaus im Feuilletonstil. Dagegen
wäre an sich nichts zu sagen, denn der Gegenstand verdient, unserm Volk immer
wieder von neuem eingeschärft zu werden und man darf kein Mittel verschmähen,
durch das man leichtern Zugang gewinnen kann. Allein Herr Mundt hat
dem Feuilleton zu Liebe die natürliche Ordnung und Folge der Geschichte
ziemlich stark durcheinandergeworfen und sein Stil verliert sich zuweilen in
Schwulst und Manierirtheit. Wäre das Buch rein zur Unterhaltungslectüre
bestimmt, so würden diese Fehler weniger hervortreten, da der Geschmack eines
großen Theils im Publicum mit dem Geschmack des Schriftstellers überein¬
stimmt; aber da es zugleich bestimmte Ansichten und Ueberzeugungen vertreten
und verbreiten soll, wäre etwas mehr Ernst und Bestimmtheit im Ausdruck zu
wünschen gewesen. -Am besten hätte der Verfasser gethan, die Regierungszeit
der Kaiserin Katharina II,, innerhalb deren sich seine Geschichte bewegt, in
ihrer Totalität darzustellen und nach der gewöhnlichen historischen Methode zu
verfahren: die Quellen zu studiren, sie kritisch zu prüfen, dann den Bericht
möglichst übersichtlich zu gruppiren u. s. w. --


Zur sechshundertjährigen Jubelfeier der Stadt Königsberg. Histori¬
sche Erinnerungen an Königsbergs Zustände seit seiner Erbauung von
IN. F. W. Schubert, Geh. Regierungsrath und Professor. Königsberg,
Schubert Le Seidel. --

Wir knüpfen an diese Gelegenhcitsschrift, die mit der bekannten Sorgfalt
und Gründlichkeit des Verfassers ausgearbeitet ist, eine allgemeine Betrachtung,
die sich aus das Schicksal der altberühniten Universität Königsberg bezieht.
Schon seit der Gründung der Universität Berlin ist man allmälig zu der Ueberzeu¬
gung gekommen, daß die kleinern Universiläte" sich auf die Dauer nicht werden


popularisieren, weil diese gewöhnlich durch Voraussetzungen bestimmt wird, die
der Masse des Publicums ganz fremd sind. Die Tendenz der Schrift wird
schon durch die Auswahl der Aufklärer bezeichnet. In den beiden ersten
Bänden, wo die Engländer und Franzosen behandelt werden, trifft man die
gewöhnlichen Namen wieder an; im dritten Bande finden wir folgende Schrift¬
steller: Dippel, Edelmann, Wolff, Reimarus, Bahrdt, Mendelssohn, Base¬
dow, Steinhart, Maubillon, Lesstng, Kant, (35 Seiten), Fichte, (1-1 Seiten),
Strauß und Feuerbach. Die Popularisirung Kants und Fichtes steht zuweilen
sehr drollig aus.—


Der Kampf um das schwarze Meer. Historische Darstellungen aus der
Geschichte Rußlands. Von Theodor Mundt. Braunschweig. Wester¬
mann. —

Statt „historische Darstellungen" hätte der Verfasser seine Schrift auch
als novellistische Darstellungen bezeichnen können, denn obgleich der Stoff der
Geschichte angehört, ist die Behandlung durchaus im Feuilletonstil. Dagegen
wäre an sich nichts zu sagen, denn der Gegenstand verdient, unserm Volk immer
wieder von neuem eingeschärft zu werden und man darf kein Mittel verschmähen,
durch das man leichtern Zugang gewinnen kann. Allein Herr Mundt hat
dem Feuilleton zu Liebe die natürliche Ordnung und Folge der Geschichte
ziemlich stark durcheinandergeworfen und sein Stil verliert sich zuweilen in
Schwulst und Manierirtheit. Wäre das Buch rein zur Unterhaltungslectüre
bestimmt, so würden diese Fehler weniger hervortreten, da der Geschmack eines
großen Theils im Publicum mit dem Geschmack des Schriftstellers überein¬
stimmt; aber da es zugleich bestimmte Ansichten und Ueberzeugungen vertreten
und verbreiten soll, wäre etwas mehr Ernst und Bestimmtheit im Ausdruck zu
wünschen gewesen. -Am besten hätte der Verfasser gethan, die Regierungszeit
der Kaiserin Katharina II,, innerhalb deren sich seine Geschichte bewegt, in
ihrer Totalität darzustellen und nach der gewöhnlichen historischen Methode zu
verfahren: die Quellen zu studiren, sie kritisch zu prüfen, dann den Bericht
möglichst übersichtlich zu gruppiren u. s. w. —


Zur sechshundertjährigen Jubelfeier der Stadt Königsberg. Histori¬
sche Erinnerungen an Königsbergs Zustände seit seiner Erbauung von
IN. F. W. Schubert, Geh. Regierungsrath und Professor. Königsberg,
Schubert Le Seidel. —

Wir knüpfen an diese Gelegenhcitsschrift, die mit der bekannten Sorgfalt
und Gründlichkeit des Verfassers ausgearbeitet ist, eine allgemeine Betrachtung,
die sich aus das Schicksal der altberühniten Universität Königsberg bezieht.
Schon seit der Gründung der Universität Berlin ist man allmälig zu der Ueberzeu¬
gung gekommen, daß die kleinern Universiläte» sich auf die Dauer nicht werden


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[0216] popularisieren, weil diese gewöhnlich durch Voraussetzungen bestimmt wird, die der Masse des Publicums ganz fremd sind. Die Tendenz der Schrift wird schon durch die Auswahl der Aufklärer bezeichnet. In den beiden ersten Bänden, wo die Engländer und Franzosen behandelt werden, trifft man die gewöhnlichen Namen wieder an; im dritten Bande finden wir folgende Schrift¬ steller: Dippel, Edelmann, Wolff, Reimarus, Bahrdt, Mendelssohn, Base¬ dow, Steinhart, Maubillon, Lesstng, Kant, (35 Seiten), Fichte, (1-1 Seiten), Strauß und Feuerbach. Die Popularisirung Kants und Fichtes steht zuweilen sehr drollig aus.— Der Kampf um das schwarze Meer. Historische Darstellungen aus der Geschichte Rußlands. Von Theodor Mundt. Braunschweig. Wester¬ mann. — Statt „historische Darstellungen" hätte der Verfasser seine Schrift auch als novellistische Darstellungen bezeichnen können, denn obgleich der Stoff der Geschichte angehört, ist die Behandlung durchaus im Feuilletonstil. Dagegen wäre an sich nichts zu sagen, denn der Gegenstand verdient, unserm Volk immer wieder von neuem eingeschärft zu werden und man darf kein Mittel verschmähen, durch das man leichtern Zugang gewinnen kann. Allein Herr Mundt hat dem Feuilleton zu Liebe die natürliche Ordnung und Folge der Geschichte ziemlich stark durcheinandergeworfen und sein Stil verliert sich zuweilen in Schwulst und Manierirtheit. Wäre das Buch rein zur Unterhaltungslectüre bestimmt, so würden diese Fehler weniger hervortreten, da der Geschmack eines großen Theils im Publicum mit dem Geschmack des Schriftstellers überein¬ stimmt; aber da es zugleich bestimmte Ansichten und Ueberzeugungen vertreten und verbreiten soll, wäre etwas mehr Ernst und Bestimmtheit im Ausdruck zu wünschen gewesen. -Am besten hätte der Verfasser gethan, die Regierungszeit der Kaiserin Katharina II,, innerhalb deren sich seine Geschichte bewegt, in ihrer Totalität darzustellen und nach der gewöhnlichen historischen Methode zu verfahren: die Quellen zu studiren, sie kritisch zu prüfen, dann den Bericht möglichst übersichtlich zu gruppiren u. s. w. — Zur sechshundertjährigen Jubelfeier der Stadt Königsberg. Histori¬ sche Erinnerungen an Königsbergs Zustände seit seiner Erbauung von IN. F. W. Schubert, Geh. Regierungsrath und Professor. Königsberg, Schubert Le Seidel. — Wir knüpfen an diese Gelegenhcitsschrift, die mit der bekannten Sorgfalt und Gründlichkeit des Verfassers ausgearbeitet ist, eine allgemeine Betrachtung, die sich aus das Schicksal der altberühniten Universität Königsberg bezieht. Schon seit der Gründung der Universität Berlin ist man allmälig zu der Ueberzeu¬ gung gekommen, daß die kleinern Universiläte» sich auf die Dauer nicht werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/216>, abgerufen am 01.05.2024.