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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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hoher Herren sich befinden, seine Beobachtungen incognito machen zu müssen und
doch mag er nicht selten genöthigt sein, Körbe mit Champagner, Bündel ausgezeich¬
neter Regalia, übermäßig niedrige Hotelrechnungen von sich abzuwehren, denn-
er kann durch seine wirkungsreiche Feder viel zur Frequenz eines Gasthofes bei¬
tragen, dem Strome von Reisenden eine neue Richtung geben u. s. w. Er ist so¬
gar genöthigt gewesen, gegen falsche Reisende zu Protestiren, welche unter dem
Vorwande, von ihm beauftragt zu sein, von den Gastwirthen Zehnten erhoben
und kleine Bestechungen betrügerisch provocirten.

Jetzt, wo nach langer Regenzeit die zurückgehaltene Wanderlust mächtig
hervorzubrechen anfängt, ist der rechte Moment gekommen, auch den Lesern der
Grenzboten die Bücher zu empfehlen, in deren Schutz man auf mehre Wochen
aller papiernen Kritik zu entfliehen wohlthun wird.




Aus Belgien.

Wie Ihnen an den Ufern der Pleiße schon hinlänglich bekannt sein wird,
so hat die russische Preßposaune, der Nord, vom ersten Juli ab wirklich zu er
scheinen angefangen und alle diplomatische und polizeiliche Versuche, dem mos¬
kowitischen Kinde das junge Lebenslicht aufzublasen, sind vergeblich gewesen.
Ja, das Blatt bestrebt sich bereits sogar, populär zu werden, indem es sich den
Händen und der Lunge jener kosmopolitischen Zunft überantwortet hat, deren
Bekanntschaft auch Deutschland 1848 gemacht hat, und deren Mitglieder man
fliegende Buchhändler nannte. Wenn es anfangs hieß, daß der Nord mit der
vielverbreiteten Jndvpendance belge, die gewissermaßen im Solde der fran¬
zösischen Regierung steht, concurriren wolle, so wird das trotz der großen Geld¬
mittel, welche die Unternehmer zu ihrer Verfügung haben, nur eine kühne Idee
bleiben. Als Chefrcdacteur wurde früher Herr Crötineau-Joly bezeichnet,
der jedoch auf dringendes Ersuchen der Polizeibehörde den vielgerühmten gast¬
freien Boden Belgiens verlassen mußte. Zweien seiner Mitarbeiter, einem
Sohne Borussiens aus dem Stamme Israel und einem Sprossen aus dem
weiten Reiche des Zaren, wurde dieselbe Reiseroute anempfohlen. Der Nord
theilt sich die Misston zu, ein Unionsband zwischen dem Norden und dem Westen
zu werden. Das Programm ist ambitiös, und ich halte es auch für unvoll¬
ständig, was ich von dem Namen des ausgewiesenen Chefredacteurs herleite.
Hr. Cretineau-Joly ist einer der fanatischen Partisane der Gesellschaft Jesu;
er ist als Herausgeber einer voluminösen "Geschichte der Gesellschaft
Jesu" der Historiograph dieser berühmten Association, deren geheimste Archive


hoher Herren sich befinden, seine Beobachtungen incognito machen zu müssen und
doch mag er nicht selten genöthigt sein, Körbe mit Champagner, Bündel ausgezeich¬
neter Regalia, übermäßig niedrige Hotelrechnungen von sich abzuwehren, denn-
er kann durch seine wirkungsreiche Feder viel zur Frequenz eines Gasthofes bei¬
tragen, dem Strome von Reisenden eine neue Richtung geben u. s. w. Er ist so¬
gar genöthigt gewesen, gegen falsche Reisende zu Protestiren, welche unter dem
Vorwande, von ihm beauftragt zu sein, von den Gastwirthen Zehnten erhoben
und kleine Bestechungen betrügerisch provocirten.

Jetzt, wo nach langer Regenzeit die zurückgehaltene Wanderlust mächtig
hervorzubrechen anfängt, ist der rechte Moment gekommen, auch den Lesern der
Grenzboten die Bücher zu empfehlen, in deren Schutz man auf mehre Wochen
aller papiernen Kritik zu entfliehen wohlthun wird.




Aus Belgien.

Wie Ihnen an den Ufern der Pleiße schon hinlänglich bekannt sein wird,
so hat die russische Preßposaune, der Nord, vom ersten Juli ab wirklich zu er
scheinen angefangen und alle diplomatische und polizeiliche Versuche, dem mos¬
kowitischen Kinde das junge Lebenslicht aufzublasen, sind vergeblich gewesen.
Ja, das Blatt bestrebt sich bereits sogar, populär zu werden, indem es sich den
Händen und der Lunge jener kosmopolitischen Zunft überantwortet hat, deren
Bekanntschaft auch Deutschland 1848 gemacht hat, und deren Mitglieder man
fliegende Buchhändler nannte. Wenn es anfangs hieß, daß der Nord mit der
vielverbreiteten Jndvpendance belge, die gewissermaßen im Solde der fran¬
zösischen Regierung steht, concurriren wolle, so wird das trotz der großen Geld¬
mittel, welche die Unternehmer zu ihrer Verfügung haben, nur eine kühne Idee
bleiben. Als Chefrcdacteur wurde früher Herr Crötineau-Joly bezeichnet,
der jedoch auf dringendes Ersuchen der Polizeibehörde den vielgerühmten gast¬
freien Boden Belgiens verlassen mußte. Zweien seiner Mitarbeiter, einem
Sohne Borussiens aus dem Stamme Israel und einem Sprossen aus dem
weiten Reiche des Zaren, wurde dieselbe Reiseroute anempfohlen. Der Nord
theilt sich die Misston zu, ein Unionsband zwischen dem Norden und dem Westen
zu werden. Das Programm ist ambitiös, und ich halte es auch für unvoll¬
ständig, was ich von dem Namen des ausgewiesenen Chefredacteurs herleite.
Hr. Cretineau-Joly ist einer der fanatischen Partisane der Gesellschaft Jesu;
er ist als Herausgeber einer voluminösen „Geschichte der Gesellschaft
Jesu" der Historiograph dieser berühmten Association, deren geheimste Archive


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[0276] hoher Herren sich befinden, seine Beobachtungen incognito machen zu müssen und doch mag er nicht selten genöthigt sein, Körbe mit Champagner, Bündel ausgezeich¬ neter Regalia, übermäßig niedrige Hotelrechnungen von sich abzuwehren, denn- er kann durch seine wirkungsreiche Feder viel zur Frequenz eines Gasthofes bei¬ tragen, dem Strome von Reisenden eine neue Richtung geben u. s. w. Er ist so¬ gar genöthigt gewesen, gegen falsche Reisende zu Protestiren, welche unter dem Vorwande, von ihm beauftragt zu sein, von den Gastwirthen Zehnten erhoben und kleine Bestechungen betrügerisch provocirten. Jetzt, wo nach langer Regenzeit die zurückgehaltene Wanderlust mächtig hervorzubrechen anfängt, ist der rechte Moment gekommen, auch den Lesern der Grenzboten die Bücher zu empfehlen, in deren Schutz man auf mehre Wochen aller papiernen Kritik zu entfliehen wohlthun wird. Aus Belgien. Wie Ihnen an den Ufern der Pleiße schon hinlänglich bekannt sein wird, so hat die russische Preßposaune, der Nord, vom ersten Juli ab wirklich zu er scheinen angefangen und alle diplomatische und polizeiliche Versuche, dem mos¬ kowitischen Kinde das junge Lebenslicht aufzublasen, sind vergeblich gewesen. Ja, das Blatt bestrebt sich bereits sogar, populär zu werden, indem es sich den Händen und der Lunge jener kosmopolitischen Zunft überantwortet hat, deren Bekanntschaft auch Deutschland 1848 gemacht hat, und deren Mitglieder man fliegende Buchhändler nannte. Wenn es anfangs hieß, daß der Nord mit der vielverbreiteten Jndvpendance belge, die gewissermaßen im Solde der fran¬ zösischen Regierung steht, concurriren wolle, so wird das trotz der großen Geld¬ mittel, welche die Unternehmer zu ihrer Verfügung haben, nur eine kühne Idee bleiben. Als Chefrcdacteur wurde früher Herr Crötineau-Joly bezeichnet, der jedoch auf dringendes Ersuchen der Polizeibehörde den vielgerühmten gast¬ freien Boden Belgiens verlassen mußte. Zweien seiner Mitarbeiter, einem Sohne Borussiens aus dem Stamme Israel und einem Sprossen aus dem weiten Reiche des Zaren, wurde dieselbe Reiseroute anempfohlen. Der Nord theilt sich die Misston zu, ein Unionsband zwischen dem Norden und dem Westen zu werden. Das Programm ist ambitiös, und ich halte es auch für unvoll¬ ständig, was ich von dem Namen des ausgewiesenen Chefredacteurs herleite. Hr. Cretineau-Joly ist einer der fanatischen Partisane der Gesellschaft Jesu; er ist als Herausgeber einer voluminösen „Geschichte der Gesellschaft Jesu" der Historiograph dieser berühmten Association, deren geheimste Archive

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/276>, abgerufen am 01.05.2024.