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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Purgatorium. Dieses Theater stammt aus dem Jahre 183-1 und die Dvlasse-
menls comiques sind noch jüngeren Ursprungs. Jetzt nähren sich diese Unter¬
nehmungen mit den Ueberresten alter vom Repertorium der andern Vandeville-
theater verschwundenen Bandevilles, die von da aus ihren graden Weg in
die Butte des Lumpensammlers nehmen. Das ehemalige Se. Antoinetheater,
heute Theatre de Beaumarchais, ist dadurch berühmt, daß es zwanzigmal ge¬
schlossen wurde, ohne wie Bilboqutt die Kasse retten zu können und doch wieder
auss neue in die Schranken trat. Sonst ist davon nichts zu rühmen.

Ein neues Theater, das unter dem Namen der Folies nouvelles vor kurzem
eröffnet wurde, macht einiges Glück, weil eine literarische Clique ihm hilfreich
zur Seite steht. Der Komiker Keim verdient auch einigen Beifall und der
Pierrot dieses kleinen Volkstheaters, das auch die sogenannte Welt besucht, ist
nicht der schlechtesten einer. Gleich neben den FunambuleS ist le Petit Lazary,
daS die letzte Stufe der dramatischen Leiter darstellt. Für fünfzehn Sous hat
man die ersten Avantscenen, jene aristokratischen Plätze, welche gekrönte Häupter
und Femmes entretenueS allein in den großen Theatern erschwingen können.
Wer da eine Komödie sucht, der muß sich, wie in den meisten kleinen Theatern,
an das Parterre und die Galerie wenden.

Gedenken wir noch des Theatre Comte im Passage choiseul, ganz hart
am italienischen Theater, wo Publicum und Acteure noch nicht aus den Kinder¬
schuhen getreten sind, sie müßten denn Ammendienste bekleiden. Das verdiente
allenfalls einmal gesehen zu werden.




Palmerston.

Als Lord Palmerston im Februar dieses JahreS den vielgeschmähten
Aberdeen an der Spitze des englischen Cabinets ablöste, war man wol ziemlich
allgemein darüber einverstanden, dies für ein Ereigniß von der bedeutendsten
Tragweite zu halten. An den Namen Palmerston knüpften sich seit Jahrzehn¬
ten zu viele Erinnerungen der verschiedensten Art, als daß sein volles Hervor¬
treten in diesem Augenblicke nicht die größte Aufmerksamkeit hervorgerufen
hätte. Seine Erhebung fiel in einen Zeitpunkt, den Ueberzeugung oder Ahnung
der Mitlebenden für einen der verhängnißvollsten zu halten berechtigt ist.
Alter Ruhm und neue Lorbeer" stehen auf dem Spiele; den Greis, der seit
einem halben Jahrhundert -- und welches halbe Jahrhundert! -- Hand und
Geist in den wichtigsten Staatsgeschäften einer großen und mächtigen Nation
gehabt, erwartete, wo andere vielleicht längst das Recht zur Ruhe, zu einem
otium eum äigui^tL erlangt zu haben glauben, die Feuerprobe! Aber so über-


Purgatorium. Dieses Theater stammt aus dem Jahre 183-1 und die Dvlasse-
menls comiques sind noch jüngeren Ursprungs. Jetzt nähren sich diese Unter¬
nehmungen mit den Ueberresten alter vom Repertorium der andern Vandeville-
theater verschwundenen Bandevilles, die von da aus ihren graden Weg in
die Butte des Lumpensammlers nehmen. Das ehemalige Se. Antoinetheater,
heute Theatre de Beaumarchais, ist dadurch berühmt, daß es zwanzigmal ge¬
schlossen wurde, ohne wie Bilboqutt die Kasse retten zu können und doch wieder
auss neue in die Schranken trat. Sonst ist davon nichts zu rühmen.

Ein neues Theater, das unter dem Namen der Folies nouvelles vor kurzem
eröffnet wurde, macht einiges Glück, weil eine literarische Clique ihm hilfreich
zur Seite steht. Der Komiker Keim verdient auch einigen Beifall und der
Pierrot dieses kleinen Volkstheaters, das auch die sogenannte Welt besucht, ist
nicht der schlechtesten einer. Gleich neben den FunambuleS ist le Petit Lazary,
daS die letzte Stufe der dramatischen Leiter darstellt. Für fünfzehn Sous hat
man die ersten Avantscenen, jene aristokratischen Plätze, welche gekrönte Häupter
und Femmes entretenueS allein in den großen Theatern erschwingen können.
Wer da eine Komödie sucht, der muß sich, wie in den meisten kleinen Theatern,
an das Parterre und die Galerie wenden.

Gedenken wir noch des Theatre Comte im Passage choiseul, ganz hart
am italienischen Theater, wo Publicum und Acteure noch nicht aus den Kinder¬
schuhen getreten sind, sie müßten denn Ammendienste bekleiden. Das verdiente
allenfalls einmal gesehen zu werden.




Palmerston.

Als Lord Palmerston im Februar dieses JahreS den vielgeschmähten
Aberdeen an der Spitze des englischen Cabinets ablöste, war man wol ziemlich
allgemein darüber einverstanden, dies für ein Ereigniß von der bedeutendsten
Tragweite zu halten. An den Namen Palmerston knüpften sich seit Jahrzehn¬
ten zu viele Erinnerungen der verschiedensten Art, als daß sein volles Hervor¬
treten in diesem Augenblicke nicht die größte Aufmerksamkeit hervorgerufen
hätte. Seine Erhebung fiel in einen Zeitpunkt, den Ueberzeugung oder Ahnung
der Mitlebenden für einen der verhängnißvollsten zu halten berechtigt ist.
Alter Ruhm und neue Lorbeer» stehen auf dem Spiele; den Greis, der seit
einem halben Jahrhundert — und welches halbe Jahrhundert! — Hand und
Geist in den wichtigsten Staatsgeschäften einer großen und mächtigen Nation
gehabt, erwartete, wo andere vielleicht längst das Recht zur Ruhe, zu einem
otium eum äigui^tL erlangt zu haben glauben, die Feuerprobe! Aber so über-


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[0039] Purgatorium. Dieses Theater stammt aus dem Jahre 183-1 und die Dvlasse- menls comiques sind noch jüngeren Ursprungs. Jetzt nähren sich diese Unter¬ nehmungen mit den Ueberresten alter vom Repertorium der andern Vandeville- theater verschwundenen Bandevilles, die von da aus ihren graden Weg in die Butte des Lumpensammlers nehmen. Das ehemalige Se. Antoinetheater, heute Theatre de Beaumarchais, ist dadurch berühmt, daß es zwanzigmal ge¬ schlossen wurde, ohne wie Bilboqutt die Kasse retten zu können und doch wieder auss neue in die Schranken trat. Sonst ist davon nichts zu rühmen. Ein neues Theater, das unter dem Namen der Folies nouvelles vor kurzem eröffnet wurde, macht einiges Glück, weil eine literarische Clique ihm hilfreich zur Seite steht. Der Komiker Keim verdient auch einigen Beifall und der Pierrot dieses kleinen Volkstheaters, das auch die sogenannte Welt besucht, ist nicht der schlechtesten einer. Gleich neben den FunambuleS ist le Petit Lazary, daS die letzte Stufe der dramatischen Leiter darstellt. Für fünfzehn Sous hat man die ersten Avantscenen, jene aristokratischen Plätze, welche gekrönte Häupter und Femmes entretenueS allein in den großen Theatern erschwingen können. Wer da eine Komödie sucht, der muß sich, wie in den meisten kleinen Theatern, an das Parterre und die Galerie wenden. Gedenken wir noch des Theatre Comte im Passage choiseul, ganz hart am italienischen Theater, wo Publicum und Acteure noch nicht aus den Kinder¬ schuhen getreten sind, sie müßten denn Ammendienste bekleiden. Das verdiente allenfalls einmal gesehen zu werden. Palmerston. Als Lord Palmerston im Februar dieses JahreS den vielgeschmähten Aberdeen an der Spitze des englischen Cabinets ablöste, war man wol ziemlich allgemein darüber einverstanden, dies für ein Ereigniß von der bedeutendsten Tragweite zu halten. An den Namen Palmerston knüpften sich seit Jahrzehn¬ ten zu viele Erinnerungen der verschiedensten Art, als daß sein volles Hervor¬ treten in diesem Augenblicke nicht die größte Aufmerksamkeit hervorgerufen hätte. Seine Erhebung fiel in einen Zeitpunkt, den Ueberzeugung oder Ahnung der Mitlebenden für einen der verhängnißvollsten zu halten berechtigt ist. Alter Ruhm und neue Lorbeer» stehen auf dem Spiele; den Greis, der seit einem halben Jahrhundert — und welches halbe Jahrhundert! — Hand und Geist in den wichtigsten Staatsgeschäften einer großen und mächtigen Nation gehabt, erwartete, wo andere vielleicht längst das Recht zur Ruhe, zu einem otium eum äigui^tL erlangt zu haben glauben, die Feuerprobe! Aber so über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/39>, abgerufen am 01.05.2024.