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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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theilen sich, Poseidon steigt aus den Fluten auf und trägt'sie im Arm, das
Schiff wird frei, und passende Chorgesänge feiern diese Thatsachen. -- Ferner
erwähnen wir als ein heiteres und sehr geschickt ausgearbeitetes Lustspiel: Die
Brüder Urbani, oder Hypochondercuren, von Rudolph Reichenau, welches am
19. April 1855 mit Beifall auf dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater zu
Berlin aufgeführt wurde, und abgesehn von einigen Wiederholungen, die leicht
zu entfernen sind, überall einen guten Eindruck machen wird. Zum Schluß:
Deal monde. Von Alexander Dumas Sohn. Deutsch von P. I. Rein¬
hard. Wien, Wallishauser. -- Die Halbwelt besteht aus Frauen, die ihren
Männern durchgegangen sind, sich von ihren Liebhabern unterhalten lassen,
Spielhäuser dirigiren u. s. w. Das Stück hat in Paris Furore gemacht,
hauptsächlich des Inhalts wegen, denn grade dem ehrlichen Spießbürger ist
es höchst angenehm, einmal zu sehen, wie eS unter liederlichen Leuten zugeht,
um so angenehmer, wenn er dabei noch einen moralischen Zweck haben.kann,
denn der Versasser ist außerordentlich tugendhaft, er will nicht etwa die Lieder¬
lichkeit empfehlen, sondern alle jungen und alten Leute davor warnen; so ver¬
bindet er auf eine sehr geschickte Weise das Nützliche mit dem Angenehmen.
Die Behandlung des Stoffs ist ganz in der Weise Scribes; doch ziehen wir
den alten ehrlichen Scribe bei weitem vor, eben weil er handgreiflicher ist und
nicht so raffinirte Motive anwendet. Die Sprache ist bei den modernen Fran¬
zosen allerdings viel feiner zugespitzt und die Einfälle verrathen eine viel
größere Routine im Umgang mit den verschiedenen Classen der Gesellschaft,
aber wir können nicht sagen, daß diese zusammengesetzte Gesellschaft der moder¬
nen Romantiker verständiger oder auch nur spaßhafter ist, als die bürgerliche
Gesellschaft Scribes. Noch viel schlimmer ist es freilich, wenn man diese
Halbwelt tragisch behandelt, wie derselbe geschickte Verfasser in der Camelien-
dame gethan. Aber auch im Lustspiel tritt doch zu sehr die widerliche Seite
dieses Lebens hervor. Will man die Unsittlichkeit komisch behandeln, so muß
eS auf die dreiste, ja freche Art geschehen, wie es Moliere im George Daudin
versucht hat. So etwas würden freilich heute unsre Nerven nicht mehr ertragen.




Neue Romane.
Aus der Gesellschaft. Geschichten von Stanislaus Albert. Berlin, Brig!
und Lobeck. --

Es sind harmlose kleine Geschichten aus dem Leben unbemittelter Offiziere,
armer Schauspielerinnen in., mit Liebe und Wärme aufgefaßt und mit großem
Geschick wiedergegeben. --


theilen sich, Poseidon steigt aus den Fluten auf und trägt'sie im Arm, das
Schiff wird frei, und passende Chorgesänge feiern diese Thatsachen. — Ferner
erwähnen wir als ein heiteres und sehr geschickt ausgearbeitetes Lustspiel: Die
Brüder Urbani, oder Hypochondercuren, von Rudolph Reichenau, welches am
19. April 1855 mit Beifall auf dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater zu
Berlin aufgeführt wurde, und abgesehn von einigen Wiederholungen, die leicht
zu entfernen sind, überall einen guten Eindruck machen wird. Zum Schluß:
Deal monde. Von Alexander Dumas Sohn. Deutsch von P. I. Rein¬
hard. Wien, Wallishauser. — Die Halbwelt besteht aus Frauen, die ihren
Männern durchgegangen sind, sich von ihren Liebhabern unterhalten lassen,
Spielhäuser dirigiren u. s. w. Das Stück hat in Paris Furore gemacht,
hauptsächlich des Inhalts wegen, denn grade dem ehrlichen Spießbürger ist
es höchst angenehm, einmal zu sehen, wie eS unter liederlichen Leuten zugeht,
um so angenehmer, wenn er dabei noch einen moralischen Zweck haben.kann,
denn der Versasser ist außerordentlich tugendhaft, er will nicht etwa die Lieder¬
lichkeit empfehlen, sondern alle jungen und alten Leute davor warnen; so ver¬
bindet er auf eine sehr geschickte Weise das Nützliche mit dem Angenehmen.
Die Behandlung des Stoffs ist ganz in der Weise Scribes; doch ziehen wir
den alten ehrlichen Scribe bei weitem vor, eben weil er handgreiflicher ist und
nicht so raffinirte Motive anwendet. Die Sprache ist bei den modernen Fran¬
zosen allerdings viel feiner zugespitzt und die Einfälle verrathen eine viel
größere Routine im Umgang mit den verschiedenen Classen der Gesellschaft,
aber wir können nicht sagen, daß diese zusammengesetzte Gesellschaft der moder¬
nen Romantiker verständiger oder auch nur spaßhafter ist, als die bürgerliche
Gesellschaft Scribes. Noch viel schlimmer ist es freilich, wenn man diese
Halbwelt tragisch behandelt, wie derselbe geschickte Verfasser in der Camelien-
dame gethan. Aber auch im Lustspiel tritt doch zu sehr die widerliche Seite
dieses Lebens hervor. Will man die Unsittlichkeit komisch behandeln, so muß
eS auf die dreiste, ja freche Art geschehen, wie es Moliere im George Daudin
versucht hat. So etwas würden freilich heute unsre Nerven nicht mehr ertragen.




Neue Romane.
Aus der Gesellschaft. Geschichten von Stanislaus Albert. Berlin, Brig!
und Lobeck. —

Es sind harmlose kleine Geschichten aus dem Leben unbemittelter Offiziere,
armer Schauspielerinnen in., mit Liebe und Wärme aufgefaßt und mit großem
Geschick wiedergegeben. —


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[0397] theilen sich, Poseidon steigt aus den Fluten auf und trägt'sie im Arm, das Schiff wird frei, und passende Chorgesänge feiern diese Thatsachen. — Ferner erwähnen wir als ein heiteres und sehr geschickt ausgearbeitetes Lustspiel: Die Brüder Urbani, oder Hypochondercuren, von Rudolph Reichenau, welches am 19. April 1855 mit Beifall auf dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater zu Berlin aufgeführt wurde, und abgesehn von einigen Wiederholungen, die leicht zu entfernen sind, überall einen guten Eindruck machen wird. Zum Schluß: Deal monde. Von Alexander Dumas Sohn. Deutsch von P. I. Rein¬ hard. Wien, Wallishauser. — Die Halbwelt besteht aus Frauen, die ihren Männern durchgegangen sind, sich von ihren Liebhabern unterhalten lassen, Spielhäuser dirigiren u. s. w. Das Stück hat in Paris Furore gemacht, hauptsächlich des Inhalts wegen, denn grade dem ehrlichen Spießbürger ist es höchst angenehm, einmal zu sehen, wie eS unter liederlichen Leuten zugeht, um so angenehmer, wenn er dabei noch einen moralischen Zweck haben.kann, denn der Versasser ist außerordentlich tugendhaft, er will nicht etwa die Lieder¬ lichkeit empfehlen, sondern alle jungen und alten Leute davor warnen; so ver¬ bindet er auf eine sehr geschickte Weise das Nützliche mit dem Angenehmen. Die Behandlung des Stoffs ist ganz in der Weise Scribes; doch ziehen wir den alten ehrlichen Scribe bei weitem vor, eben weil er handgreiflicher ist und nicht so raffinirte Motive anwendet. Die Sprache ist bei den modernen Fran¬ zosen allerdings viel feiner zugespitzt und die Einfälle verrathen eine viel größere Routine im Umgang mit den verschiedenen Classen der Gesellschaft, aber wir können nicht sagen, daß diese zusammengesetzte Gesellschaft der moder¬ nen Romantiker verständiger oder auch nur spaßhafter ist, als die bürgerliche Gesellschaft Scribes. Noch viel schlimmer ist es freilich, wenn man diese Halbwelt tragisch behandelt, wie derselbe geschickte Verfasser in der Camelien- dame gethan. Aber auch im Lustspiel tritt doch zu sehr die widerliche Seite dieses Lebens hervor. Will man die Unsittlichkeit komisch behandeln, so muß eS auf die dreiste, ja freche Art geschehen, wie es Moliere im George Daudin versucht hat. So etwas würden freilich heute unsre Nerven nicht mehr ertragen. Neue Romane. Aus der Gesellschaft. Geschichten von Stanislaus Albert. Berlin, Brig! und Lobeck. — Es sind harmlose kleine Geschichten aus dem Leben unbemittelter Offiziere, armer Schauspielerinnen in., mit Liebe und Wärme aufgefaßt und mit großem Geschick wiedergegeben. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/397>, abgerufen am 01.05.2024.