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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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dung zu geben suchen. Anknüpfungspunkte sind schon in hinreichender Zahl
vorhanden. Die Allianz mit Sardinien, die Bildung einer italienischen Legion,
das Zerwürfniß mit Neapel, die immer mehr um sich greifenden kirchlichen
Streitigkeiten u. s. w., das alles sind Elemente, die, wenn man den großen
Vorsatz einmal gefaßt hat, wol benutzt werden können. So groß wie Klapka
sie darzustellen sucht, ist die Gefahr keineswegs, aber sie ist vorhanden, und
unsere Regierungen haben alle Ursache, auf ihrer Hut zu sein. Wenn es
ihnen nicht gelingt, im Lauf des Winters Rußland zu einem Frieden zu be¬
stimmen, wie ihn die Westmächte annehmen können, so werden sie im näch¬
sten Jahr voraussichtlich doch in den Krieg verwickelt werden, und es wird
Zweckmäßiger für sie sein, wenn sie ihn so führen, um etwas daraus zu ge¬
winnen, als blos um größern Uebelständen zu entgehen. Sollte z. B. Dä¬
nemark früher sich entschließen, in die Allianz der Westmächte einzutreten, als
Preußen, so wären wir um allen möglichen Gewinn des Krieges, und der
Verlust einer der wichtigsten deutschen Provinzen, den wir noch immer als
einen blos provisorischen betrachten, könnte ein definitiver werden.




Die neuen preußischen Wahlen.
Die Kammern und das Land. Von 0r. I. W. I. Braun, Professor an
der Universität zu Bonn und Mitglied des Hauses der Abgeordneten für
den fünften kölnischen Wahlbezirk. Elberseld, N. L. Friderichs. --

Der Termin für die Wahlen ist jetzt festgestellt und je näher er bevor¬
steht, desto größer ist die Besorgniß, mit der wir ihm entgegensehen. Die
Demokraten sind bis jetzt zu keinem Entschluß gekommen, sie haben bis jetzt
ein ganz wunderbares Stillschweigen beobachtet, und wenn in diesen Tagen
von dem einen oder dem andern ihrer Blätter wirklich ein Manifest erfolgen
sollte, so zweifeln wir doch sehr daran, ob die Masse, die bisher zu ihrer Farbe
hielt, so leicht ohne weiteres wird in Bewegung zu setzen sein. In einer Be¬
ziehung kann das als ein Bortheil erscheinen, denn es wird dadurch vermieden,
daß die Liberalen in zwei getrennten und gerüsteten Parteien auf den Schau¬
platz treten. Die Opposition wird alö ein Ganzes erscheinen, umsomehr, wenn
unsre Freunde sich hüten, in ihrem Programm diejenigen Forderungen, an
denen wir bisher vorzugsweise hingen, und die uns bisher zum Theil von
den Demokraten trennten, zu einer ungünstigen Zeit hervorzukehren. Es gilt
jetzt nicht, in Beziehung auf die große Politik die preußische Regierung in
unsre Richtung zu drängen, da dies Vorhaben uns doch nicht gelingen würde,
es gilt, wie wir bereits auseinandergesetzt haben, dem weitern Vordringen der


dung zu geben suchen. Anknüpfungspunkte sind schon in hinreichender Zahl
vorhanden. Die Allianz mit Sardinien, die Bildung einer italienischen Legion,
das Zerwürfniß mit Neapel, die immer mehr um sich greifenden kirchlichen
Streitigkeiten u. s. w., das alles sind Elemente, die, wenn man den großen
Vorsatz einmal gefaßt hat, wol benutzt werden können. So groß wie Klapka
sie darzustellen sucht, ist die Gefahr keineswegs, aber sie ist vorhanden, und
unsere Regierungen haben alle Ursache, auf ihrer Hut zu sein. Wenn es
ihnen nicht gelingt, im Lauf des Winters Rußland zu einem Frieden zu be¬
stimmen, wie ihn die Westmächte annehmen können, so werden sie im näch¬
sten Jahr voraussichtlich doch in den Krieg verwickelt werden, und es wird
Zweckmäßiger für sie sein, wenn sie ihn so führen, um etwas daraus zu ge¬
winnen, als blos um größern Uebelständen zu entgehen. Sollte z. B. Dä¬
nemark früher sich entschließen, in die Allianz der Westmächte einzutreten, als
Preußen, so wären wir um allen möglichen Gewinn des Krieges, und der
Verlust einer der wichtigsten deutschen Provinzen, den wir noch immer als
einen blos provisorischen betrachten, könnte ein definitiver werden.




Die neuen preußischen Wahlen.
Die Kammern und das Land. Von 0r. I. W. I. Braun, Professor an
der Universität zu Bonn und Mitglied des Hauses der Abgeordneten für
den fünften kölnischen Wahlbezirk. Elberseld, N. L. Friderichs. —

Der Termin für die Wahlen ist jetzt festgestellt und je näher er bevor¬
steht, desto größer ist die Besorgniß, mit der wir ihm entgegensehen. Die
Demokraten sind bis jetzt zu keinem Entschluß gekommen, sie haben bis jetzt
ein ganz wunderbares Stillschweigen beobachtet, und wenn in diesen Tagen
von dem einen oder dem andern ihrer Blätter wirklich ein Manifest erfolgen
sollte, so zweifeln wir doch sehr daran, ob die Masse, die bisher zu ihrer Farbe
hielt, so leicht ohne weiteres wird in Bewegung zu setzen sein. In einer Be¬
ziehung kann das als ein Bortheil erscheinen, denn es wird dadurch vermieden,
daß die Liberalen in zwei getrennten und gerüsteten Parteien auf den Schau¬
platz treten. Die Opposition wird alö ein Ganzes erscheinen, umsomehr, wenn
unsre Freunde sich hüten, in ihrem Programm diejenigen Forderungen, an
denen wir bisher vorzugsweise hingen, und die uns bisher zum Theil von
den Demokraten trennten, zu einer ungünstigen Zeit hervorzukehren. Es gilt
jetzt nicht, in Beziehung auf die große Politik die preußische Regierung in
unsre Richtung zu drängen, da dies Vorhaben uns doch nicht gelingen würde,
es gilt, wie wir bereits auseinandergesetzt haben, dem weitern Vordringen der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/495>, abgerufen am 01.05.2024.