Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen bis zum Abend wüthenden Blutbade, das erst ein von den Priestern
heraufbeschworenes Unwetter durch seine den Völkern der regenlosen Küste
unbekannten Donnerschläge entschied, die bereits wankende Herrschaft des pa¬
triarchalischen Despotismus von neuem befestigte. Nur noch ein niedriger
Kamm trennte die Reisegesellschaft von ihrem vorläufigen Ziele, der Stadt
Cuzco, die sie nächsten Tags erreichten, und wohin wir sie binnen kurzem
zu begleiten hoffen.




Aus Konstantinopel.

Der Brand von Kadikoj war, wie
ich Ihnen bereits berichtete, einer der bedeutendsten, die ich hier erlebt habe, nicht
in Anbetracht der Zahl der dadurch zerstörten Häuser, denn alles in allem mag sich
dieselbe auf kaum mehr als zweihundertundzwanzig belaufen, nebst einer Kirche,
einer Moschee und einer Schule, wol aber in Hinsicht auf die Jntensivität der
Feuersbrunst, auf die Größe des Schauspiels, welches sie gewährte, und auf die
Werthe, welche dabei zu Grunde gegangen sind. Man kann behaupten, daß kaum
irgendein Stadtviertel der großen türkischen Capitale, Pera und Galata ausge¬
nommen, den niedergebrannten Theil des besagten Dorfes, welcher an der Stelle
sich erhebt, wo die alte Stadt Chalcedon gestanden, an Wohlhäbigkeit, ja an Reich¬
thum übertrifft. Hier hatten nicht nur mehre osmanische Große ihren Sommersttz
(auch Risa Pascha, der frühere Kriegsminister und einer der begütertsten Magnaten
des Reiches wohnt in Kadikoj) sondern die Elite der armenischen, griechischen und
fränkischen Kaufmannschaft aus dem eigentlichen Stambul, aus Galata, Pera und
Tophane, wählt diesen Punkt alljährlich aus, "um dort ihre Familien, die im
Winter und einen oder zwei Monate des Frühjahrs hindurch in den engen Stra¬
ßen der genannten Quartiere wohnen, frische Lust schöpfen und Sommer und Herbst
im Freien genießen zu lassen. Der Eindruck, den Kadikoj macht, ist auf den
ersten Anblick dieser Bestimmung nicht ganz entsprechend. In keiner Weltgegend,
in welche westliche Cultur sich Eingang verschafft hat, herrscht vielleicht weniger
Luxus in Betreff der Architektur der Wohnungen wie im Orient, und zumal hier
in Konstantinopel. Die allgemein angewendete Bauart aus Holz beschrieb ich
Ihnen bereits ausführlicher. In Kadikoj ist sie nnn freilich nicht durchgängig an¬
gewendet, indem mehre Häuser, zumal im Erdgeschoß, massiv ausgeführt sind, aber
sie ist für die größere Anzahl Norm geblieben. Am Aeußern dieser Bauten nimmt
man kaum irgend welchen Zierrath wahr; aber sie sind hier und da von recht zier¬
lichen und zum Theil mit Geschmack angelegten Gärten umgeben, in denen die
Bosquets ans Myrthen, Lorbeeren und Orangen sich formiren; und haben außer¬
dem in ihrem Innern größere und lustigere Gemächer und Säle, (Divan Hane)
als man in den Häusern der eigentlichen Stadt anzutreffen pflegt, was ein stärkeres
Gebälk, höhere Stockwerke und mithin eine im Allgemeinen festere Baumethode
bedingt. In den letzten zwölf Monaten hatten außer den Kaufleuten auch ver>


65*

gen bis zum Abend wüthenden Blutbade, das erst ein von den Priestern
heraufbeschworenes Unwetter durch seine den Völkern der regenlosen Küste
unbekannten Donnerschläge entschied, die bereits wankende Herrschaft des pa¬
triarchalischen Despotismus von neuem befestigte. Nur noch ein niedriger
Kamm trennte die Reisegesellschaft von ihrem vorläufigen Ziele, der Stadt
Cuzco, die sie nächsten Tags erreichten, und wohin wir sie binnen kurzem
zu begleiten hoffen.




Aus Konstantinopel.

Der Brand von Kadikoj war, wie
ich Ihnen bereits berichtete, einer der bedeutendsten, die ich hier erlebt habe, nicht
in Anbetracht der Zahl der dadurch zerstörten Häuser, denn alles in allem mag sich
dieselbe auf kaum mehr als zweihundertundzwanzig belaufen, nebst einer Kirche,
einer Moschee und einer Schule, wol aber in Hinsicht auf die Jntensivität der
Feuersbrunst, auf die Größe des Schauspiels, welches sie gewährte, und auf die
Werthe, welche dabei zu Grunde gegangen sind. Man kann behaupten, daß kaum
irgendein Stadtviertel der großen türkischen Capitale, Pera und Galata ausge¬
nommen, den niedergebrannten Theil des besagten Dorfes, welcher an der Stelle
sich erhebt, wo die alte Stadt Chalcedon gestanden, an Wohlhäbigkeit, ja an Reich¬
thum übertrifft. Hier hatten nicht nur mehre osmanische Große ihren Sommersttz
(auch Risa Pascha, der frühere Kriegsminister und einer der begütertsten Magnaten
des Reiches wohnt in Kadikoj) sondern die Elite der armenischen, griechischen und
fränkischen Kaufmannschaft aus dem eigentlichen Stambul, aus Galata, Pera und
Tophane, wählt diesen Punkt alljährlich aus, «um dort ihre Familien, die im
Winter und einen oder zwei Monate des Frühjahrs hindurch in den engen Stra¬
ßen der genannten Quartiere wohnen, frische Lust schöpfen und Sommer und Herbst
im Freien genießen zu lassen. Der Eindruck, den Kadikoj macht, ist auf den
ersten Anblick dieser Bestimmung nicht ganz entsprechend. In keiner Weltgegend,
in welche westliche Cultur sich Eingang verschafft hat, herrscht vielleicht weniger
Luxus in Betreff der Architektur der Wohnungen wie im Orient, und zumal hier
in Konstantinopel. Die allgemein angewendete Bauart aus Holz beschrieb ich
Ihnen bereits ausführlicher. In Kadikoj ist sie nnn freilich nicht durchgängig an¬
gewendet, indem mehre Häuser, zumal im Erdgeschoß, massiv ausgeführt sind, aber
sie ist für die größere Anzahl Norm geblieben. Am Aeußern dieser Bauten nimmt
man kaum irgend welchen Zierrath wahr; aber sie sind hier und da von recht zier¬
lichen und zum Theil mit Geschmack angelegten Gärten umgeben, in denen die
Bosquets ans Myrthen, Lorbeeren und Orangen sich formiren; und haben außer¬
dem in ihrem Innern größere und lustigere Gemächer und Säle, (Divan Hane)
als man in den Häusern der eigentlichen Stadt anzutreffen pflegt, was ein stärkeres
Gebälk, höhere Stockwerke und mithin eine im Allgemeinen festere Baumethode
bedingt. In den letzten zwölf Monaten hatten außer den Kaufleuten auch ver>


65*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100443"/>
            <p xml:id="ID_1491" prev="#ID_1490"> gen bis zum Abend wüthenden Blutbade, das erst ein von den Priestern<lb/>
heraufbeschworenes Unwetter durch seine den Völkern der regenlosen Küste<lb/>
unbekannten Donnerschläge entschied, die bereits wankende Herrschaft des pa¬<lb/>
triarchalischen Despotismus von neuem befestigte. Nur noch ein niedriger<lb/>
Kamm trennte die Reisegesellschaft von ihrem vorläufigen Ziele, der Stadt<lb/>
Cuzco, die sie nächsten Tags erreichten, und wohin wir sie binnen kurzem<lb/>
zu begleiten hoffen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head/><lb/>
          <div n="2">
            <head> Aus Konstantinopel. </head>
            <p xml:id="ID_1492" next="#ID_1493">  Der Brand von Kadikoj war, wie<lb/>
ich Ihnen bereits berichtete, einer der bedeutendsten, die ich hier erlebt habe, nicht<lb/>
in Anbetracht der Zahl der dadurch zerstörten Häuser, denn alles in allem mag sich<lb/>
dieselbe auf kaum mehr als zweihundertundzwanzig belaufen, nebst einer Kirche,<lb/>
einer Moschee und einer Schule, wol aber in Hinsicht auf die Jntensivität der<lb/>
Feuersbrunst, auf die Größe des Schauspiels, welches sie gewährte, und auf die<lb/>
Werthe, welche dabei zu Grunde gegangen sind.  Man kann behaupten, daß kaum<lb/>
irgendein Stadtviertel der großen türkischen Capitale, Pera und Galata ausge¬<lb/>
nommen, den niedergebrannten Theil des besagten Dorfes, welcher an der Stelle<lb/>
sich erhebt, wo die alte Stadt Chalcedon gestanden, an Wohlhäbigkeit, ja an Reich¬<lb/>
thum übertrifft.  Hier hatten nicht nur mehre osmanische Große ihren Sommersttz<lb/>
(auch Risa Pascha, der frühere Kriegsminister und einer der begütertsten Magnaten<lb/>
des Reiches wohnt in Kadikoj) sondern die Elite der armenischen, griechischen und<lb/>
fränkischen Kaufmannschaft aus dem eigentlichen Stambul, aus Galata, Pera und<lb/>
Tophane, wählt diesen Punkt alljährlich aus, «um dort ihre Familien, die im<lb/>
Winter und einen oder zwei Monate des Frühjahrs hindurch in den engen Stra¬<lb/>
ßen der genannten Quartiere wohnen, frische Lust schöpfen und Sommer und Herbst<lb/>
im Freien genießen zu lassen.  Der Eindruck, den Kadikoj macht, ist auf den<lb/>
ersten Anblick dieser Bestimmung nicht ganz entsprechend.  In keiner Weltgegend,<lb/>
in welche westliche Cultur sich Eingang verschafft hat, herrscht vielleicht weniger<lb/>
Luxus in Betreff der Architektur der Wohnungen wie im Orient, und zumal hier<lb/>
in Konstantinopel.  Die allgemein angewendete Bauart aus Holz beschrieb ich<lb/>
Ihnen bereits ausführlicher.  In Kadikoj ist sie nnn freilich nicht durchgängig an¬<lb/>
gewendet, indem mehre Häuser, zumal im Erdgeschoß, massiv ausgeführt sind, aber<lb/>
sie ist für die größere Anzahl Norm geblieben.  Am Aeußern dieser Bauten nimmt<lb/>
man kaum irgend welchen Zierrath wahr; aber sie sind hier und da von recht zier¬<lb/>
lichen und zum Theil mit Geschmack angelegten Gärten umgeben, in denen die<lb/>
Bosquets ans Myrthen, Lorbeeren und Orangen sich formiren; und haben außer¬<lb/>
dem in ihrem Innern größere und lustigere Gemächer und Säle, (Divan Hane)<lb/>
als man in den Häusern der eigentlichen Stadt anzutreffen pflegt, was ein stärkeres<lb/>
Gebälk, höhere Stockwerke und mithin eine im Allgemeinen festere Baumethode<lb/>
bedingt.  In den letzten zwölf Monaten hatten außer den Kaufleuten auch ver&gt;</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 65*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0523] gen bis zum Abend wüthenden Blutbade, das erst ein von den Priestern heraufbeschworenes Unwetter durch seine den Völkern der regenlosen Küste unbekannten Donnerschläge entschied, die bereits wankende Herrschaft des pa¬ triarchalischen Despotismus von neuem befestigte. Nur noch ein niedriger Kamm trennte die Reisegesellschaft von ihrem vorläufigen Ziele, der Stadt Cuzco, die sie nächsten Tags erreichten, und wohin wir sie binnen kurzem zu begleiten hoffen. Aus Konstantinopel. Der Brand von Kadikoj war, wie ich Ihnen bereits berichtete, einer der bedeutendsten, die ich hier erlebt habe, nicht in Anbetracht der Zahl der dadurch zerstörten Häuser, denn alles in allem mag sich dieselbe auf kaum mehr als zweihundertundzwanzig belaufen, nebst einer Kirche, einer Moschee und einer Schule, wol aber in Hinsicht auf die Jntensivität der Feuersbrunst, auf die Größe des Schauspiels, welches sie gewährte, und auf die Werthe, welche dabei zu Grunde gegangen sind. Man kann behaupten, daß kaum irgendein Stadtviertel der großen türkischen Capitale, Pera und Galata ausge¬ nommen, den niedergebrannten Theil des besagten Dorfes, welcher an der Stelle sich erhebt, wo die alte Stadt Chalcedon gestanden, an Wohlhäbigkeit, ja an Reich¬ thum übertrifft. Hier hatten nicht nur mehre osmanische Große ihren Sommersttz (auch Risa Pascha, der frühere Kriegsminister und einer der begütertsten Magnaten des Reiches wohnt in Kadikoj) sondern die Elite der armenischen, griechischen und fränkischen Kaufmannschaft aus dem eigentlichen Stambul, aus Galata, Pera und Tophane, wählt diesen Punkt alljährlich aus, «um dort ihre Familien, die im Winter und einen oder zwei Monate des Frühjahrs hindurch in den engen Stra¬ ßen der genannten Quartiere wohnen, frische Lust schöpfen und Sommer und Herbst im Freien genießen zu lassen. Der Eindruck, den Kadikoj macht, ist auf den ersten Anblick dieser Bestimmung nicht ganz entsprechend. In keiner Weltgegend, in welche westliche Cultur sich Eingang verschafft hat, herrscht vielleicht weniger Luxus in Betreff der Architektur der Wohnungen wie im Orient, und zumal hier in Konstantinopel. Die allgemein angewendete Bauart aus Holz beschrieb ich Ihnen bereits ausführlicher. In Kadikoj ist sie nnn freilich nicht durchgängig an¬ gewendet, indem mehre Häuser, zumal im Erdgeschoß, massiv ausgeführt sind, aber sie ist für die größere Anzahl Norm geblieben. Am Aeußern dieser Bauten nimmt man kaum irgend welchen Zierrath wahr; aber sie sind hier und da von recht zier¬ lichen und zum Theil mit Geschmack angelegten Gärten umgeben, in denen die Bosquets ans Myrthen, Lorbeeren und Orangen sich formiren; und haben außer¬ dem in ihrem Innern größere und lustigere Gemächer und Säle, (Divan Hane) als man in den Häusern der eigentlichen Stadt anzutreffen pflegt, was ein stärkeres Gebälk, höhere Stockwerke und mithin eine im Allgemeinen festere Baumethode bedingt. In den letzten zwölf Monaten hatten außer den Kaufleuten auch ver> 65*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/523
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/523>, abgerufen am 01.05.2024.