Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.Geschwister verkrochen sich, seine Geliebte war ihm untreu geworden'und hatte Korrespondenzen. Pariser Brief. -- Wen" Sie dieses Schreibe" erhalten ist wieder ein Dieses Jahr des Krieges, der Krankheit und der Noth hatte "och Thatkraft Geeuzbvte". I. >8un. Is
Geschwister verkrochen sich, seine Geliebte war ihm untreu geworden'und hatte Korrespondenzen. Pariser Brief. — Wen» Sie dieses Schreibe» erhalten ist wieder ein Dieses Jahr des Krieges, der Krankheit und der Noth hatte »och Thatkraft Geeuzbvte». I. >8un. Is
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101114"/> <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322"> Geschwister verkrochen sich, seine Geliebte war ihm untreu geworden'und hatte<lb/> einen andern geheirathet, nur das Mutterherz fand aus der verwilderten Gestalt<lb/> den Sohn heraus. Aber auch sein späteres Leben in dem einsamen Thal wurde<lb/> durch die Abenteuer dieser Zeit gestört. Es war ein fremdes, unheimliches Element<lb/> in ihn gekommen, reizbare Unruhe, Begehrlichkeit und Entwöhnung stetiger<lb/> Arbeit. Wir werden so wenig als er sell'se seine Desertion als ein moralisches<lb/> Unrecht verurtheilen; durch Betrug uno empörenden Zwang zur Fahne geschleppt,<lb/> ohne ein gemüthliches Interesse an dem Kampf, in den er geschleudert worden<lb/> war, wie sollte da ein Gefühl der Pflicht in einer sonst gut gearteten und fein¬<lb/> fühlende» Natur erwachsen? — Hierüber möge sein Schicksal, das, verglichen<lb/> mit dem Geschick andrer, die ein ähnliches Unheil traf, immer noch zu den<lb/> günstigsten geHorte, als ein Beispiel gelten, wie die Gewaltthätigkeit der<lb/> Staatsraison vor hundert Jahren mit dem Leben, der Freiheit und dem Lebens-<lb/> glück der Einzelnen geschaltet hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Korrespondenzen.</head><lb/> <div n="2"> <head> Pariser Brief. </head> <p xml:id="ID_324"> — Wen» Sie dieses Schreibe» erhalten ist wieder ein<lb/> Jahr der Geschichte anheimgefallen, ein Jahr so reich a» Ereignisse», so »mannig¬<lb/> faltig a» Erscheinungen, die de» menschliche» Geist interessiren, daß es keine leichte<lb/> A»fgabe ist, auch nur in summarischer Uebersicht eine» vollständige» Begriff von<lb/> dem Zuhalte dieses kurze» Zeitabschnitts der Geschichte der Gegenwart zu geben.<lb/> Die Bedeutung des verflossenen Jahres liegt in großen Ereignissen wie in kleinen<lb/> Zufälligkeiten, in Einzelheiten, welche dem befangenen Auge des Zeitgenossen ent¬<lb/> gehen oder die bei ihrer idealen Beschaffenheit vor stärker auftretenden, geräusch¬<lb/> voller sich kundgebenden Thatsachen augenblicklich in den Hintergrund treten.</p><lb/> <p xml:id="ID_325" next="#ID_326"> Dieses Jahr des Krieges, der Krankheit und der Noth hatte »och Thatkraft<lb/> genug, die Blüten des weuschliche» Fleißes »»d der europäischen Kunst zu hoher<lb/> Entfaltung zu bringen, der Versöhnung lange entzweiter Nationen einen unver-<lb/> löschlichem Ausdruck zu geben. Wir finden in dieser Gleichzeitigkeit von sonst Un¬<lb/> vereinbarem den wesentlichen Charakter einer neuen Zeit, die zum ersten Male prak¬<lb/> tisch zur Erscheinung kommt. Das Vorrecht des Kriegers, unter dessen gewichtigen<lb/> Tritte sonst alles geistige Leben verkümmern mußte, allein das Interesse und die<lb/> Theilnahme der Welt in Anspruch zu nehmen, so wie er ins Feld zieht, ist nicht<lb/> mehr, und trotz der Achtung, welche Männer stets erwerben werden, welche im Dienste<lb/> einer Idee oder eines allgemeinen Interesses ihr Leben einsetzen, trotz der Sympathie,<lb/> .welche wir für Tapferkeit ,ind geistige Ueberlegenheit auf dem Schlachtfelde mit<lb/> Recht hegen, unsre Gedanken haben lauge nicht mehr die beschränkte Richtung,<lb/> welche im Kriegshandwerke, und mag es mit noch so großer Virtuosität betrieben<lb/> werden, das Höchste erkennt. Unsre Anschauung hat eine wesentliche Umgestaltung<lb/> erfahren und werden wir dem tapferen Angriffe aus der eine», dem hartnäckigen<lb/> Widersta»de aus der andern Seite die Anerkennung nicht versagen, so weilen wir</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Geeuzbvte». I. >8un. Is</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
Geschwister verkrochen sich, seine Geliebte war ihm untreu geworden'und hatte
einen andern geheirathet, nur das Mutterherz fand aus der verwilderten Gestalt
den Sohn heraus. Aber auch sein späteres Leben in dem einsamen Thal wurde
durch die Abenteuer dieser Zeit gestört. Es war ein fremdes, unheimliches Element
in ihn gekommen, reizbare Unruhe, Begehrlichkeit und Entwöhnung stetiger
Arbeit. Wir werden so wenig als er sell'se seine Desertion als ein moralisches
Unrecht verurtheilen; durch Betrug uno empörenden Zwang zur Fahne geschleppt,
ohne ein gemüthliches Interesse an dem Kampf, in den er geschleudert worden
war, wie sollte da ein Gefühl der Pflicht in einer sonst gut gearteten und fein¬
fühlende» Natur erwachsen? — Hierüber möge sein Schicksal, das, verglichen
mit dem Geschick andrer, die ein ähnliches Unheil traf, immer noch zu den
günstigsten geHorte, als ein Beispiel gelten, wie die Gewaltthätigkeit der
Staatsraison vor hundert Jahren mit dem Leben, der Freiheit und dem Lebens-
glück der Einzelnen geschaltet hat.
Korrespondenzen.
Pariser Brief. — Wen» Sie dieses Schreibe» erhalten ist wieder ein
Jahr der Geschichte anheimgefallen, ein Jahr so reich a» Ereignisse», so »mannig¬
faltig a» Erscheinungen, die de» menschliche» Geist interessiren, daß es keine leichte
A»fgabe ist, auch nur in summarischer Uebersicht eine» vollständige» Begriff von
dem Zuhalte dieses kurze» Zeitabschnitts der Geschichte der Gegenwart zu geben.
Die Bedeutung des verflossenen Jahres liegt in großen Ereignissen wie in kleinen
Zufälligkeiten, in Einzelheiten, welche dem befangenen Auge des Zeitgenossen ent¬
gehen oder die bei ihrer idealen Beschaffenheit vor stärker auftretenden, geräusch¬
voller sich kundgebenden Thatsachen augenblicklich in den Hintergrund treten.
Dieses Jahr des Krieges, der Krankheit und der Noth hatte »och Thatkraft
genug, die Blüten des weuschliche» Fleißes »»d der europäischen Kunst zu hoher
Entfaltung zu bringen, der Versöhnung lange entzweiter Nationen einen unver-
löschlichem Ausdruck zu geben. Wir finden in dieser Gleichzeitigkeit von sonst Un¬
vereinbarem den wesentlichen Charakter einer neuen Zeit, die zum ersten Male prak¬
tisch zur Erscheinung kommt. Das Vorrecht des Kriegers, unter dessen gewichtigen
Tritte sonst alles geistige Leben verkümmern mußte, allein das Interesse und die
Theilnahme der Welt in Anspruch zu nehmen, so wie er ins Feld zieht, ist nicht
mehr, und trotz der Achtung, welche Männer stets erwerben werden, welche im Dienste
einer Idee oder eines allgemeinen Interesses ihr Leben einsetzen, trotz der Sympathie,
.welche wir für Tapferkeit ,ind geistige Ueberlegenheit auf dem Schlachtfelde mit
Recht hegen, unsre Gedanken haben lauge nicht mehr die beschränkte Richtung,
welche im Kriegshandwerke, und mag es mit noch so großer Virtuosität betrieben
werden, das Höchste erkennt. Unsre Anschauung hat eine wesentliche Umgestaltung
erfahren und werden wir dem tapferen Angriffe aus der eine», dem hartnäckigen
Widersta»de aus der andern Seite die Anerkennung nicht versagen, so weilen wir
Geeuzbvte». I. >8un. Is
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |