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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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HonigtropfenS gewachsen ist, versucht sie mit dem geringen Material ihrer
Kenntniß sich den genialen Gedanken Erwins von Steinbach zu entwickeln.
Die Thörin!




Die neueste politische Situation.
A. L.

Schon in der nächsten Woche werden sich in Paris die Vertreter von vier
Großmächten und selbst die zweier Staaten zweiten oder dritten Ranges ver¬
sammeln. Preußen wird an den bevorstehenden Friedensconferenzen nicht Theil
nehmen.

Diese Thatsache wird für die nächste Zukunft Preußens und damit auch
Deutschlands so folgenreich sein, daß es nothwendig wird, ihre Bedeutung scharf
ins Auge zu fassen.

Preußen hat einen mehrfach begründeten Anspruch darauf, an Berathun¬
gen Theil zu nehmen, durch welche die gegenwärtige Phase der orientalischen Frage
erledigt werden soll. Es hat diesen Anspruch zunächst schon al.s Großmacht
und Mitunterzeichner des achmer Congreßprotokolls, wodurch sich die fünf Gro߬
mächte verpflichteten, künftig stets den Versuch zu machen, obschwebende Fragen
von allgemeinem Interesse durch gemeinschaftliche Berathung zu erledigen.

Der Anspruch Preußens ist aber noch specieller begründet. Durch das
von Oestreich, England, Frankreich und Preußen gezeichnete wiener Protokoll
vom 9. April 1834 verpflichteten sich diese vier Mächte mit "Rußland keine
irgend feste Ausgleichung zu treffen, ehe sie vorher gemeinschaftlich darüber be¬
rathen haben würden."

Endlich enthalten die jetzt zu zeichnenden Friedenspräliminarien Bestim¬
mungen, wodurch feierlich Verträge abgeändert werden, welche von Preußen
mit Mächten, welche die Präliminarien unterzeichnen werden, abgeschlossen sind.
Es ist vor allem der Vertrag vom 13. Juli 184-1, welcher durch die Prälimi¬
narien modificirt wird. Derselbe ist abgeschlossen aus der einen Seite von den
fünf Großmächten, auf der andern von der Türkei und bestimmt, daß keine
europäische Macht Kriegsschiffe durch die Dardanellen gehen lassen darf, mit
Ausnahme von Schiffen, welche von den in Konstantinopel accreditirten Ge¬
sandtschaften für diplomatische Zwecke gebraucht werden. Die Präliminarien
erlaubten aber jeder der zeichnenden Mächte einige leichte Kriegsschiffe an den
Donaumündungen zu postiren, modificiren also einen Vertrag, auf dessen un¬
bedingte Aufrechthaltung Preußen ein Recht hat.

Die Verletzung Preußens wird um so viel auffallender, als dasselbe seinen


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HonigtropfenS gewachsen ist, versucht sie mit dem geringen Material ihrer
Kenntniß sich den genialen Gedanken Erwins von Steinbach zu entwickeln.
Die Thörin!




Die neueste politische Situation.
A. L.

Schon in der nächsten Woche werden sich in Paris die Vertreter von vier
Großmächten und selbst die zweier Staaten zweiten oder dritten Ranges ver¬
sammeln. Preußen wird an den bevorstehenden Friedensconferenzen nicht Theil
nehmen.

Diese Thatsache wird für die nächste Zukunft Preußens und damit auch
Deutschlands so folgenreich sein, daß es nothwendig wird, ihre Bedeutung scharf
ins Auge zu fassen.

Preußen hat einen mehrfach begründeten Anspruch darauf, an Berathun¬
gen Theil zu nehmen, durch welche die gegenwärtige Phase der orientalischen Frage
erledigt werden soll. Es hat diesen Anspruch zunächst schon al.s Großmacht
und Mitunterzeichner des achmer Congreßprotokolls, wodurch sich die fünf Gro߬
mächte verpflichteten, künftig stets den Versuch zu machen, obschwebende Fragen
von allgemeinem Interesse durch gemeinschaftliche Berathung zu erledigen.

Der Anspruch Preußens ist aber noch specieller begründet. Durch das
von Oestreich, England, Frankreich und Preußen gezeichnete wiener Protokoll
vom 9. April 1834 verpflichteten sich diese vier Mächte mit „Rußland keine
irgend feste Ausgleichung zu treffen, ehe sie vorher gemeinschaftlich darüber be¬
rathen haben würden."

Endlich enthalten die jetzt zu zeichnenden Friedenspräliminarien Bestim¬
mungen, wodurch feierlich Verträge abgeändert werden, welche von Preußen
mit Mächten, welche die Präliminarien unterzeichnen werden, abgeschlossen sind.
Es ist vor allem der Vertrag vom 13. Juli 184-1, welcher durch die Prälimi¬
narien modificirt wird. Derselbe ist abgeschlossen aus der einen Seite von den
fünf Großmächten, auf der andern von der Türkei und bestimmt, daß keine
europäische Macht Kriegsschiffe durch die Dardanellen gehen lassen darf, mit
Ausnahme von Schiffen, welche von den in Konstantinopel accreditirten Ge¬
sandtschaften für diplomatische Zwecke gebraucht werden. Die Präliminarien
erlaubten aber jeder der zeichnenden Mächte einige leichte Kriegsschiffe an den
Donaumündungen zu postiren, modificiren also einen Vertrag, auf dessen un¬
bedingte Aufrechthaltung Preußen ein Recht hat.

Die Verletzung Preußens wird um so viel auffallender, als dasselbe seinen


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[0323] HonigtropfenS gewachsen ist, versucht sie mit dem geringen Material ihrer Kenntniß sich den genialen Gedanken Erwins von Steinbach zu entwickeln. Die Thörin! Die neueste politische Situation. A. L. Schon in der nächsten Woche werden sich in Paris die Vertreter von vier Großmächten und selbst die zweier Staaten zweiten oder dritten Ranges ver¬ sammeln. Preußen wird an den bevorstehenden Friedensconferenzen nicht Theil nehmen. Diese Thatsache wird für die nächste Zukunft Preußens und damit auch Deutschlands so folgenreich sein, daß es nothwendig wird, ihre Bedeutung scharf ins Auge zu fassen. Preußen hat einen mehrfach begründeten Anspruch darauf, an Berathun¬ gen Theil zu nehmen, durch welche die gegenwärtige Phase der orientalischen Frage erledigt werden soll. Es hat diesen Anspruch zunächst schon al.s Großmacht und Mitunterzeichner des achmer Congreßprotokolls, wodurch sich die fünf Gro߬ mächte verpflichteten, künftig stets den Versuch zu machen, obschwebende Fragen von allgemeinem Interesse durch gemeinschaftliche Berathung zu erledigen. Der Anspruch Preußens ist aber noch specieller begründet. Durch das von Oestreich, England, Frankreich und Preußen gezeichnete wiener Protokoll vom 9. April 1834 verpflichteten sich diese vier Mächte mit „Rußland keine irgend feste Ausgleichung zu treffen, ehe sie vorher gemeinschaftlich darüber be¬ rathen haben würden." Endlich enthalten die jetzt zu zeichnenden Friedenspräliminarien Bestim¬ mungen, wodurch feierlich Verträge abgeändert werden, welche von Preußen mit Mächten, welche die Präliminarien unterzeichnen werden, abgeschlossen sind. Es ist vor allem der Vertrag vom 13. Juli 184-1, welcher durch die Prälimi¬ narien modificirt wird. Derselbe ist abgeschlossen aus der einen Seite von den fünf Großmächten, auf der andern von der Türkei und bestimmt, daß keine europäische Macht Kriegsschiffe durch die Dardanellen gehen lassen darf, mit Ausnahme von Schiffen, welche von den in Konstantinopel accreditirten Ge¬ sandtschaften für diplomatische Zwecke gebraucht werden. Die Präliminarien erlaubten aber jeder der zeichnenden Mächte einige leichte Kriegsschiffe an den Donaumündungen zu postiren, modificiren also einen Vertrag, auf dessen un¬ bedingte Aufrechthaltung Preußen ein Recht hat. Die Verletzung Preußens wird um so viel auffallender, als dasselbe seinen 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/323>, abgerufen am 06.05.2024.