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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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lichkeiten. Die Stelle, die er beschrieb, wrttde heiliger Boden, und von Tau¬
senden von Pilgern besucht. Bald war die Phantasie des Volks so vollstän¬
dig von Plaids, Tartscher und Claymores erfüllt, daß von den meisten Eng¬
ländern Schotte und Hochländer für gleichbedeutende Worte gehalten wurden.
Wenige Leute schienen zu wissen, daß in einer nicht fernen Periode ein Mac-
ddnald oder ein Macgregor in seinem Tartar für einen Bürger von Edinburgh
oder Glasgow das war, was ein indianischer Jäger in seiner Kriegsmalerei
für einen Einwohner von Philadelphia oder Boston ist. Künstler und Schau¬
spieler stellten Bruce und Douglas in gestreiften Unterröcken dar. Sie hätten
ebensogut Washington einen Tomahawk' schwingend und mit einer Reihe von
Skalpen umgürtet darstellen können. Endlich' erreichte diese Mode einen Punkt
über den es nicht leicht war, hinauszugehen. Der letzte britische König,
der einen Hos in Holyrood hielt, glaubte, er könne keinen schlagendem Be¬
weis von seiner Achtung sür die Gebräuche geben, die in Schottland vor der
Union geherrscht hätten, als indem er sich in eine Tracht verkleidete, die vor
der Union von neun Schotten unter zehn für die eines Diebes angesehen wurde.--

Schließlich erlauben wir uns noch die geehrte Tauchnitz'sche Buchhandlung
darauf aufmerksam zu machen, daß in ihrer Sammlung der Abhandlungen von
Macaulay eine der interessantesten fehlt, die Abhandlung über Friedrich den
Großen. Sie ist zwar sehr einseitig und parteiisch, aber doch mit vielem Geist
geschrieben und nicht blos sür die Charakteristik des Geschichtschreibers wichtig,
sondern auch sür die richtige Würdigung des großen Königs.




Heinrich Heine.

Bei dem langen schrecklichen Leiden, das den Dichter niederdrückte und
das ohne Hoffnung war, wird kaum jemand Anstand nehmen, seinen Tod ein
Glück zu nennen. Auch für seinen Ruf ists ein Glück. Wenn auch seine
letzten Schriften noch immer Spuren jenes lebendigen dämonischen Geistes
zeigen, der seine ersten Werke der Jugend so werth gemacht hat, so müßte man
sie doch im Ganzen beklagen, denn es war eine Poesie des Elends und der
Noth, die in wildem Behagen sich an ihrer eignen Unwürdigkeit weidete. Auch
von seinem Leben wird das Sprichwort gelten, das sich schon so häufig be¬
währt hat: es wird durch den Tod geadelt werden.

Die ernste Kritik, der'es nicht darauf ankommen kann, einer genialen
Begabung zu Liebe ihre Principien aufzuopfern, hat häufig Veranlassung ge¬
habt, die Unstttlichkeiten des Dichters zu rügen, die, was auch die Romantiker
behaupten mögen, auch immer unschön sind. Das Schöne hat keinen schlim¬
mern Feind, als denjenigen, der es vom Guten trennen will, und wenn man


lichkeiten. Die Stelle, die er beschrieb, wrttde heiliger Boden, und von Tau¬
senden von Pilgern besucht. Bald war die Phantasie des Volks so vollstän¬
dig von Plaids, Tartscher und Claymores erfüllt, daß von den meisten Eng¬
ländern Schotte und Hochländer für gleichbedeutende Worte gehalten wurden.
Wenige Leute schienen zu wissen, daß in einer nicht fernen Periode ein Mac-
ddnald oder ein Macgregor in seinem Tartar für einen Bürger von Edinburgh
oder Glasgow das war, was ein indianischer Jäger in seiner Kriegsmalerei
für einen Einwohner von Philadelphia oder Boston ist. Künstler und Schau¬
spieler stellten Bruce und Douglas in gestreiften Unterröcken dar. Sie hätten
ebensogut Washington einen Tomahawk' schwingend und mit einer Reihe von
Skalpen umgürtet darstellen können. Endlich' erreichte diese Mode einen Punkt
über den es nicht leicht war, hinauszugehen. Der letzte britische König,
der einen Hos in Holyrood hielt, glaubte, er könne keinen schlagendem Be¬
weis von seiner Achtung sür die Gebräuche geben, die in Schottland vor der
Union geherrscht hätten, als indem er sich in eine Tracht verkleidete, die vor
der Union von neun Schotten unter zehn für die eines Diebes angesehen wurde.—

Schließlich erlauben wir uns noch die geehrte Tauchnitz'sche Buchhandlung
darauf aufmerksam zu machen, daß in ihrer Sammlung der Abhandlungen von
Macaulay eine der interessantesten fehlt, die Abhandlung über Friedrich den
Großen. Sie ist zwar sehr einseitig und parteiisch, aber doch mit vielem Geist
geschrieben und nicht blos sür die Charakteristik des Geschichtschreibers wichtig,
sondern auch sür die richtige Würdigung des großen Königs.




Heinrich Heine.

Bei dem langen schrecklichen Leiden, das den Dichter niederdrückte und
das ohne Hoffnung war, wird kaum jemand Anstand nehmen, seinen Tod ein
Glück zu nennen. Auch für seinen Ruf ists ein Glück. Wenn auch seine
letzten Schriften noch immer Spuren jenes lebendigen dämonischen Geistes
zeigen, der seine ersten Werke der Jugend so werth gemacht hat, so müßte man
sie doch im Ganzen beklagen, denn es war eine Poesie des Elends und der
Noth, die in wildem Behagen sich an ihrer eignen Unwürdigkeit weidete. Auch
von seinem Leben wird das Sprichwort gelten, das sich schon so häufig be¬
währt hat: es wird durch den Tod geadelt werden.

Die ernste Kritik, der'es nicht darauf ankommen kann, einer genialen
Begabung zu Liebe ihre Principien aufzuopfern, hat häufig Veranlassung ge¬
habt, die Unstttlichkeiten des Dichters zu rügen, die, was auch die Romantiker
behaupten mögen, auch immer unschön sind. Das Schöne hat keinen schlim¬
mern Feind, als denjenigen, der es vom Guten trennen will, und wenn man


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[0398] lichkeiten. Die Stelle, die er beschrieb, wrttde heiliger Boden, und von Tau¬ senden von Pilgern besucht. Bald war die Phantasie des Volks so vollstän¬ dig von Plaids, Tartscher und Claymores erfüllt, daß von den meisten Eng¬ ländern Schotte und Hochländer für gleichbedeutende Worte gehalten wurden. Wenige Leute schienen zu wissen, daß in einer nicht fernen Periode ein Mac- ddnald oder ein Macgregor in seinem Tartar für einen Bürger von Edinburgh oder Glasgow das war, was ein indianischer Jäger in seiner Kriegsmalerei für einen Einwohner von Philadelphia oder Boston ist. Künstler und Schau¬ spieler stellten Bruce und Douglas in gestreiften Unterröcken dar. Sie hätten ebensogut Washington einen Tomahawk' schwingend und mit einer Reihe von Skalpen umgürtet darstellen können. Endlich' erreichte diese Mode einen Punkt über den es nicht leicht war, hinauszugehen. Der letzte britische König, der einen Hos in Holyrood hielt, glaubte, er könne keinen schlagendem Be¬ weis von seiner Achtung sür die Gebräuche geben, die in Schottland vor der Union geherrscht hätten, als indem er sich in eine Tracht verkleidete, die vor der Union von neun Schotten unter zehn für die eines Diebes angesehen wurde.— Schließlich erlauben wir uns noch die geehrte Tauchnitz'sche Buchhandlung darauf aufmerksam zu machen, daß in ihrer Sammlung der Abhandlungen von Macaulay eine der interessantesten fehlt, die Abhandlung über Friedrich den Großen. Sie ist zwar sehr einseitig und parteiisch, aber doch mit vielem Geist geschrieben und nicht blos sür die Charakteristik des Geschichtschreibers wichtig, sondern auch sür die richtige Würdigung des großen Königs. Heinrich Heine. Bei dem langen schrecklichen Leiden, das den Dichter niederdrückte und das ohne Hoffnung war, wird kaum jemand Anstand nehmen, seinen Tod ein Glück zu nennen. Auch für seinen Ruf ists ein Glück. Wenn auch seine letzten Schriften noch immer Spuren jenes lebendigen dämonischen Geistes zeigen, der seine ersten Werke der Jugend so werth gemacht hat, so müßte man sie doch im Ganzen beklagen, denn es war eine Poesie des Elends und der Noth, die in wildem Behagen sich an ihrer eignen Unwürdigkeit weidete. Auch von seinem Leben wird das Sprichwort gelten, das sich schon so häufig be¬ währt hat: es wird durch den Tod geadelt werden. Die ernste Kritik, der'es nicht darauf ankommen kann, einer genialen Begabung zu Liebe ihre Principien aufzuopfern, hat häufig Veranlassung ge¬ habt, die Unstttlichkeiten des Dichters zu rügen, die, was auch die Romantiker behaupten mögen, auch immer unschön sind. Das Schöne hat keinen schlim¬ mern Feind, als denjenigen, der es vom Guten trennen will, und wenn man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/398>, abgerufen am 06.05.2024.