Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Bemerkungen zum östreichischen Concorwt.

Die staatsrechtliche Stellung der katholischen Kirche in den katholi¬
schen Ländern des deutschen Reichs besonders im achtzehnten Jahr¬
hundert. Eine rechtsgeschichtliche und rcchtsdogmengeschichtliche Abhandlung
von Kr. L. A. Warnkönig. Erlangen, F. Eule. --

Obgleich die orientalischen Angelegenheiten das öffentliche Interesse in
einer Weise absorbirten, daß man kaum noch für etwas Anderes Auge und
Sinn hatte, war doch die Nachricht von dem Abschluß des östreichischen Con-
cordats ein zu starker Schlag, als daß er unbeachtet hätte vorübergehen sollen.
Man weiß nicht recht, welches Gefühl in den öffentlichen Kundgebungen vor¬
herrschend war, Erstaunen, Schreck, Unwille. Selbst eine gewisse Schadenfreude
blieb nicht'aus. Die neuesten Enthüllungen haben keineswegs dazu beigetra¬
gen, diesen Eindruck abzuschwächen, im Gegentheil sieht man immer deutlicher,
wie tief eingreifend diese neuen Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf
das ganze Leben wirken müssen. Man ist es zwar schon gewohnt, daß bei
jedem Concordat Rom den Löwenantheil erhält, aber in dem Grade wie hier
war es doch kaum noch vorgekommen, daß der Staat die ungeheuersten Con¬
cessionen machte und seinerseits nicht das Mindeste gewann. Das Räthsel ist
auch heute noch nicht aufgeklärt. Es mußte aber dadurch ein lebhaftes Inter¬
esse angeregt werden, zu erfahren, in welchem Verhältniß diese neue Ordnung
der Dinge zu der alten historischen Entwicklung Oestreichs stehe.

Es ist zu bedauern, daß der Verfasser des vorliegenden Buchs statt einer
vollständigen historischen Darstellung nur einen fragmentarischen Abriß gegeben
hat. Dennoch stellt sich schon in diesem das Verhältniß ziemlich klar heraus.--
Die östreichische Negierung war von Anbeginn an, namentlich aber seit dem
30jährigen Krieg streng katholisch gesinnt und wandte alle ihre Staatskräfte
darauf, die katholische Kirche zu fördern und die Gegner derselben zu unter¬
drücken. Aber wenn auf solche Weise die östreichischen Herrscher als die kräf¬
tigsten Beschützer der katholischen Religion und Kirche dem Protestantismus
gegenüber sich zeigten, so hielten sie sich dagegen auch für berechtigt, in die
Leitung der kirchlichen Angelegenheiten als ihre Schirmherrn selbst einzugreifen
und zwar um nicht blos den Kirchengesetzen den Vollzug durch den weltlichen
Arm angedeihen zu lassen, sondern auch um als prowotoiös Canonum die Aus¬
übung der geistlichen Gewalt zu überwachen, Als Schützer der Staatsinter¬
essen gegen kirchliche Uebergriffe traten sie vor Maria Theresia selten auf; sie
kannten noch nicht die Begriffsbestimmung ihres ^us in^eswtieuiri etres, sacra
in seiner doppelten Beziehung; doch waren sie sich der Zuständigkeit eines
solchen Hoheitsrechtes wohl bewußt, übten es z. B. durch Ertheilung oder Ver-


Bemerkungen zum östreichischen Concorwt.

Die staatsrechtliche Stellung der katholischen Kirche in den katholi¬
schen Ländern des deutschen Reichs besonders im achtzehnten Jahr¬
hundert. Eine rechtsgeschichtliche und rcchtsdogmengeschichtliche Abhandlung
von Kr. L. A. Warnkönig. Erlangen, F. Eule. —

Obgleich die orientalischen Angelegenheiten das öffentliche Interesse in
einer Weise absorbirten, daß man kaum noch für etwas Anderes Auge und
Sinn hatte, war doch die Nachricht von dem Abschluß des östreichischen Con-
cordats ein zu starker Schlag, als daß er unbeachtet hätte vorübergehen sollen.
Man weiß nicht recht, welches Gefühl in den öffentlichen Kundgebungen vor¬
herrschend war, Erstaunen, Schreck, Unwille. Selbst eine gewisse Schadenfreude
blieb nicht'aus. Die neuesten Enthüllungen haben keineswegs dazu beigetra¬
gen, diesen Eindruck abzuschwächen, im Gegentheil sieht man immer deutlicher,
wie tief eingreifend diese neuen Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf
das ganze Leben wirken müssen. Man ist es zwar schon gewohnt, daß bei
jedem Concordat Rom den Löwenantheil erhält, aber in dem Grade wie hier
war es doch kaum noch vorgekommen, daß der Staat die ungeheuersten Con¬
cessionen machte und seinerseits nicht das Mindeste gewann. Das Räthsel ist
auch heute noch nicht aufgeklärt. Es mußte aber dadurch ein lebhaftes Inter¬
esse angeregt werden, zu erfahren, in welchem Verhältniß diese neue Ordnung
der Dinge zu der alten historischen Entwicklung Oestreichs stehe.

Es ist zu bedauern, daß der Verfasser des vorliegenden Buchs statt einer
vollständigen historischen Darstellung nur einen fragmentarischen Abriß gegeben
hat. Dennoch stellt sich schon in diesem das Verhältniß ziemlich klar heraus.—
Die östreichische Negierung war von Anbeginn an, namentlich aber seit dem
30jährigen Krieg streng katholisch gesinnt und wandte alle ihre Staatskräfte
darauf, die katholische Kirche zu fördern und die Gegner derselben zu unter¬
drücken. Aber wenn auf solche Weise die östreichischen Herrscher als die kräf¬
tigsten Beschützer der katholischen Religion und Kirche dem Protestantismus
gegenüber sich zeigten, so hielten sie sich dagegen auch für berechtigt, in die
Leitung der kirchlichen Angelegenheiten als ihre Schirmherrn selbst einzugreifen
und zwar um nicht blos den Kirchengesetzen den Vollzug durch den weltlichen
Arm angedeihen zu lassen, sondern auch um als prowotoiös Canonum die Aus¬
übung der geistlichen Gewalt zu überwachen, Als Schützer der Staatsinter¬
essen gegen kirchliche Uebergriffe traten sie vor Maria Theresia selten auf; sie
kannten noch nicht die Begriffsbestimmung ihres ^us in^eswtieuiri etres, sacra
in seiner doppelten Beziehung; doch waren sie sich der Zuständigkeit eines
solchen Hoheitsrechtes wohl bewußt, übten es z. B. durch Ertheilung oder Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101499"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bemerkungen zum östreichischen Concorwt.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1504"> Die staatsrechtliche Stellung der katholischen Kirche in den katholi¬<lb/>
schen Ländern des deutschen Reichs besonders im achtzehnten Jahr¬<lb/>
hundert. Eine rechtsgeschichtliche und rcchtsdogmengeschichtliche Abhandlung<lb/>
von Kr. L. A. Warnkönig. Erlangen, F. Eule. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1505"> Obgleich die orientalischen Angelegenheiten das öffentliche Interesse in<lb/>
einer Weise absorbirten, daß man kaum noch für etwas Anderes Auge und<lb/>
Sinn hatte, war doch die Nachricht von dem Abschluß des östreichischen Con-<lb/>
cordats ein zu starker Schlag, als daß er unbeachtet hätte vorübergehen sollen.<lb/>
Man weiß nicht recht, welches Gefühl in den öffentlichen Kundgebungen vor¬<lb/>
herrschend war, Erstaunen, Schreck, Unwille. Selbst eine gewisse Schadenfreude<lb/>
blieb nicht'aus. Die neuesten Enthüllungen haben keineswegs dazu beigetra¬<lb/>
gen, diesen Eindruck abzuschwächen, im Gegentheil sieht man immer deutlicher,<lb/>
wie tief eingreifend diese neuen Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf<lb/>
das ganze Leben wirken müssen. Man ist es zwar schon gewohnt, daß bei<lb/>
jedem Concordat Rom den Löwenantheil erhält, aber in dem Grade wie hier<lb/>
war es doch kaum noch vorgekommen, daß der Staat die ungeheuersten Con¬<lb/>
cessionen machte und seinerseits nicht das Mindeste gewann. Das Räthsel ist<lb/>
auch heute noch nicht aufgeklärt. Es mußte aber dadurch ein lebhaftes Inter¬<lb/>
esse angeregt werden, zu erfahren, in welchem Verhältniß diese neue Ordnung<lb/>
der Dinge zu der alten historischen Entwicklung Oestreichs stehe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1506" next="#ID_1507"> Es ist zu bedauern, daß der Verfasser des vorliegenden Buchs statt einer<lb/>
vollständigen historischen Darstellung nur einen fragmentarischen Abriß gegeben<lb/>
hat. Dennoch stellt sich schon in diesem das Verhältniß ziemlich klar heraus.&#x2014;<lb/>
Die östreichische Negierung war von Anbeginn an, namentlich aber seit dem<lb/>
30jährigen Krieg streng katholisch gesinnt und wandte alle ihre Staatskräfte<lb/>
darauf, die katholische Kirche zu fördern und die Gegner derselben zu unter¬<lb/>
drücken. Aber wenn auf solche Weise die östreichischen Herrscher als die kräf¬<lb/>
tigsten Beschützer der katholischen Religion und Kirche dem Protestantismus<lb/>
gegenüber sich zeigten, so hielten sie sich dagegen auch für berechtigt, in die<lb/>
Leitung der kirchlichen Angelegenheiten als ihre Schirmherrn selbst einzugreifen<lb/>
und zwar um nicht blos den Kirchengesetzen den Vollzug durch den weltlichen<lb/>
Arm angedeihen zu lassen, sondern auch um als prowotoiös Canonum die Aus¬<lb/>
übung der geistlichen Gewalt zu überwachen, Als Schützer der Staatsinter¬<lb/>
essen gegen kirchliche Uebergriffe traten sie vor Maria Theresia selten auf; sie<lb/>
kannten noch nicht die Begriffsbestimmung ihres ^us in^eswtieuiri etres, sacra<lb/>
in seiner doppelten Beziehung; doch waren sie sich der Zuständigkeit eines<lb/>
solchen Hoheitsrechtes wohl bewußt, übten es z. B. durch Ertheilung oder Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0506] Bemerkungen zum östreichischen Concorwt. Die staatsrechtliche Stellung der katholischen Kirche in den katholi¬ schen Ländern des deutschen Reichs besonders im achtzehnten Jahr¬ hundert. Eine rechtsgeschichtliche und rcchtsdogmengeschichtliche Abhandlung von Kr. L. A. Warnkönig. Erlangen, F. Eule. — Obgleich die orientalischen Angelegenheiten das öffentliche Interesse in einer Weise absorbirten, daß man kaum noch für etwas Anderes Auge und Sinn hatte, war doch die Nachricht von dem Abschluß des östreichischen Con- cordats ein zu starker Schlag, als daß er unbeachtet hätte vorübergehen sollen. Man weiß nicht recht, welches Gefühl in den öffentlichen Kundgebungen vor¬ herrschend war, Erstaunen, Schreck, Unwille. Selbst eine gewisse Schadenfreude blieb nicht'aus. Die neuesten Enthüllungen haben keineswegs dazu beigetra¬ gen, diesen Eindruck abzuschwächen, im Gegentheil sieht man immer deutlicher, wie tief eingreifend diese neuen Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf das ganze Leben wirken müssen. Man ist es zwar schon gewohnt, daß bei jedem Concordat Rom den Löwenantheil erhält, aber in dem Grade wie hier war es doch kaum noch vorgekommen, daß der Staat die ungeheuersten Con¬ cessionen machte und seinerseits nicht das Mindeste gewann. Das Räthsel ist auch heute noch nicht aufgeklärt. Es mußte aber dadurch ein lebhaftes Inter¬ esse angeregt werden, zu erfahren, in welchem Verhältniß diese neue Ordnung der Dinge zu der alten historischen Entwicklung Oestreichs stehe. Es ist zu bedauern, daß der Verfasser des vorliegenden Buchs statt einer vollständigen historischen Darstellung nur einen fragmentarischen Abriß gegeben hat. Dennoch stellt sich schon in diesem das Verhältniß ziemlich klar heraus.— Die östreichische Negierung war von Anbeginn an, namentlich aber seit dem 30jährigen Krieg streng katholisch gesinnt und wandte alle ihre Staatskräfte darauf, die katholische Kirche zu fördern und die Gegner derselben zu unter¬ drücken. Aber wenn auf solche Weise die östreichischen Herrscher als die kräf¬ tigsten Beschützer der katholischen Religion und Kirche dem Protestantismus gegenüber sich zeigten, so hielten sie sich dagegen auch für berechtigt, in die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten als ihre Schirmherrn selbst einzugreifen und zwar um nicht blos den Kirchengesetzen den Vollzug durch den weltlichen Arm angedeihen zu lassen, sondern auch um als prowotoiös Canonum die Aus¬ übung der geistlichen Gewalt zu überwachen, Als Schützer der Staatsinter¬ essen gegen kirchliche Uebergriffe traten sie vor Maria Theresia selten auf; sie kannten noch nicht die Begriffsbestimmung ihres ^us in^eswtieuiri etres, sacra in seiner doppelten Beziehung; doch waren sie sich der Zuständigkeit eines solchen Hoheitsrechtes wohl bewußt, übten es z. B. durch Ertheilung oder Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/506
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/506>, abgerufen am 07.05.2024.