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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Meere kommt, ist allerdings bedeutend; das Ausfuhrverbot desselben wird je¬
doch Europa weniger hart treffen, wenn es sein Korn aus den Donanfürsten-
thümern, aus der Levante und aus Polen beziehen kann. Daß es, wie Herr
Picard hofft, gelingen werde, diese Kornkammer Polens von dem russischen
Reiche abzutrennen, ist sehr zu bezweifeln. Aber jedenfalls ist bei einem Frie¬
densschluß mit Rußland der ökonomische Gesichtspunkt sehr zu berücksichtigen:
der Umstand, daß, wenn ein Getreidemangel in Europa eintritt, der Kaiser
von Rußland durch ein Ausfuhrverbot Europa aushungern kann. Es ist ferner
zu berücksichtigen, daß bei dem Ueberfluß an Getreide die Bevölkerung Ru߬
lands, welche in den letzten fünfzig Jahren sich verdoppelt hat, bei derselben
Progression gegen Ende dieses Jahrhunderts die Zahl von 130 Millionen
erreichen wird, während in dem übrigen Europa die Bevölkerung schon wegen
den Auswanderungen keineswegs in gleichem Maße zunimmt. Es ist dies
eine große Gefahr für Europa, welcher vorzubeugen eine Hauptausgabe bei
einem Friedensschluß sein wird.




Reisebilder.
Helgoland. Schilderungen und Erörterungen von Friedrich Octker. Mit
einer Ansicht und zwei Karten. Berlin, Franz Duncker. --
Pariser Briefe über Leben, Kunst. Gesellschaft und Industrie zur Zeit der Welt¬
ausstellung im Jahr I8nu. Von M. G. Saphir. Leipzig, Hart¬
leben. --
Nach Constantinopel und Brussa. Ferienreisen eines preußischen Juristen. Berlin,
Schneider K Como. --

Die Insel Helgoland, der beliebte Badeort, hat in neuester Zeit auch als
britischer Werbeplatz die Aufmerksamkeit Deutschlands auf sich gezogen, und
man ist geneigt gewesen, allerlei Möglichkeiten, wodurch diese Insel einmal
für England oder für Deutschland ein sehr wichtiger maritimer Puukt werden
könnte, zu erdenken. Der Verfasser der ersten unter den genannten Schriften,
durch vieljährigen Aufenthalt auf das genaueste mit der Natur Helgolands
und den Sitten seiner Einwohner vertraut, hat sich nun die Mühe gegeben,
die Geschichte der Insel, ihre Bedeutung, ihre gesetzlichen Einrichtungen u. s. w.
in einer streng wissenschaftlichen Form zusammenzufassen. Man kann den klein¬
sten Gegenstand ebenso gründlich behandeln, als den großen, und so ist diese
Monographie in ihrer Art ein Musterwerk, obgleich wir uns der Bemerkung
nicht erwehren können, daß eine gedrängtere Darstellung dem Erfolg des Buchs
keinen Schaden gethan haben würde; 600 Seiten über die Insel Helgoland


Meere kommt, ist allerdings bedeutend; das Ausfuhrverbot desselben wird je¬
doch Europa weniger hart treffen, wenn es sein Korn aus den Donanfürsten-
thümern, aus der Levante und aus Polen beziehen kann. Daß es, wie Herr
Picard hofft, gelingen werde, diese Kornkammer Polens von dem russischen
Reiche abzutrennen, ist sehr zu bezweifeln. Aber jedenfalls ist bei einem Frie¬
densschluß mit Rußland der ökonomische Gesichtspunkt sehr zu berücksichtigen:
der Umstand, daß, wenn ein Getreidemangel in Europa eintritt, der Kaiser
von Rußland durch ein Ausfuhrverbot Europa aushungern kann. Es ist ferner
zu berücksichtigen, daß bei dem Ueberfluß an Getreide die Bevölkerung Ru߬
lands, welche in den letzten fünfzig Jahren sich verdoppelt hat, bei derselben
Progression gegen Ende dieses Jahrhunderts die Zahl von 130 Millionen
erreichen wird, während in dem übrigen Europa die Bevölkerung schon wegen
den Auswanderungen keineswegs in gleichem Maße zunimmt. Es ist dies
eine große Gefahr für Europa, welcher vorzubeugen eine Hauptausgabe bei
einem Friedensschluß sein wird.




Reisebilder.
Helgoland. Schilderungen und Erörterungen von Friedrich Octker. Mit
einer Ansicht und zwei Karten. Berlin, Franz Duncker. —
Pariser Briefe über Leben, Kunst. Gesellschaft und Industrie zur Zeit der Welt¬
ausstellung im Jahr I8nu. Von M. G. Saphir. Leipzig, Hart¬
leben. —
Nach Constantinopel und Brussa. Ferienreisen eines preußischen Juristen. Berlin,
Schneider K Como. —

Die Insel Helgoland, der beliebte Badeort, hat in neuester Zeit auch als
britischer Werbeplatz die Aufmerksamkeit Deutschlands auf sich gezogen, und
man ist geneigt gewesen, allerlei Möglichkeiten, wodurch diese Insel einmal
für England oder für Deutschland ein sehr wichtiger maritimer Puukt werden
könnte, zu erdenken. Der Verfasser der ersten unter den genannten Schriften,
durch vieljährigen Aufenthalt auf das genaueste mit der Natur Helgolands
und den Sitten seiner Einwohner vertraut, hat sich nun die Mühe gegeben,
die Geschichte der Insel, ihre Bedeutung, ihre gesetzlichen Einrichtungen u. s. w.
in einer streng wissenschaftlichen Form zusammenzufassen. Man kann den klein¬
sten Gegenstand ebenso gründlich behandeln, als den großen, und so ist diese
Monographie in ihrer Art ein Musterwerk, obgleich wir uns der Bemerkung
nicht erwehren können, daß eine gedrängtere Darstellung dem Erfolg des Buchs
keinen Schaden gethan haben würde; 600 Seiten über die Insel Helgoland


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[0064] Meere kommt, ist allerdings bedeutend; das Ausfuhrverbot desselben wird je¬ doch Europa weniger hart treffen, wenn es sein Korn aus den Donanfürsten- thümern, aus der Levante und aus Polen beziehen kann. Daß es, wie Herr Picard hofft, gelingen werde, diese Kornkammer Polens von dem russischen Reiche abzutrennen, ist sehr zu bezweifeln. Aber jedenfalls ist bei einem Frie¬ densschluß mit Rußland der ökonomische Gesichtspunkt sehr zu berücksichtigen: der Umstand, daß, wenn ein Getreidemangel in Europa eintritt, der Kaiser von Rußland durch ein Ausfuhrverbot Europa aushungern kann. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß bei dem Ueberfluß an Getreide die Bevölkerung Ru߬ lands, welche in den letzten fünfzig Jahren sich verdoppelt hat, bei derselben Progression gegen Ende dieses Jahrhunderts die Zahl von 130 Millionen erreichen wird, während in dem übrigen Europa die Bevölkerung schon wegen den Auswanderungen keineswegs in gleichem Maße zunimmt. Es ist dies eine große Gefahr für Europa, welcher vorzubeugen eine Hauptausgabe bei einem Friedensschluß sein wird. Reisebilder. Helgoland. Schilderungen und Erörterungen von Friedrich Octker. Mit einer Ansicht und zwei Karten. Berlin, Franz Duncker. — Pariser Briefe über Leben, Kunst. Gesellschaft und Industrie zur Zeit der Welt¬ ausstellung im Jahr I8nu. Von M. G. Saphir. Leipzig, Hart¬ leben. — Nach Constantinopel und Brussa. Ferienreisen eines preußischen Juristen. Berlin, Schneider K Como. — Die Insel Helgoland, der beliebte Badeort, hat in neuester Zeit auch als britischer Werbeplatz die Aufmerksamkeit Deutschlands auf sich gezogen, und man ist geneigt gewesen, allerlei Möglichkeiten, wodurch diese Insel einmal für England oder für Deutschland ein sehr wichtiger maritimer Puukt werden könnte, zu erdenken. Der Verfasser der ersten unter den genannten Schriften, durch vieljährigen Aufenthalt auf das genaueste mit der Natur Helgolands und den Sitten seiner Einwohner vertraut, hat sich nun die Mühe gegeben, die Geschichte der Insel, ihre Bedeutung, ihre gesetzlichen Einrichtungen u. s. w. in einer streng wissenschaftlichen Form zusammenzufassen. Man kann den klein¬ sten Gegenstand ebenso gründlich behandeln, als den großen, und so ist diese Monographie in ihrer Art ein Musterwerk, obgleich wir uns der Bemerkung nicht erwehren können, daß eine gedrängtere Darstellung dem Erfolg des Buchs keinen Schaden gethan haben würde; 600 Seiten über die Insel Helgoland

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/64>, abgerufen am 07.05.2024.