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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Nachtrag der Redaction.

^- Indem wir diese Bemerkungen eines
einsichtsvollen und ehrlichen Patrioten aus Süddeutschland mittheilen, knüpfen
wir daran eine Erwägung der Frage, wie weit sich die Regierungen der Presse
bedienen sollen und dürfen. Die allgemeine Meinung spricht sich im Ganzen
gegen alle officiösen Schriftsteller aus und es kann nicht geleugnet werden,
daß vielfacher Mißbrauch damit getrieben wird; allein einerseits kann man es
einer Regierung, die ein bestimmtes politisches Princip vertritt, nicht verargen,
wenn sie die ihr nachtheiligen Einflüsse der oppositionellen Presse ihrerseits
durch Benutzung derselben zu Paralysiren sucht, andrerseits kann es der Presse
und dem Publicum, für das sie arbeitet, nur von Wichtigkeit sein, wenn sie
über Thatsachen oder auch nur über die subjective Auffassung derselben durch
die Regierung authentische Mittheilung erhält; um so mehr, da die gewöhn¬
lichen Korrespondenten in der Regel schlecht unterrichtet sind. Zu allen Zeiten,
lange bevor es eine selbstständige Presse gab, ist von geistvollen und unter¬
richteten Schriftstellern bei bestimmten Streitfragen das Interesse der Regierung
vertreten worden und es ist kein Grund vorhanden, warum es nicht auch ferner
so bleiben sollte. Nur muß man diese officiösen Mittheilungen in zwei Classen
sondern. Die einen geben sich unbefangen als das, was sie sind, als inspirirt
von Seiten einer bestimmten Regierung, die andern treten als unbefangene
Stimmen aus dem Publicum auf. Was die ersten betrifft, so wird niemand
ihre Berechtigung in Frage stellen und jede Zeitung, die nach einer gewissen
Vollständigkeit in den Thatsachen strebt, wird sie benutzen, denn selbst wenn
sie keine neuen Thatsachen enthalten, ist es doch von Interesse, zu erfahren,
wie die Negierung eine bestimmte Thatsache aufgefaßt wissen will. Wie diese
Mittheilungen stattfinden, ob in streng amtlicher Form, oder als lithographirte
Korrespondenz, ist am Ende gleichgiltig, wenn man nur die Quelle sofort
herauserkennt. -- Bedenklicher ist die zweite Art und der Verfasser des vor¬
stehenden Aufsatzes hat einige von den Uebelstänvcn, die sich daraus ergeben,
sehr treffend markirt. Aber wir nehmen keinen Anstand, es bestimmt auszu¬
sprechen, die Schuld davon fällt lediglich auf die Redactionen. Es wird der
Regierung leicht fallen, ein Blatt zum Schweigen zu bringen, denn abgesehen
von den materiellen Interessen, die durch die Androhung eines Verbots verletzt
werden, kann ein Blatt noch immer glauben, nach andern Seiten hin Nutzen
Zu stiften, auch wenn ihm eine bestimmte Seite versagt wird. Allein es .gibt
keine Macht in der Welt, die eine Redaction zwingen könnte, etwas aufzu¬
nehmen, was gegen ihre Ueberzeugung ist.

Bei der allgemeinen Neigung für die bureaukratischen Formen ist nament¬
lich in den beiden größern deutschen Staaten, in Oestreich und Preußen, das
von den Regierungen inspirirte Bureau nach Art eines geschäftlichen Bu¬
reaus eingerichtet und der Dirigent desselben hat einen bestimmten Ressort, eine


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Nachtrag der Redaction.

^- Indem wir diese Bemerkungen eines
einsichtsvollen und ehrlichen Patrioten aus Süddeutschland mittheilen, knüpfen
wir daran eine Erwägung der Frage, wie weit sich die Regierungen der Presse
bedienen sollen und dürfen. Die allgemeine Meinung spricht sich im Ganzen
gegen alle officiösen Schriftsteller aus und es kann nicht geleugnet werden,
daß vielfacher Mißbrauch damit getrieben wird; allein einerseits kann man es
einer Regierung, die ein bestimmtes politisches Princip vertritt, nicht verargen,
wenn sie die ihr nachtheiligen Einflüsse der oppositionellen Presse ihrerseits
durch Benutzung derselben zu Paralysiren sucht, andrerseits kann es der Presse
und dem Publicum, für das sie arbeitet, nur von Wichtigkeit sein, wenn sie
über Thatsachen oder auch nur über die subjective Auffassung derselben durch
die Regierung authentische Mittheilung erhält; um so mehr, da die gewöhn¬
lichen Korrespondenten in der Regel schlecht unterrichtet sind. Zu allen Zeiten,
lange bevor es eine selbstständige Presse gab, ist von geistvollen und unter¬
richteten Schriftstellern bei bestimmten Streitfragen das Interesse der Regierung
vertreten worden und es ist kein Grund vorhanden, warum es nicht auch ferner
so bleiben sollte. Nur muß man diese officiösen Mittheilungen in zwei Classen
sondern. Die einen geben sich unbefangen als das, was sie sind, als inspirirt
von Seiten einer bestimmten Regierung, die andern treten als unbefangene
Stimmen aus dem Publicum auf. Was die ersten betrifft, so wird niemand
ihre Berechtigung in Frage stellen und jede Zeitung, die nach einer gewissen
Vollständigkeit in den Thatsachen strebt, wird sie benutzen, denn selbst wenn
sie keine neuen Thatsachen enthalten, ist es doch von Interesse, zu erfahren,
wie die Negierung eine bestimmte Thatsache aufgefaßt wissen will. Wie diese
Mittheilungen stattfinden, ob in streng amtlicher Form, oder als lithographirte
Korrespondenz, ist am Ende gleichgiltig, wenn man nur die Quelle sofort
herauserkennt. — Bedenklicher ist die zweite Art und der Verfasser des vor¬
stehenden Aufsatzes hat einige von den Uebelstänvcn, die sich daraus ergeben,
sehr treffend markirt. Aber wir nehmen keinen Anstand, es bestimmt auszu¬
sprechen, die Schuld davon fällt lediglich auf die Redactionen. Es wird der
Regierung leicht fallen, ein Blatt zum Schweigen zu bringen, denn abgesehen
von den materiellen Interessen, die durch die Androhung eines Verbots verletzt
werden, kann ein Blatt noch immer glauben, nach andern Seiten hin Nutzen
Zu stiften, auch wenn ihm eine bestimmte Seite versagt wird. Allein es .gibt
keine Macht in der Welt, die eine Redaction zwingen könnte, etwas aufzu¬
nehmen, was gegen ihre Ueberzeugung ist.

Bei der allgemeinen Neigung für die bureaukratischen Formen ist nament¬
lich in den beiden größern deutschen Staaten, in Oestreich und Preußen, das
von den Regierungen inspirirte Bureau nach Art eines geschäftlichen Bu¬
reaus eingerichtet und der Dirigent desselben hat einen bestimmten Ressort, eine


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[0321] Nachtrag der Redaction. ^- Indem wir diese Bemerkungen eines einsichtsvollen und ehrlichen Patrioten aus Süddeutschland mittheilen, knüpfen wir daran eine Erwägung der Frage, wie weit sich die Regierungen der Presse bedienen sollen und dürfen. Die allgemeine Meinung spricht sich im Ganzen gegen alle officiösen Schriftsteller aus und es kann nicht geleugnet werden, daß vielfacher Mißbrauch damit getrieben wird; allein einerseits kann man es einer Regierung, die ein bestimmtes politisches Princip vertritt, nicht verargen, wenn sie die ihr nachtheiligen Einflüsse der oppositionellen Presse ihrerseits durch Benutzung derselben zu Paralysiren sucht, andrerseits kann es der Presse und dem Publicum, für das sie arbeitet, nur von Wichtigkeit sein, wenn sie über Thatsachen oder auch nur über die subjective Auffassung derselben durch die Regierung authentische Mittheilung erhält; um so mehr, da die gewöhn¬ lichen Korrespondenten in der Regel schlecht unterrichtet sind. Zu allen Zeiten, lange bevor es eine selbstständige Presse gab, ist von geistvollen und unter¬ richteten Schriftstellern bei bestimmten Streitfragen das Interesse der Regierung vertreten worden und es ist kein Grund vorhanden, warum es nicht auch ferner so bleiben sollte. Nur muß man diese officiösen Mittheilungen in zwei Classen sondern. Die einen geben sich unbefangen als das, was sie sind, als inspirirt von Seiten einer bestimmten Regierung, die andern treten als unbefangene Stimmen aus dem Publicum auf. Was die ersten betrifft, so wird niemand ihre Berechtigung in Frage stellen und jede Zeitung, die nach einer gewissen Vollständigkeit in den Thatsachen strebt, wird sie benutzen, denn selbst wenn sie keine neuen Thatsachen enthalten, ist es doch von Interesse, zu erfahren, wie die Negierung eine bestimmte Thatsache aufgefaßt wissen will. Wie diese Mittheilungen stattfinden, ob in streng amtlicher Form, oder als lithographirte Korrespondenz, ist am Ende gleichgiltig, wenn man nur die Quelle sofort herauserkennt. — Bedenklicher ist die zweite Art und der Verfasser des vor¬ stehenden Aufsatzes hat einige von den Uebelstänvcn, die sich daraus ergeben, sehr treffend markirt. Aber wir nehmen keinen Anstand, es bestimmt auszu¬ sprechen, die Schuld davon fällt lediglich auf die Redactionen. Es wird der Regierung leicht fallen, ein Blatt zum Schweigen zu bringen, denn abgesehen von den materiellen Interessen, die durch die Androhung eines Verbots verletzt werden, kann ein Blatt noch immer glauben, nach andern Seiten hin Nutzen Zu stiften, auch wenn ihm eine bestimmte Seite versagt wird. Allein es .gibt keine Macht in der Welt, die eine Redaction zwingen könnte, etwas aufzu¬ nehmen, was gegen ihre Ueberzeugung ist. Bei der allgemeinen Neigung für die bureaukratischen Formen ist nament¬ lich in den beiden größern deutschen Staaten, in Oestreich und Preußen, das von den Regierungen inspirirte Bureau nach Art eines geschäftlichen Bu¬ reaus eingerichtet und der Dirigent desselben hat einen bestimmten Ressort, eine Grenzboten. II. -I8S6. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/321>, abgerufen am 04.05.2024.