Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ein-, höchstens zweimal wiederholen darf, um das Publicum nicht zu lang¬
weilen, auf diese Art die Stücke öfters wiederholend, ihr Spiel und ihr Ver¬
ständniß nur verbessern könnte.

, Das alles möchte wol recht hübsch sein, allein ein Hauptpunkt steht ihm
doch entgegen -- der Geldpunkt. Der Gast will Geld sehen, viel Geld und
dazu gelangt er viel leichter, wenn er allein steht und sich allein producirt.
Je mehr er gegen die andern absticht, um so lieber ist es ihm. Da freilich,
wo diese Gründe überwiegen, sind alle Worte verloren.

Wir sprachen bis jetzt nur von dem Schauspiel, doch möchten wir auch
mit wenigen Worten hier der Oper erwähnen. Denn auch ihr bringen Gast¬
spiele nicht, viel Nutzen, wenn sie in der bisherigen Art betrieben werden.
Auch hier wird das Ensemble zerrissen und der Charakter des Werks zerstört;
und bietet auch die Partitur gewisse Anhaltspunkte, über die niemand hinaus
> kann, so ist doch dabei der Verderbnis) ein überreicher Spielraum geboten,
nichts ist ja gewöhnlicher, als daß der Sänger oder die Sängerin, um dem
Publicum zu imponiren und die Kraft und den Umfang ihrer Stimmen zu zeigen,
die vorgeschriebenen Noten nicht achten, sondern einfach ihrer Liebhaberei folgen.
Und fast haben sie Recht, denn niemals ist der Beifall stärker, als wenn der
Künstler durch irgend ein übelangebrachtes Kunststück der Kunst ins Gesicht
geschlagen hat. Wie der Schauspieler sinkt auch der Sänger bei einem engen
Cyklus von Rollen, die er tagtäglich producirt, in handwerksmäßige Manier
herab. Eine reine, gebildete Stimme und ein durchdachter Gesang müssen hier¬
bei scheitern und zu Grunde gehen. Doch die Ausführung würde uns hier
zu weit führen, genug daß es klar wird, wie sich Schauspieler .und Sänger,
wenn sie einmal auf einem gewissen Punkt angelangt sind, brüderlich die
Hand, reichen und ihr Streben das. nämliche Ziel hat -- den Effect. Und
doch ist "der beliebte Essek," wie Thibaut in seiner Reinheit der Tonkunst
sagt, "größtentheils nichts als ein Erzeugniß des Ungeschicks und der Feigheit,
welche Allen dienen und gefallen will." --




Zur Kulturgeschichte Rußlands.
Die slawisch-griechisch-lateinische Akademie in Moskau.

Am 12. lM.) Januar 18i^ feierte die Universität Moskau das hundert¬
jährige Jubiläum ihrer Gründung, die bei allen Mängeln, die den russischen
Bildungsinstituten überhaupt ankleben und die Wirksamkeit derselben oft hin¬
ter den bescheidensten Ansprüchen zurückbleiben lassen, in der Culturg'cschichte


ein-, höchstens zweimal wiederholen darf, um das Publicum nicht zu lang¬
weilen, auf diese Art die Stücke öfters wiederholend, ihr Spiel und ihr Ver¬
ständniß nur verbessern könnte.

, Das alles möchte wol recht hübsch sein, allein ein Hauptpunkt steht ihm
doch entgegen — der Geldpunkt. Der Gast will Geld sehen, viel Geld und
dazu gelangt er viel leichter, wenn er allein steht und sich allein producirt.
Je mehr er gegen die andern absticht, um so lieber ist es ihm. Da freilich,
wo diese Gründe überwiegen, sind alle Worte verloren.

Wir sprachen bis jetzt nur von dem Schauspiel, doch möchten wir auch
mit wenigen Worten hier der Oper erwähnen. Denn auch ihr bringen Gast¬
spiele nicht, viel Nutzen, wenn sie in der bisherigen Art betrieben werden.
Auch hier wird das Ensemble zerrissen und der Charakter des Werks zerstört;
und bietet auch die Partitur gewisse Anhaltspunkte, über die niemand hinaus
> kann, so ist doch dabei der Verderbnis) ein überreicher Spielraum geboten,
nichts ist ja gewöhnlicher, als daß der Sänger oder die Sängerin, um dem
Publicum zu imponiren und die Kraft und den Umfang ihrer Stimmen zu zeigen,
die vorgeschriebenen Noten nicht achten, sondern einfach ihrer Liebhaberei folgen.
Und fast haben sie Recht, denn niemals ist der Beifall stärker, als wenn der
Künstler durch irgend ein übelangebrachtes Kunststück der Kunst ins Gesicht
geschlagen hat. Wie der Schauspieler sinkt auch der Sänger bei einem engen
Cyklus von Rollen, die er tagtäglich producirt, in handwerksmäßige Manier
herab. Eine reine, gebildete Stimme und ein durchdachter Gesang müssen hier¬
bei scheitern und zu Grunde gehen. Doch die Ausführung würde uns hier
zu weit führen, genug daß es klar wird, wie sich Schauspieler .und Sänger,
wenn sie einmal auf einem gewissen Punkt angelangt sind, brüderlich die
Hand, reichen und ihr Streben das. nämliche Ziel hat — den Effect. Und
doch ist „der beliebte Essek," wie Thibaut in seiner Reinheit der Tonkunst
sagt, „größtentheils nichts als ein Erzeugniß des Ungeschicks und der Feigheit,
welche Allen dienen und gefallen will." —




Zur Kulturgeschichte Rußlands.
Die slawisch-griechisch-lateinische Akademie in Moskau.

Am 12. lM.) Januar 18i^ feierte die Universität Moskau das hundert¬
jährige Jubiläum ihrer Gründung, die bei allen Mängeln, die den russischen
Bildungsinstituten überhaupt ankleben und die Wirksamkeit derselben oft hin¬
ter den bescheidensten Ansprüchen zurückbleiben lassen, in der Culturg'cschichte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102003"/>
          <p xml:id="ID_1315" prev="#ID_1314"> ein-, höchstens zweimal wiederholen darf, um das Publicum nicht zu lang¬<lb/>
weilen, auf diese Art die Stücke öfters wiederholend, ihr Spiel und ihr Ver¬<lb/>
ständniß nur verbessern könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1316"> , Das alles möchte wol recht hübsch sein, allein ein Hauptpunkt steht ihm<lb/>
doch entgegen &#x2014; der Geldpunkt. Der Gast will Geld sehen, viel Geld und<lb/>
dazu gelangt er viel leichter, wenn er allein steht und sich allein producirt.<lb/>
Je mehr er gegen die andern absticht, um so lieber ist es ihm. Da freilich,<lb/>
wo diese Gründe überwiegen, sind alle Worte verloren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1317"> Wir sprachen bis jetzt nur von dem Schauspiel, doch möchten wir auch<lb/>
mit wenigen Worten hier der Oper erwähnen. Denn auch ihr bringen Gast¬<lb/>
spiele nicht, viel Nutzen, wenn sie in der bisherigen Art betrieben werden.<lb/>
Auch hier wird das Ensemble zerrissen und der Charakter des Werks zerstört;<lb/>
und bietet auch die Partitur gewisse Anhaltspunkte, über die niemand hinaus<lb/>
&gt; kann, so ist doch dabei der Verderbnis) ein überreicher Spielraum geboten,<lb/>
nichts ist ja gewöhnlicher, als daß der Sänger oder die Sängerin, um dem<lb/>
Publicum zu imponiren und die Kraft und den Umfang ihrer Stimmen zu zeigen,<lb/>
die vorgeschriebenen Noten nicht achten, sondern einfach ihrer Liebhaberei folgen.<lb/>
Und fast haben sie Recht, denn niemals ist der Beifall stärker, als wenn der<lb/>
Künstler durch irgend ein übelangebrachtes Kunststück der Kunst ins Gesicht<lb/>
geschlagen hat. Wie der Schauspieler sinkt auch der Sänger bei einem engen<lb/>
Cyklus von Rollen, die er tagtäglich producirt, in handwerksmäßige Manier<lb/>
herab. Eine reine, gebildete Stimme und ein durchdachter Gesang müssen hier¬<lb/>
bei scheitern und zu Grunde gehen. Doch die Ausführung würde uns hier<lb/>
zu weit führen, genug daß es klar wird, wie sich Schauspieler .und Sänger,<lb/>
wenn sie einmal auf einem gewissen Punkt angelangt sind, brüderlich die<lb/>
Hand, reichen und ihr Streben das. nämliche Ziel hat &#x2014; den Effect. Und<lb/>
doch ist &#x201E;der beliebte Essek," wie Thibaut in seiner Reinheit der Tonkunst<lb/>
sagt, &#x201E;größtentheils nichts als ein Erzeugniß des Ungeschicks und der Feigheit,<lb/>
welche Allen dienen und gefallen will." &#x2014;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Kulturgeschichte Rußlands.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Die slawisch-griechisch-lateinische Akademie in Moskau.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1318" next="#ID_1319"> Am 12. lM.) Januar 18i^ feierte die Universität Moskau das hundert¬<lb/>
jährige Jubiläum ihrer Gründung, die bei allen Mängeln, die den russischen<lb/>
Bildungsinstituten überhaupt ankleben und die Wirksamkeit derselben oft hin¬<lb/>
ter den bescheidensten Ansprüchen zurückbleiben lassen, in der Culturg'cschichte</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] ein-, höchstens zweimal wiederholen darf, um das Publicum nicht zu lang¬ weilen, auf diese Art die Stücke öfters wiederholend, ihr Spiel und ihr Ver¬ ständniß nur verbessern könnte. , Das alles möchte wol recht hübsch sein, allein ein Hauptpunkt steht ihm doch entgegen — der Geldpunkt. Der Gast will Geld sehen, viel Geld und dazu gelangt er viel leichter, wenn er allein steht und sich allein producirt. Je mehr er gegen die andern absticht, um so lieber ist es ihm. Da freilich, wo diese Gründe überwiegen, sind alle Worte verloren. Wir sprachen bis jetzt nur von dem Schauspiel, doch möchten wir auch mit wenigen Worten hier der Oper erwähnen. Denn auch ihr bringen Gast¬ spiele nicht, viel Nutzen, wenn sie in der bisherigen Art betrieben werden. Auch hier wird das Ensemble zerrissen und der Charakter des Werks zerstört; und bietet auch die Partitur gewisse Anhaltspunkte, über die niemand hinaus > kann, so ist doch dabei der Verderbnis) ein überreicher Spielraum geboten, nichts ist ja gewöhnlicher, als daß der Sänger oder die Sängerin, um dem Publicum zu imponiren und die Kraft und den Umfang ihrer Stimmen zu zeigen, die vorgeschriebenen Noten nicht achten, sondern einfach ihrer Liebhaberei folgen. Und fast haben sie Recht, denn niemals ist der Beifall stärker, als wenn der Künstler durch irgend ein übelangebrachtes Kunststück der Kunst ins Gesicht geschlagen hat. Wie der Schauspieler sinkt auch der Sänger bei einem engen Cyklus von Rollen, die er tagtäglich producirt, in handwerksmäßige Manier herab. Eine reine, gebildete Stimme und ein durchdachter Gesang müssen hier¬ bei scheitern und zu Grunde gehen. Doch die Ausführung würde uns hier zu weit führen, genug daß es klar wird, wie sich Schauspieler .und Sänger, wenn sie einmal auf einem gewissen Punkt angelangt sind, brüderlich die Hand, reichen und ihr Streben das. nämliche Ziel hat — den Effect. Und doch ist „der beliebte Essek," wie Thibaut in seiner Reinheit der Tonkunst sagt, „größtentheils nichts als ein Erzeugniß des Ungeschicks und der Feigheit, welche Allen dienen und gefallen will." — Zur Kulturgeschichte Rußlands. Die slawisch-griechisch-lateinische Akademie in Moskau. Am 12. lM.) Januar 18i^ feierte die Universität Moskau das hundert¬ jährige Jubiläum ihrer Gründung, die bei allen Mängeln, die den russischen Bildungsinstituten überhaupt ankleben und die Wirksamkeit derselben oft hin¬ ter den bescheidensten Ansprüchen zurückbleiben lassen, in der Culturg'cschichte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/476>, abgerufen am 04.05.2024.